Der Faktencheck der Grünen Wirtschaft nimmt kursierende Mythen aus dem Kosmos der österreichischen Wirtschaft und stellt sie auf den Prüfstand.
In dieser Ausgabe widmen wir uns dem Fleischkonsum.

Mythos:

Weniger Fleisch essen rettet das Klima nicht.

Fakt:

Eine deutliche Reduktion bis hin zum Verzicht von tierischer Ernährung hat positive Auswirkungen auf das Klima.

Vegan, vegetarisch, pescetarisch oder flexitarisch? Immer mehr Menschen reduzieren bewusst den Anteil tierischer Produkte an ihrer Ernährung. Das sehen wir auch im Supermarkt, wo es immer mehr Alternativen zu den konventionellen tierischen Produkten gibt. Ebenso wird, auf unseren Anstoß hin, die Einführung einer vegan/vegetarische Kochlehre heiß diskutiert. Auch wenn klar ist, dass immer mehr Menschen aufgrund steigenden Klimabewusstseins ihre Ernährungsgewohnheiten ändern[1], so gibt es doch immer noch starken Widerstand. Zum Beispiel fragt der Obmann des österreichweiten Fachverbands der Gastronomie in der Wirtschaftskammer, ÖVP-Wirtschaftsbund Funktionär Mario Pulker, im Zusammenhang mit der Diskussion um die vegan/vegetarische Kochlehre ernsthaft, was denn vegane Köch:innen drei Jahre lernen sollen.[2] Oder erinnerst Du dich noch an die Welle der Empörung wegen des Spots der Tirol-Werbung, in dem ein Latte Macchiato mit Hafermilch serviert wurde?[3] Die ÖVP-dominierte Landwirtschaftskammer hat das als Affront bezeichnet und ÖVP-Landwirtschaftsminister Totschnig versteht den Aufschrei[4]. Aber welche Auswirkung hat der Verzehr von tierischen Nahrungsmitteln auf das Klima und die CO2-Emissionen? Stimmt es, dass der Anteil so gering ist, dass wir durch Änderungen unserer Ernährungsgewohnheit nichts gegen die Klimakatastrophe ausrichten können?

Hilft die Reduktion bis hin zum Verzicht von tierischen Lebensmitteln dem Klima?

Die Antwort lautet: Ja! Laut Climate Change Center Austria (CCCA) ist der Ernährungssektor in Österreich für etwa 20-30% der Emissionen verantwortlich. Besonders groß ist der Anteil der Tierhaltung an den CO2-Emissionen: Weltweit ist sie für 14,5-18% der Emissionen verantwortlich[5] – eine Reduktion bzw. der Verzicht auf tierische Ernährung würde also zur deutlichen Emissionsreduktion führen und einen wichtigen Beitrag zu unseren nationalen und internationalen Klimazielen leisten.

Österreich ist beim Fleischkonsum weltweit unter den Spitzenreitern: Seit den 50er Jahren ist der Fleischkonsum hierzulande um über 160% gestiegen und wir liegen weltweit im oberen Viertel des pro-Kopf Verbrauchs. 2020 hat ein:e durchschnittlich:e Österreicher:in fast 80kg Fleisch pro Jahr konsumiert, rund doppelt soviel wie der weltweite Durschnitt[6]. Im Vergleich dazu: Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) empfiehlt aus gesundheitlichen Gründen eine jährliche Maximalmenge von 16-23 kg. Um die planetaren Grenzen nicht zu überschreiten müssten wir unseren Fleischkonsum auf maximal ein Drittel des aktuellen Niveaus senken, sagt die EAT-Lancet Kommission[7].

Aber ist vegane oder vegetarische Ernährung wirklich besser fürs Klima?

Auch hier ist die Antwort ganz klar: Ja, das ist sie! Deutlich wird das an unterschiedlichen Indikatoren:

„Pflanzliche Produkte weisen im Schnitt eine um 8-30 Mal bessere Klimabilanz als tierische Produkte auf. Der Grund für die deutlich schlechtere Klimabilanz von tierischen Produkten liegt in der ineffizienten Umwandlungsrate (ca. 1:4-1:10) von pflanzlichen Kilokalorien zu tierischen Kilokalorien.“[8]

Mit einer rein vegetarischen Ernährung lassen sich gegenüber dem Status Quo rund 48% der ernährungsbedingten Emissionen einsparen, bei einer rein veganen Ernährung sind es sogar 70%. Aber schon eine deutliche Reduktion von Fleisch auf ein Drittel der aktuellen Menge würde die CO2-Emissionen um 28% senken[9].

Neben den CO2-Emssionen ist die Tierhaltung aber auch für weitere klimaschädliche Wirkungen verantwortlich: hoher Bodenverbrauch, Wasserknappheit[10], Verlust von Biodiversität und Luftverschmutzung. All diese Bereiche könnten sich erholen, wenn wir den Anteil tierischer Lebensmittel an unserer Ernährung reduzieren.

Zusammenfassung:

Es stimmt, dass wir das Klima nicht allein dadurch retten, dass alle Menschen zu Veganer:innen werden. Es gibt aber keine einzige Maßnahme, die allein die Klimakatastrophe abwenden würde. Die CO2-Emssionen (und die anderen schädlichen Auswirkungen) der Tierhaltung tragen aber einen bedeutenden Anteil zur Klimakrise bei. Eine merkliche Reduktion des tierischen Anteils an unserer Ernährung würde das Klima demnach spürbar entlasten. Wenn also von Seiten der ÖVP oder des Wirtschaftsbunds die Hafermilch verdonnert und eine vegan/vegetarische Kochlehre ins Lächerliche gezogen wird, dann hat das wenig mit inhaltlichen Argumenten, sondern mit einer rückwärtsgewandten Weltanschauung zu tun: „Ja nicht zu viel ändern, das haben wir doch schon immer so gemacht“. Das Klima nimmt nur leider keine Rücksicht auf Selbstbetrug: Wenn wir die Klimakatastrophe abwenden wollen, braucht es in allen Bereichen ambitionierte Maßnahmen.

Du willst mehr?

Hier gelangst zu unserem ersten Faktencheck, welcher dem Mythos nachgeht, ob sich die Wirtschaftskammer tatsächlich zu den Klimazielen bekennt.
Hier zum Faktencheck über die vermeintliche Abwanderung der Industrie.
Hier zum Faktencheck über E-Fuels.
Hier zum Faktencheck über ökologische Wärmeanlagen.
Und hier zu unserem Faktencheck zum Thema Technologieoffenheit.

Quellen: 

[1] Das hat sogar VP-Landwirtschaftsminister Totschnig erkannt: https://kurier.at/politik/inland/totschnig-mercosur-vegan-hafermilch-kritik-eu-wolf/402337290

[2]https://www.derstandard.at/story/3000000030828/gastronomieobmann-was-sollen-vegane-koeche-drei-jahre-lang-lernen

[3] https://kurier.at/chronik/oesterreich/hafermilch-werbevideo-bringt-tiroler-bauern-auf-die-barrikaden/402242649

[4] https://kurier.at/politik/inland/totschnig-mercosur-vegan-hafermilch-kritik-eu-wolf/402337290

[5]https://ccca.ac.at/fileadmin/00_DokumenteHauptmenue/02_Klimawissen/FactSheets/37_ernaehrung_202204.pdf

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Fleischkonsum_pro_Kopf

[7] https://eatforum.org/eat-lancet-commission/

[8]https://ccca.ac.at/fileadmin/00_DokumenteHauptmenue/02_Klimawissen/FactSheets/37_ernaehrung_202204.pdf

[9]https://ccca.ac.at/fileadmin/00_DokumenteHauptmenue/02_Klimawissen/FactSheets/37_ernaehrung_202204.pdf

[10] So wird z.B. in der Produktion von 1 kg Rindfleisch soviel Wasser verbraucht wie in der Produktion von 140 kg Tomaten:   https://analyticjournal.de/firmen-pdfs-bilder-etc/yumda/Warenvergleich-Juni%202018/pi-04-2018-wasserverbrauch-lebensmittel.pdf