Wie die Einnahmen der Wirtschaftskammer trotz angekündigter Senkung der Kammerumlagen weiter steigen

Anfang September 2023 kündigte WK-Präsident Harald Mahrer medienwirksam die Senkung der Kammerumlagen an. Man wolle als „Vorbild“ vorangehen, „Mitglieder entlasten“ und das Signal aussenden, „dass so etwas in der ganzen Republik möglich sein sollte“, sagte er damals. 1

Das passt zum inszenierten Selbstbild: Die vom ÖVP-Wirtschaftsbund beherrschte Kammerführung tritt immer wieder mit Forderungen auf den Plan, Abgaben zu senken und die Unternehmer:innen zu entlasten.

Aber passen Selbstbild und Realität zusammen?

Mittlerweile liegen die Voranschläge der Wirtschaftskammerorganisationen für das Jahr 2024 vor – doch von sinkender Abgabenlast keine Spur. Im Gegenteil: Die Einnahmen der Kammerorganisationen erreichen nächstes Jahr laut Voranschlägen ein neues Rekordhoch. In Summe sind es über 1,3 Mrd. € und damit um fast 7,6 % mehr als 2023. 2

Hier die Aufteilung der Einnahmen zwischen Wirtschaftskammern und Fachorganisation:

WKO-Einnahmen-2024
Abbildung 1: Die Einnahmen der Fachorganisationen (pink) und die der Wirtschaftskammern (türkis) laut den Voranschlägen für 2024.

Einen Großteil der Einnahmen generiert die vom ÖVP-Wirtschaftsbund geführte Kammer über die Mitgliedsbeiträge der Unternehmen, konkret über die Kammerumlagen 1 & 2 und die Grundumlage.
Die Einnahmen aus der Kammerumlage 1 steigen 2024 um 11,5 % auf über 275 Mio. €, jene aus der Kammerumlage 2 um 5 % auf über 430 Mio. €. Das sind exakt jene Kammerbeiträge, für deren Senkung sich WK-Präsident Harald Mahrer öffentlich auf die eigene Schulter geklopft hat: ein waschechtes Täuschungsmanöver.
Die Einnahmen aus der Grundumlage, die von den jeweiligen Branchenorganisationen eingehoben wird, steigen übrigens ebenfalls, nämlich um rund 6 % auf ca. 213 Mio. €. In Summe holt sich die Kammer über 900 Mio. € aus den Taschen der österreichischen Unternehmer:innen.

Abbildung 2: Summe der Einnahmen nach Positionen für 2024 und die Abweichung von den Einnahmen 2023 laut Voranschlägen 2023 & 2024.

Für alle, die es noch detaillierter wissen wollen, die Einnahmen unterteilt nach Position und Bundesland:

Abbildung 3: Einnahmen der Wirtschaftskammerorganisation laut Voranschlägen 2023 & 2024. * Die Zahlen der burgenländischen Fachorganisationen basieren auf einer Hochrechnung.

Ist das nur ein Ausreißer oder der Trend?

Jedes Jahr werten wir die Voranschläge und die Rechnungsabschlüsse der Kammern aus – und jedes Jahr erreichen die Einnahmen ein neues Rekordhoch. Seit 2021 sind die Gesamteinnahmen enorm gestiegen:

Abbildung 4: Prozentuelle Entwicklung der Einnahmen der Wirtschaftskammern, KU1, KU2 und Grundumlage seit 2021 (Index, 2021=100) laut den Voranschlägen 2021-2024

Im Vergleich zum Jahr 2021 steigen die Gesamteinnahmen der Wirtschaftskammerorganisation (inkl. sonstiger Erträge) um rund 30 %. Die Einnahmen aus der Kammerumlage 1 sind um unglaubliche 54 % höher als vor drei Jahren, jene aus der Kammerumlage 2 um mehr als 28 % und die Einnahmen aus der Grundumlage um rund 21 %.

Zur Einordnung: Die österreichische Wirtschaftsleistung (also das BIP) wächst in diesem Zeitraum nominell um rund 24 %, die Inflationsrate für die Jahre 2021-2024 macht rund 22 % aus. In den vergangenen Jahren, die für viele Unternehmer:innen alles andere als einfach waren, hat die Wirtschaftskammer ihre Gesamteinnahmen also mehr gesteigert, als das BIP gewachsen und die Inflation gestiegen ist – die Kammerumlage 1 sogar um mehr als das Doppelte! Dabei hat die vom ÖVP-Wirtschaftsbund beherrschte WKO ohnehin bereits Geld im Überfluss.

Fazit: der gönnerhafte Milliardär

Ja, die Bundeswirtschaftskammer senkt die Kammerumlage 2 im Jahr 2024 geringfügig. Auch in drei von neun Länderkammern (Vorarlberg, Salzburg und Niederösterreich) wurden die Kammerumlagen minimal gesenkt. 3 In Anbetracht der hohen Rücklagen und der erneuten enormen Steigerung aller Einnahmepositionen ist die groß angekündigte Senkung aber nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. WKÖ-Präsident Harald Mahrer wirkt wie ein gönnerhafter Milliardär, der ausnahmsweise auf ein paar Euro „verzichtet“, um sich mit seiner Großzügigkeit brüsten zu können.

Mittlerweile ist klar: Das altmodische Denken des ÖVP-Wirtschaftsbundes hat ausgedient. Eine Wirtschaftskammer, die den österreichischen Unternehmer:innen rund eine Milliarde Euro pro Jahr abknöpft, ist nicht mehr tragbar. Sie braucht dringend frischen Wind und eine ambitionierte Reform, vor allem in Sachen Finanzierung. Dafür müssen Mahrer & Co. endlich in die Gänge kommen und den Reformeifer zeigen, den sie bei jeder Gelegenheit von anderen fordern.

Nachtrag: Wie transparent ist die Wirtschaftskammer wirklich?

Seit dem Jahr 2023 stellen die Wirtschaftskammern – auch auf langjährigen Druck der Grünen Wirtschaft hin – mehr Informationen zu ihren Ausgaben, Einnahmen, der Wähler:innengruppenförderung und weiteren Finanzthemen auf den eigenen Transparenzseiten zur Verfügung. Auch ein Teil der hier verwendeten Voranschläge sind auf diesen Seiten zu finden, nämlich die Voranschläge der Wirtschaftskammern (Länderkammern & Bundeswirtschaftskammer). Um ein Bild der finanziellen Gebarung der Gesamtorganisation zu gewinnen, ist es aber unerlässlich, auch die Fachorganisationen miteinzubeziehen. Deren Voranschläge und Rechnungsabschlüsse werden jedoch nicht veröffentlicht, sondern nur in entsprechenden Gremien an Funktionär:innen und Wähler:innengruppen verteilt. Besonders auffällig ist, dass sich die Wirtschaftskammer Burgenland dieses Jahr zum ersten Mal weigert, uns den Voranschlag der burgenländischen Fachorganisationen zu übermitteln. Transparenz sieht anders aus.

Fußnoten:

1 Harald Mahrer hat nur die Senkung der Kammerumlagen der Bundeswirtschaftskammer (WKÖ) angekündigt. Diese werden um 12 % gesenkt. Das entspricht in etwa 35 Mio. € – bei Gesamteinnahmen der WK-Organisationen von über 1,3 Mrd. €.

2 Leider stellt uns die Wirtschaftskammer Burgenland zum ersten Mal den Voranschlag für die burgenländischen Fachorganisation nicht mehr zur Verfügung. Die angenommenen Werte sind daher eine Hochrechnung. Diese basiert auf den jeweiligen Werten des Voranschlags der burgenländischen Fachorganisationen von 2023, die mit den durchschnittlichen Steigerungsätzen der anderen Bundesländer laut Voranschlag 2024 hochgerechnet wurden.

3 Die WK Vorarlberg senkt den Landeskammeranteil der KU2 von 0,23 % auf 0,21 %, die WK Salzburg von 0,25 % auf 0,24 % und die WK Niederösterreich von 0,24 % auf 0,23 % – siehe Voranschläge.