Der Faktencheck der Grünen Wirtschaft nimmt kursierende Mythen aus dem Kosmos der österreichischen Wirtschaft und stellt sie auf den Prüfstand.
In dieser Ausgabe widmen wir uns der Wärmegewinnung und Heizungsanlagen.
Mythos:
Wenn wir in der Wärmeerzeugung die Brennstoffe ökologisieren, können wir einfach die alten Anlagen weiterbenutzen.
Fakt:
Priorität muss sein, durch Gebäudesanierung den Wärmebedarf zu senken. Zusätzlich müssen die Wärmeanlagen auf Basis von erneuerbaren Energien mit maximaler Effizienz betrieben werden.
Der Gebäudesektor in Österreich verursacht rund 16 % der Emissionen im Non-ETS Bereich[1]. Auch wenn wir in den letzten Jahren (auch aufgrund von weniger Heiztagen) einen Rückgang der Emissionen in diesem Sektor beobachten können, ist das Niveau noch immer sehr hoch.
Darum stellt sich die Frage, wie wir die Emission noch radikaler und nachhaltiger senken können? Die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Wirtschaftskammer hat eine Antwort; und um es schon vorwegzunehmen: Wieder geht es eher ums Verwässern, Verzögern und Verhindern.
Vorschlag WK
In Österreich wird im Gebäudebereich vor allem zur Wärmeerzeugung noch stark auf fossile Energieträger gesetzt. Besonders lang wurde im ländlichen Bereich auf die Wärmeerzeugung mittels Ölheizungen und im städtischen Bereich mittels Gasetagenheizungen gesetzt. Kein Wunder: fossile Energieträger waren trotz ihrer negativen Auswirkungen auf das Klima lange Zeit günstig. Das hat sich aufgrund des russischen Angriffskriegs, aber auch wegen der endlich in die Gänge kommenden Bepreisung von CO₂-Emissionen stark verändert: Fossile Energieträger sind deutlich teurer geworden und die Versorgungssicherheit ist aufgrund von politischen Faktoren volatil. Aus konservativen Kreisen – und hier ganz vorn dabei: die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Wirtschaftskammer – kommt folgender Lösungsvorschlag: Lasst uns die alten Anlagen mit synthetischen und vermeintlich klimaschonenderen Brennstoffen und grünem Gas weiterbetreiben. Wir kennen die Argumentation aus unseren Faktenchecks zum Verkehrssektor und zu Technologieoffenheit. Das Prinzip ist das Gleiche: Bloß nicht zu viel am Status Quo ändern, denn da könnten die Geschäftsmodelle der Hersteller alter Technologien und der Mineralölwirtschaft zusammenbrechen.
Die Wirtschaftskammer finanziert zu diesem Zweck sogar einen eigenen Verein – Energie.Wärme.Österreich (E.W.O), dessen einziges Ziel ist Verbraucher:innen davon zu überzeugen, alte, fossile Anlagen so lang wie möglich weiterzubetreiben. Finanziert wird E.W.O neben der Wirtschaftskammer – Trommelwirbel – auch von allen namhaften Heizölhändlern und Herstellern von fossilen Anlagen.
Warum kann sich das nicht ausgehen?
Wir haben uns national und international ambitionierte Klimaziele gesetzt, die in allen Bereichen deutliche Emissionsreduktionen erfordern. Und ja, auch synthetische Brennstoffe und grünes Gas werden einen Teil zu diesen Klimazielen beitragen[2]. Wir werden von diesen Energieträgern aber in naher Zukunft nicht ausreichende Mengen zur Verfügung haben um, wie von konservativen Kräften (allen voran der vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierten Wirtschaftskammer) propagiert, den Gebäudesektor und den Verkehrssektor versorgen zu können. Auch hier handelt es sich um Technologietrugbilder[3], die mit dem Ziel vertreten werden, so lang als möglich am fossilen Status Quo festzuhalten. Wie schon im Verkehrsbereich gezeigt, geht es der Wirtschaftskammer in ihrer Argumentation auch im Bereich der Gebäude und deren Wärmeversorgung vordergründig um wirtschaftliche Interessen: die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Kammer kümmert sich hauptsächlich um die Anliegen von fossilen Anlagenbauern, der Mineralölindustrie und Heizölhändlern. Das Klima sollen andere retten.
Was es wirklich braucht
Dabei gibt es gerade im Bereich der Wärmeversorgung gut funktionierende und mittlerweile auch preiswerte Lösungen (Wärmepumpe, Geothermie, Fernwärme usw.). Den größten Hebel, der auch noch einen deutlichen Impuls für die schwächelnde Bauwirtschaft geben kann, sehen Expert:innen aber in der thermischen Sanierung:
„Gebäudesanierungen, wie die Nachdichtung von Fenstern, Hauswänden und -dächern, können den Energiebedarf für die Raumwärme erheblich reduzieren. Würden alle Wohngebäude in der EU saniert werden, könnte man EU-weit 44 Prozent Energie im Wärmebereich einsparen“.[4]
Verstärkte Maßnahmen im Bereich der thermischen Sanierung bringen drei deutlich positive Effekte:
- Durch energieeffizientere Wärmenutzung sparen wir CO₂-Emissionen und kommen damit den Klimazielen ein Stück näher
- Verstärkte Bemühungen im Bereich der thermischen Sanierung können einen wichtigen Beitrag zur konjunkturellen Stützung des Bausektors sein und die regionale Wirtschaft stärken
- Durch zielgerichtet Förderungen, die den Umstieg von Heizsystemen aber auch gerade die thermische Sanierung für alle Menschen leistbar macht, werden Haushalte und Unternehmen weniger abhängig von fossilen Energieträgern und damit den starken Preisschwankungen, wie wir sie in den letzten zwei Jahren beobachtet haben[5][6]
Zusammenfassung:
Auch im Gebäudebereich und der damit verbundenen Wärmeerzeugung spielt die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Wirtschaftskammer ein falsches Spiel: Durch Technologietrugbilder wie synthetischen Brennstoffen und grünem Gas soll das Festhalten am Status Quo gerechtfertigt werden. Wieder einmal ist ganz klar, wer davon profitieren würde: die in der Wirtschaftskammer stark vertretene Mineralölindustrie, der Heizölhandel und Hersteller von fossilen Anlagen. Aber auch in diesem Bereich zeigt sich sehr schnell: um die Klimaziele zu erreichen, braucht es deutlich weitreichendere Maßnahmen. Neben dem ambitionierten Umstieg auf wirklich klimaschonende und vor allem effiziente Heizungsanlagen braucht es einen verstärkten Fokus auf die thermische Sanierung – das würde auch der schwächelnden Bauwirtschaft zugutekommen.
„Energieeffizienz ist die tragende Säule der Dekarbonisierung. Der Schlüssel für das Erreichen klimapolitischer Zielpfade liegt in der Sanierung von Bestandsgebäuden.“[7]
Du willst mehr?
Hier gelangst zu unserem ersten Faktencheck, welcher dem Mythos nachgeht, ob sich die Wirtschaftskammer tatsächlich zu den Klimazielen bekennt.
Hier zum Faktencheck über die vermeintliche Abwanderung der Industrie.
Hier zum Faktencheck über E-Fuels.
Und hier zu unserem Faktencheck zum Thema Technologieoffenheit.
Quellen:
[1] https://www.umweltbundesamt.at/news240116/thg2022-daten
[2] Vor allem in den schwer zu dekarbonisierenden Bereichen wie der Industrie, der Schifffahrt und dem Flugverkehr.
[3] https://kontext-institut.at/inhalte/konklusio-technologieklarheit/
[4] https://kontext-institut.at/uploads/202403_KONKLUSIO_Technologieklarheit-als-Schluessel-zu-einer-wirksamen-Klimapolitik.pdf
[5] Förderungen für Haushalte: https://www.umweltfoerderung.at/privatpersonen/raus-aus-oel-und-gas
[6] Förderungen für Betriebe: https://www.umweltfoerderung.at/betriebe
[7] https://www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2016/Sektoruebergreifende_EW/Waermewende-2030_WEB.pdf