Nach der Krise immer noch 1,65 Mrd. Euro auf der hohen Kante
Einmal mehr zeigt sich, dass die ÖVP-Wirtschaftskammerspitze weit weg von den Lebensrealitäten ihrer Mitglieder ist. Statt die Mitglieder in der Krise 2020 mit den vorhandenen Finanzmitteln wirksam zu unterstützen, wurde in diesem wirtschaftlich schwierigen Jahr vor allem darauf geschaut, dass die Einnahmen und die Rücklagen für die Kammer stimmen.
Wir kritisieren seit Jahren die hohen Rücklagen der WKO. Finanziert werden diese aus den Pflichtmitgliedsbeiträgen der Unternehmen in Österreich an die Wirtschaftskammer.
Im Frühjahr 2020 wurden viele Unternehmer:innen hart von den Einschränkungen der Gesundheitskrise getroffen. Um sie finanziell zu entlasten, haben wir die WKO aufgefordert, die Grundumlage komplett auszusetzen und die Kammerumlage 2 zu senken. Die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte WKO-Spitze erklärte jedoch, dass sich die Kammer das aufgrund der drohenden Einnahmenverluste nicht leisten könne. Obwohl die WKO damals rund 1,7 Mrd. € (also das rund 1,7-fache des WKO-Budgets 2019) an Rücklagen auf der hohen Kante hatte!
Deshalb wählten viele den Weg des individuellen Ansuchens um vollständigen Entfall oder Ermäßigung bei der Grundumlage, sahen sich aber teilweise mit großen Hürden konfrontiert – was viele Unternehmer:innen in einer schon schwierigen, beängstigenden Situation zusätzlich als demütigend seitens der Wirtschaftskammer empfanden. Dabei haben gerade die aus den Grundumlagen finanzierten Fachgruppen und -verbände enorm viel Geld gebunkert. Auch nach dem Krisenjahr 2020, wie es der Rechnungsabschluss nun verrät.
Die Details dazu findest du in den Tabellen unten.
Ein paar besondere Schmankerl vorweg: Die WK Wien hat z.B. 250 % ihrer Einnahmen als Rücklagen gehortet, in Salzburg sind es stolze 241 %. Interessant sind auch die Rücklagen der Fachorganisationen. Diese sind generell sehr hoch, besonders aber in Niederösterreich (436 % der Einnahmen), Wien (411 %) und Oberösterreich (302 %). Sogar im sonst eher finanzschwachen Burgenland stehen die Fachgruppen gut da. Der Rechnungsabschluss 2020 zeigt also: Die WKO hätte genug Geld, um ihren Pflichtmitgliedern großzügig entgegenzukommen.
Sparverein Wirtschaftskammer?
Die Grüne Wirtschaft forderte einen Notfalltopf zur Unterstützung besonders betroffener Branchen. Der ÖVP-Wirtschaftsbund lehnte dies ab.
Der stattdessen eingerichtete WKO-Unterstützungsfonds wurde in einer Höhe von 50 Mio. € budgetiert. In Anbetracht der rund 1,7 Mrd. € Rücklagen auf der hohen Kante und der massiven Umsatzausfälle vieler Unternehmen ein lächerlicher Betrag.
Anstatt den Mitgliedern unter die Arme zu greifen oder entgegenzukommen, hortet die Wirtschaftskammer weiterhin ihren Rücklagentopf. Offensichtlich fehlt das Bewusstsein innerhalb der vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierten WKO-Spitze dafür, dass die Organisation aus den Mitgliedsbeiträgen finanziert wird. Den Mitgliedern wurde während der Krise die Refundierung ihrer Beiträge in der Notsituation verweigert.
Und hier geht’s zu den Tabellen:
1. Einnahmen
a) Chart »Einnahmen 2020«
b) Tabelle »Einnahmen 2020«
Die Einnahmen der Wirtschaftskammer sind im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 aufgrund der durch COVID-19 bedingten Wirtschaftskrise um -10,22 % bzw. rund 150 Mio. Euro zurückgegangen.
2. Rücklagen
a) Chart »Rücklagen Kammern & Fachorganisationen 2020«
b) Tabelle »Rücklagen Kammern & Fachorganisationen 2019/2020«
Die Rücklagen haben sich gegenüber 2019 um 80 Mio. Euro verringert. Das entspricht insgesamt über alle Bundesländer im Schnitt einem Minus von 4,63 %. Allerdings gab es große regionale Unterschiede: Interessanterweise konnten das Burgenland, die Steiermark und Vorarlberg sogar geringfügig Rücklagen aufbauen.
3. Rücklagen <> Einnahmen
a) Haushaltsordnung
»§ 8. Bildung von Rücklagen (Fonds) (1) Es ist eine Ausgleichsrücklage zu bilden, die zur Abdeckung von unvorhergesehenen Schwankungen bei Aufwendungen und Erträgen der jeweiligen Körperschaft dient. Ihre Höhe soll möglichst einen Jahresbedarf der fortlaufenden Aufwendungen betragen.« (Quelle: WKO Haushaltsordnung)
In den Gremialsitzungen der Wirtschaftskammerorganisationen wird stets behauptet, dass mindestens ein Jahresbudget an Rücklage vorhanden sein muss – für den Notfall. Wir sind der Meinung, der Jahresbedarf wären lediglich die Fixkosten! Außerdem fragen wir uns: Was, wenn nicht eine massive Wirtschaftskrise, fällt in die Kategorie »Notfall«?
b) Chart »Rücklagen <> Einnahmen 2020«
c) Tabelle »Rücklagen <> Einnahmen 2020«
In Summe hat die WKO 1,65 Mrd. € an Rücklagen auf der hohen Kante. Das entspricht 163 % ihrer Einnahmen 2020. Einige Bundesländer haben sogar über 200% gebunkert.
Besonders hohe Rücklagen haben die Fachorganisationen, die über die Grundumlagen finanziert werden, angehäuft. Dort bewegt sich die Bandbreite der gesammelten Rücklagen zwischen 180 % und 435 % der Einnahmen.
Quelle: Rechnungsabschlüsse 2019 und 2020
Hier zum Download:
Rechnungsabschlüsse Kammern:
Rechnungsabschluss WK Burgenland
Rechnungsabschluss WK Niederösterreich
Rechnungsabschluss WK Oberösterreich
Rechnungsabschluss WK Salzburg
Rechnungsabschluss WK Steiermark
Rechnungsabschluss WK Vorarlberg
Rechnungsabschlüsse Fachorganisationen
Rechnungsabschluss Fachverbände WKÖ
Rechnungsabschluss Fachgruppen Burgenland
Rechnungsabschluss Fachgruppen Kärnten
Rechnungsabschluss Fachgruppen Niederösterreich
Rechnungsabschluss Fachgruppen Oberösterreich
Rechnungsabschluss Fachgruppen Salzburg
Rechnungsabschluss Fachgruppen Steiermark
Rechnungsabschluss Fachgruppen Tirol