Die Insolvenzzahlen steigen, die Inflation ist weiterhin hoch, viele Unternehmer:innen stehen mit dem Rücken zur Wand – und was macht die vom ÖVP-Wirtschaftsbund beherrschte Wirtschaftskammer? Anstatt ihren Mitgliedern unter die Arme zu greifen und die Pflichtbeiträge für die Unternehmer:innen zu senken, bunkert sie ungeniert und in immer größerem Ausmaß Geld.

Die Rücklagen explodieren: Dagobert Duck oder Interessensvertretung?

Seit Jahren kritisieren wir die hohen Rücklagen der Wirtschaftskammer. Nach einem minimalen, coronabedingten Rückgang im Jahr 2020 lagen sie im Jahr 2021 mit 1,78 Mrd. Euro schon wieder deutlich über dem Vorkrisenniveau. Doch die Zahlen aus den Rechnungsabschlüssen 2022 haben es in sich: In einem Jahr, das geprägt war von Krisen, häufte die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Kammerorganisation weitere 148 Mio. € an Rücklagen an. In Summe bunkert die WKO somit 1,93 Mrd. € (das ist eine Steigerung um 8,31 % zum Vorjahr). Nächstes Jahr wird wohl die 2-Milliarden-Marke geknackt.

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Abb. 1 | Summe der Rücklagen der Kammerorganisationen 2020-2022. Quelle: Rechnungsabschlüsse 2022

 

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Abb. 2 | Rücklagen gesondert je nach Organisationseinheit und Bundesland. Quelle: Rechnungsabschlüsse 2022

Am ungeniertesten hamsterte dabei die Bundeswirtschaftskammer (WKÖ): Ihre Rücklagen alleine wuchsen in einem Jahr von 235 Mio. € auf 298 Mio. € – eine Steigerung von satten 27 %! Geht man noch ein Jahr weiter zurück, beträgt die Steigerung ganze 41 % – in nur zwei Jahren!

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Abb. 3 | Rücklagen der Bundeswirtschaftskammer (WKÖ) 2020-2022. Quelle: Rechnungsabschlüsse 2022

Üppig, üppiger, am üppigsten: der aufgeblähte Apparat Wirtschaftskammer

Nicht nur die Rücklagen, auch die Einnahmen der Wirtschaftskammer stiegen 2022 stark an. Die Gesamteinnahmen aller Kammerorganisationen liegen mit 1,28 Mrd. € um 9,9 % über dem Vorjahr. Auf die Kammerumlagen entfallen rund 672 Mio. € (+12,4 %), auf die Grundumlagen 227 Mio. € (+7,7 %) und auf die sonstigen Erträge 356 Mio. € (+ 0,9 %).

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Abb. 4 | Einnahmen der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen 2022. Quelle: Rechnungsabschlüsse 2022

Wer es noch genauer wissen will: In Abbildung 5 sind die Einnahmen unterteilt in KU1, KU2, Grundumlage & sonstige Einnahmen für die jeweiligen Bundesländer dargestellt. Ebenso ersichtlich ist die Abweichung zum Rechnungsabschluss 2021.

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Abb. 5 | Einnahmen der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen gesondert nach Quelle und Bundesland. Quelle: Rechnungsabschlüsse 2022

Besonders auffällig ist auch hier die Bundeswirtschaftskammer (WKÖ): Deren Einnahmen (bestehend aus KU1, KU2 und sonstigen Einnahmen) stiegen in einem Jahr von rund 281 Mio. € auf rund 332 Mio. € – das ist eine Steigerung um knapp 18 %.

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Abb. 6 | Vergleich der Einnahmen der Bundeswirtschaftskammer (ohne Fachorganisationen) 2022 und 2021. Quelle: Rechnungsabschlüsse 2022 & 2021

Entlastung für die Unternehmen? Nicht mit der WKÖ!

Der ÖVP-Wirtschaftsbund bringt die Wirtschaftskammer immer wieder lautstark in Stellung, um Strukturreformen zu fordern, bürokratische Hürden zu kritisieren und jegliche finanzielle Belastung für Unternehmer:innen zu verteufeln. Ganz leise wird er aber dann, wenn es um Reformen im eigenen Wirkungsbereich geht.

Am einfachsten würden die österreichischen Unternehmer:innen entlastet, wenn sie weniger von ihrem hart erarbeiteten Geld an den WKÖ-Apparat abgeben müssen – sei es durch die Grundumlage auf Ebene der Fachorganisationen oder durch die Kammerumlagen.

Die Wirtschaftskammer muss endlich selbst ihr Möglichstes tun, statt nur mit dem Finger auf die anderen zu zeigen. Wir fordern einen sparsameren Umgang mit den Pflichtmitgliedsbeiträgen und die Abschaffung der Kammerumlage 2. Sie ist Teil der Lohnnebenkosten, die der ÖVP-Wirtschaftsbund immer als zu hoch kritisiert, und verteuert den Faktor Arbeit. Die obszönen Summen, die der ÖVP-Wirtschaftsbund in der Kammer bunkert, sollen durch weitere Beitragsreduktionen so lang an die Unternehmer:innen rückvergütet werden, bis eine sinnvolle und zweckmäßige Höhe erreicht wird (mehr dazu unten).

Exkurs: Warum häuft die Kammer überhaupt Rücklagen an?

Bei Kritik an den Rücklagen beruft sich der ÖVP-Wirtschaftsbund immer wieder auf die – von der WKO selbst verfasste – Haushaltsordnung. Darin findet sich die Regelung, dass die Kammern Rücklagen bilden sollen, „die zur Abdeckung von unvorhergesehenen Schwankungen bei Aufwendungen und Erträgen der jeweiligen Körperschaft dient. Ihre Höhe soll möglichst einen Jahresbedarf der fortlaufenden Aufwendungen betragen.“

Die Aufwendungen aller Wirtschaftskammerorganisationen im Jahr 2022 belaufen sich auf 1,1 Mrd. €. Die gebunkerten Rücklagen von 1,93 Mrd. € übersteigen den Jahresbedarf also deutlich. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass es für die Fortführung des Betriebs im Notfall vollkommen ausreicht, wenn durch die Rücklagen der WKO die jährlichen Fixkosten, also die nicht stornierbaren Aufwände abgedeckt sind. In einer echten Krise können einige Kostenpositionen durchaus gestrichen werden, z. B. für Veranstaltungen und Messeaufwand, sowie die deutlich überhöhten Kosten für PR und Marketing. Unsere Anträge dazu hat der ÖVP-Wirtschaftsbund bisher stets abgelehnt.

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Abb. 7 | Vergleich der Summe der Aufwendungen und Rücklagen der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen für die jeweiligen Bundesländer. Quelle: Rechnungsabschlüsse 2022