Harmlos wirkende Vereine, scheinbar neutrale Institute und auffällig viele Unternehmen und Beteiligungen: Der ÖVP-Wirtschaftsbund hat mithilfe der WKO ein undurchschaubares Netz gesponnen. Sein Ziel: die öffentliche Meinung gezielt zu manipulieren – versteckt und finanziert aus Kammermitteln. Ein Blick in die Abgründe der WKO zeigt: Es braucht dringend einen Neuanfang.
Die Wirtschaftskammer mit all ihren Teilen und Unterorganisationen ist ein überaus komplexes System. Selbst für erfahrene Funktionär:innen ist ihre Struktur nur schwer zu durchschauen. Wie diese Wirklich Komplizierte Organisation aufgebaut ist und warum sie dringend reformiert gehört, haben wir bereits 2018 so kurz und einfach wie möglich erklärt.
Warum hat sich seit damals nichts geändert? Ganz einfach: Weil sie so schön kompliziert ist, lässt sich die WKO auch nur schlecht kontrollieren. Und selbst unsere gewählten Funktionär:innen müssen sich für Auskünfte über Geldflüsse, Vorgänge und Entscheidungen innerhalb der WKO häufig auf die gesetzliche Auskunftspflicht berufen, um überhaupt Informationen und Antworten zu erhalten.
Schön unübersichtlich
Tatsächlich ist das offizielle WKO-Organigramm nur die Spitze des Eisbergs. Noch viel undurchsichtiger wird das WKO-System an den Stellen, die in der offiziellen Kammerstruktur gar nicht auftauchen: Dazu zählen etwa die zahlreichen Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen der WKO, über die Parteigänger:innen der ÖVP und des ÖVP-Wirtschaftsbunds regelmäßig mit gut dotierten Posten versorgt werden.
Einige der Unternehmen der WKO dienen organisatorischen oder verwaltungstechnischen Belangen wie z. B. dem Betrieb der WKO-eigenen Parkgaragen. Andere sind Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen (z. B. WIFI, Campus 02) oder die gemeinnützige ReIntegra zur Arbeitsintegration psychisch erkrankter Menschen.
Daneben gibt es eine Reihe von Gesellschaften, deren Sinn sich nicht erschließt. Sie machen die Organisationsstruktur der WKO nicht besser, sondern nur undurchsichtiger. Ein Beispiel ist die Bildungsplattform der Wirtschaftskammer Österreich GmbH, die seit 2020 die Plattform „Wise up“ betreibt. Warum die Verwaltung dieser Plattform nicht das bereits bestehende WIFI übernommen hat, kann in der Führungsetage der WKÖ auch auf Nachfrage niemand schlüssig erklären. Tatsache ist: In der neuen GmbH gibt es zwei neue Geschäftsführungsposten – und niemand außerhalb der WKO-Führung erhält mehr Einblick in die ausgelagerten Aktivitäten.
Insgesamt hält die WKO Beteiligungen an mindestens 147 Unternehmen.
Wie der ÖVP-Wirtschaftsbund die öffentliche Meinung manipuliert
Noch undurchsichtiger ist das Netz der Institute und Vereine, die die WKO selbst gegründet hat, betreibt oder deren Mitglied und Partnerin sie ist. Ungeheuer praktisch: Für entsprechende Zuschüsse und Förderungen aus der WKO liefern diese scheinbar neutralen Vereine und Institute die „richtigen“ Studien, Umfragen und Ergebnisse, um die Positionen der ÖVP und ihres Wirtschaftsbunds zu stärken. Und weil sie formal kein Teil der WKO sind und alle Zuschüsse in den offiziellen WKO-Bilanzen ohne weitere Details im Kapitel „Förderungen“ zusammengefasst werden, muss man sich auch nicht mit lästigen Fragen herumschlagen, ob die Pflichtbeiträge der Mitglieder nicht anderswo besser eingesetzt wären.
Ein Abteilungsleiter der WKO, der plötzlich als Vorstandsvorsitzender eines Instituts auftaucht? Ein Vereinsvorstand, der zufällig nur aus Personen eines WKO-Fachverbands besteht? Meist sind es solche personellen Überschneidungen, die als erstes den Verdacht erregen, dass die WKO irgendwo ihre Finger im Spiel hat.
Über solche Tarnkappen-Konstrukte beeinflusst die WKO die öffentliche Meinung, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Nach außen ist für niemanden ersichtlich, dass hinter einer Petition, einer Umfrage oder eine Kampagne in Wahrheit die WKO steckt – und damit der ÖVP-Wirtschaftsbund, der die Wirtschaftskammer (noch) beherrscht.
Auf diese Weise betreibt der ÖVP-Wirtschaftsbund mit den Mitteln der WKO Meinungsmache für die eigenen politischen Positionen. Denn offiziell zugeben will die Wirtschaftsbund-Spitze natürlich nicht, dass man die Pflichtbeiträge der Selbständigen und Unternehmer:innen zum Beispiel für den Widerstand gegen Klimaschutzvorhaben verwendet.
Effizienz & Transparenz: eine neue WKO
Gehört es zu den Aufgaben der WKO, solche Vereine und Institute zu gründen und zu finanzieren? Sind die politischen Positionen, die hier unterstützt werden, wirklich im Interesse der Wirtschaftstreibenden – oder nur für einen kleinen Teil von ihnen? Darüber kann man diskutieren – auch wenn wir eine eindeutige Meinung dazu haben. Nicht diskutieren lassen wir mit uns dagegen bei folgenden Punkten:
Wir fordern Effizienz. Seit vielen Jahren ist die WKO Weltmeisterin darin, überflüssige Parallelorganisationen zu schaffen: mehr Büros, mehr Personal, mehr Posten, mehr Geld – denn gerade Geld ist dank der Pflichtmitglieder ja genug da. Die aufgeblähten WKO-Strukturen gehören verschlankt. Dann sind auch deutlich niedrigere Mitgliedsbeiträge für Selbständige und Unternehmen möglich.
Wir fordern Transparenz. Die WKO soll öffentlich machen, mit wie viel Geld sie welche Organisationen, Vereine und Institute finanziell unterstützt. Damit alle WK-Mitglieder und auch die Öffentlichkeit verstehen, wo überall die WKO drinsteckt, auch wenn sie nicht draufsteht.
Kurz: Wir fordern eine neue Kultur in der WKO. Nicht erst die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass das mit dem ÖVP-Wirtschaftsbund nicht zu machen ist. Doch wir geben nicht auf, weil wir wissen, dass die Zeit und unzählige Wirtschaftstreibende in ganz Österreich auf unserer Seite sind.
Und weil wir es ernst meinen, veröffentlichen wir auf dieser Seite die Ergebnisse unserer Recherchen über das geheime Netz der Wirtschaftskammer.