Immer wieder kommen aus dem Umfeld der ÖVP dubiose Inseratenaffären und Postenschacher ans Licht. Mindestens genauso fragwürdig wie in der Partei, geht es beim ÖVP-Wirtschaftsbund zu, wo man mittels eines ausgeklügelten Wahlrechts so gut wie alle wichtigen Positionen in der Wirtschaftskammer okkupiert bzw. an die eigenen Leute verteilt. Aber auch beim Geld gibt es keinen Genierer: Trotz vielfach medial öffentlich gewordener Kritik werden unverfroren mit den Pflichtmitgliedsbeiträgen der Unternehmer:innen Inserate und andere PR-Maßnahmen finanziert.
Diese dienen recht eindeutig nicht den Interessen der österreichischen Wirtschaft, sondern viel mehr der Querfinanzierung der Medien des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Wie man anhand der Steuerprüfung in Vorarlberg sieht, dient dieses »Wirtschaftsmagazin« aber als große Geldwaschmaschine zur Verschleierung der Geldflüsse zwischen ÖVP, Wirtschaftsbund und Spender:innen – unter diesen eben auch die Wirtschaftskammer!
Deutlich wird dabei einmal mehr ein bestimmtes Sittenbild: Der ÖVP-Wirtschaftsbund betrachtet die Wirtschaftskammer als Selbstbedienungsladen!
Der Wirtschaftsbund (wie auch die anderen Bünde) ist eine Teilorganisation der ÖVP. Durch das Weiterreichen von Mitgliedsbeiträgen [1] finanziert der Wirtschaftsbund auch die ÖVP [2]. Die Finanzströme zwischen ÖVP Wirtschaftsbund und Partei sind undurchsichtig (siehe Infoblock 1, ganz unten). Ebenso fällt immer wieder auf, dass der Wirtschaftsbund mit Kampagnen, Veranstaltungen und politischer Arbeit als Sprachrohr der ÖVP auftritt.
Wir haben uns genauer angesehen, wie sich der ÖVP-Wirtschaftsbund finanziert, welche Teile davon über die offiziellen Kanäle der Wirtschaftskammer fließen und welche Einnahmequellen eher zwielichtig, zumindest aber diskussionsbedürftig sind:
1. Wählergruppenförderung:
Die Wirtschaftskammer unterstützt die WK-Fraktionen durch die Wählergruppenförderung. Die Gesamtsumme der Wählergruppenförderung aller Fraktionen für das Jahr 2022 beträgt ca. € 20,2 Mio. Die Grüne Wirtschaft erhält davon österreichweit rund € 1,6 Mio., das sind 8,2% des Gesamtbetrags.
Wir stehen für Transparenz und Offenheit, darum veröffentlichen wir auf unserer Website alle Bilanzen bis zurück ins Jahr 2010.
Beim ÖVP-Wirtschaftsbund hingegen wird Transparenz nicht sonderlich hochgehalten. Dort verschweigt man den immens großen Anteil an der Wählergruppenförderung. Auch die Wirtschaftskammer ist Teil des Vernebelungs-Apparats: Es gibt keine öffentlich einsehbaren Informationen darüber, wie viel die einzelnen Fraktionen österreichweit als Wählergruppenförderung erhalten. Auf ganz Österreich hochgerechnet ist davon auszugehen, dass der ÖVP-Wirtschaftsbund einen zweistelligen Millionenbetrag nur durch die Wählergruppenförderung lukriert.
2. Funktionsentschädigungen:
Für Funktionen in der Wirtschaftskammer bzw. den Fachorganisationen ist eine Funktionsentschädigung vorgesehen. Diese stellen eine weitere Einnahmequelle für die ÖVP dar. Für das Jahr 2022 sind dafür österreichweit rund € 25 Mio. veranschlagt und wie in den meisten Parteien ist es auch bei den Fraktionen in der Wirtschaftskammer üblich, als Mandatar:in einen Teil der Funktionsentschädigung an die Fraktion abzutreten. Für Mandatar:innen der Grünen Wirtschaft sind das 10% der Funktionsentschädigung, die für die Fortbildung der Funktionäre und Funktionärinnen verwendet werden. Die Mandatar:innen der Grünen Wirtschaft erhalten in Summe ca. € 559.000 pro Jahr, das sind ca. 2,26% aller Funktionsentschädigungen. Davon gehen 10% (also ca. € 55.900) an die Grüne Wirtschaft.
Wenig überraschend stellt der Wirtschaftsbund mit Abstand die meisten Obleute bzw. Stellvertreter:innen in den Wirtschaftskammerorganisationen. Es ist davon auszugehen, dass der Wirtschaftsbund in ähnlicher Art und Weise einen Teil der Funktionsentschädigungen als Abgabe kassiert. Grob geschätzt erhält der ÖVP-Wirtschaftsbund aus dieser Abgabe weitere rund € 2 Mio.
3. Inserate:
Der dritte Bereich, aus dem Geld von der Wirtschaftskammer an den ÖVP-Wirtschaftsbund und damit an die ÖVP fließt, ist die unsägliche Praxis, Inserate der Wirtschaftskammer in Zeitschriften und Magazinen des Wirtschaftsbunds zu schalten. Obwohl dieses Thema mehrfach medial angeprangert wurde (z.B. HIER, HIER, HIER, HIER, HIER & HIER), hat sich nichts an den abstrusen Praktiken geändert – die Kammer inseriert weiter ungeniert in den diversen Medien des Wirtschaftsbundes. Grundsätzlich müssen Werbeschaltungen an Medien bzw. Einnahmen durch Inserate gemeldet werden, wenn sie gewisse Grenzen übersteigen (siehe Infoblock 2, ganz unten). Hier ein paar Beispiele:
- Kärnten: Im Jahr 2021 haben die Wirtschaftskammerorganisationen für rund € 40.000 Inserate im ÖVP-Wirtschaftsbund Magazin »M.U.T.« geschalten [3]. Zur besseren Einordnung: Die Grüne Wirtschaft Kärnten erhielt im Jahr 2021 € 46.093,50 an Wählergruppenförderung. Der Wirtschaftsbund Kärnten schafft es also über Inserate in den eigenen Medien fast so viel zusätzlich zu lukrieren, wie die Grüne Wirtschaft insgesamt erhält.
- Burgenland: Ähnlich ist das Bild im Burgenland: Die Wirtschaftskammer schaltet regelmäßig Inserate im Magazin »Wirtschaft im Blick«, der burgenländische Ableger des Magazins des ÖVP-Wirtschaftsbundes. So waren es z. B. im Jahr 2019 € 9.710 (im Vergleich dazu: Wählergruppenförderung der Grünen Wirtschaft Burgenland 2019: € 11.984) und im Jahr 2018 sogar € 19.400.
Außerdem wurden uns nur die Gesamtzahlen mitgeteilt; ob darin auch die Inserate von anderen Organisationseinheiten wie WIFI, Junge Wirtschaft etc. enthalten sind, verschweigt die Wirtschaftskammer lieber. Zurzeit ist nur die aktuelle Ausgabe auf der Website verfügbar, darin findet sich erneut ein ganzseitiges Inserat der WKÖ – ältere Ausgaben stellt der ÖVP-Wirtschaftsbund auf seiner Website nicht zur Verfügung. - Vorarlberg: In Vorarlberg sind zuletzt haarsträubende Details ans Licht gekommen: ÖVP-Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler verdiente in seiner Nebenrolle als Teilhaber der Firma, die die Inserate für die Kammerzeitungen abwickelt, bei jedem Inserat mit.
Wie im Burgenland und Kärnten inseriert die Wirtschaftskammer Vorarlberg aber auch sehr gern in den Medien des ÖVP-Wirtschaftsbundes – und zwar mit hohen Summen. So wurden allein in den Quartalen 1 & 2 des Jahres 2019 € 52.606 in der »Vorarlberger Wirtschaft«, das Magazin des Wirtschaftsbundes geschalten (und das auch noch ohne die Inserate der Fachgruppen). Wieder zum Vergleich: Die Grüne Wirtschaft Vorarlberg erhielt im Jahr 2021 € 32.344 an Wählergruppenförderung. Der ÖVP-Wirtschaftsbund verdiente also allein im ersten Halbjahr 2019 nur durch Kammer-Inserate 175% dessen, was die Grüne Wirtschaft als Wählergruppenförderung für das ganze Jahr 2021 erhält.
Die Intransparenz und die Systematik, die durch diese Machenschaften offensichtlich werden, zeugen von einem befremdlichen Selbstverständnis. Der ÖVP-Wirtschaftsbund betrachtet die Wirtschaftskammer ganz offensichtlich als Selbstbedienungsladen!
[1] »Der Parteibeitrag und die Beiträge an die Teilorganisation sind unter einem einzuheben. Die Teilorganisationen sind verpflichtet, die Parteibeiträge jedenfalls halbjährlich an den Landesparteivorstand abzuführen.« – Organisationsstatut Die Neue Volkspartei
[2] Laut »Falter« überwies der Wirtschaftsbund der Partei die von 2019 bis 2023 anfallenden Mitgliedsbeiträge in Höhe von 1,5 Millionen Euro bereits vorab. – Profil: Wahlkampfkosten
[3] Berechnung basiert auf den von der Wirtschaftskammer Kärnten bekanntgegebenen Kosten pro Seite aus dem Jahr 2019. Betrag pro Seite: 3.281,25 €, inserierte Seiten: 11,75 = 38.554,69 €.
Infoblock 1:
Der Wirtschaftsbund veröffentlicht keinen Rechnungsabschluss oder ähnliches. Etwaige Einnahmen durch Sponsoring und Inserate sind ab bestimmten Grenzen meldepflichtig und müssen im ÖVP-Rechenschaftsbericht veröffentlicht werden. Alle Parteien müssen diesen bis zum 30. September des Folgejahres an den Rechnungshof [1] übermitteln. Die ÖVP ist die einzige Partei, von der noch nicht einmal der Bericht aus dem Jahr 2019 (Wahljahr) veröffentlicht wurde. Wir sind sehr gespannt, ob alle relevanten Einnahmen (vor allem durch Inserate) angeführt werden. ([1] Rechnungshof: Kontrolle der Parteien)
Infoblock 2:
Meldepflicht: Inserate müssen über zwei unterschiedliche Wege gemeldet und damit öffentlich gemacht werden:
- Medientransparenzdatenbank: „Alle Rechtsträger, die der Gebarungskontrolle durch den Rechnungshof unterliegen“ sind verpflichtet, pro Quartal ihre Werbeschaltungen zu melden. Gemeldet werden müssen Werbeschaltungen, deren Volumen pro Quartal über € 5.000.- pro Medium liegt. [1]
- § 7 des Parteiengesetzes sieht vor, dass alle Einnahmen aus Sponsoring und Inseraten, die pro Jahr in Summe € 12.000.- übersteigen im Rechenschaftsbericht anzuführen. Zusätzlich müssen Einnahmen aus Inseraten die im Einzelfall € 3.500.- übersteigen ausgewiesen werden. [2]
Der Wirtschaftsbund kennt diese Grenzen nur zu gut und weiß auch, wie diese zu umgehen sind. Auffällig ist zum einen, dass die Kosten pro Seite in deren Magazinen meist so gewählt sind, dass sie unter den relevanten Grenzen liegen und damit nicht gemeldeten werden müssen. Zum anderen ist die Struktur bzw. Organisation der Wirtschaftskammer auch prädestiniert dafür, diese Grenzen zu umgehen: Oft werden die Inserate nicht direkt von der Kammer, sondern von untergeordneten Organisationen (die aber eine eigene Rechtsform besitzen) geschalten. Es finden sich Inserate des WIFIs, der Jungen Wirtschaft, Frau in der Wirtschaft und anderen Organisationen in den Magazinen und Zeitschriften des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Dahinter ist nicht unschwer eine Systematik zu erkennen! Der Föderalismus und die ausufernde Bürokratie der Wirtschaftskammer helfen also dabei, das Inseratenvolumen so zu verteilen, dass so wenig wie möglich gemeldet und damit der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden muss.
[1] RTR-Erstinformation für Rechtsträger