Ein Beitrag aus unserer Blogreihe »Zukunftsfähig Wirtschaften«

Greenwashing oder nachhaltiges Investment

Sie werden es wohl in den Medien gelesen haben: Atomenergie und Erdgas sollen in Zukunft als nachhaltige Investments gelten, wenn es nach der EU-Kommission geht. Wenn ihre erste Reaktion irgendwo zwischen »Hä?« und »Was soll das?« lag, sind sie nicht alleine. Viele stellen sich die Frage, ob es hier nicht um Greenwashing geht.

Nachhaltiges Investment oder doch Greenwashing?

Die EU will nachhaltige Investitionen fördern, was ja an sich eine gute Idee ist. Um dieses Ziel zu erreichen, legt sie per Verordnung (»Taxonomie-Verordnung«) fest, welche Investition nachhaltig ist und welche nicht. Dieser Weg ist ohnehin wegen seines planwirtschaftlichen Ansatzes umstritten und wohl nicht besonders effizient. Und seit kurzem ist klar, dass die Kommission Atomenergie und Erdgas unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig klassifizieren wird. Die Chancen, dass der Rat oder das EU-Parlament diese Regelung noch kippen wird, sind gering.

Das heißt, wir haben nun ein Klassifizierungssystem, das festlegt, welche Wirtschaftsaktivitäten künftig als klima- und umweltfreundlich gelten. Das ist deshalb wichtig, weil solche Aktivitäten in Zukunft leichter finanzierbar sein werden. Die EU will den privaten Kapitalmarkt dazu bringen, bevorzugt in nach der Taxonomie-Verordnung nachhaltige Investments zu gehen. Und das funktioniert auch wirklich gut, mittlerweile werden sehr viele Investmentfonds als nachhaltig vermarktet. Diese dürfen nun unter bestimmten Bedingungen in Atomkraft und Erdgas investieren.

Kein so großes Problem: Atomkraft

Die Kritikpunkte an der Nutzung von Atomkraftenergie sind so bekannt wie zutreffend: hohes Schadenspotential bei Störfällen, die völlig ungelöste, ja unlösbare Frage der Endlagerung, das Potential, auch atomwaffenfähiges Material herzustellen und nicht zuletzt die hohen Kosten, sind jetzt nicht gerade starke Argumente für diese Technologie. Auch die Praxisbeispiele sind nicht ermutigend. In Finnland hätte von 2005 bis 2009 um 3 Milliarden Euro der dritte Block des AKW Olkiluoto gebaut werden sollen. In Betrieb geht der Block heuer, 2022, die Kosten werden auf 8,4 Milliarden Euro geschätzt. Das Projekt dauerte also über 4x so lange und war fast 3x so teuer wie erwartet. Das ist auch kein Einzelfall, solche Überschreitungen kommen bei allen laufenden Projekten vor. Ich fasse kurz zusammen: Es gibt kein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten betriebenes Atomkraftwerk auf der Erde, diese gibt es nur durch staatliche Intervention. Hätte der Markt das regeln dürfen, gäbe es diese Technologie nicht mehr.

Also, es geht zu langsam, es ist zu teuer. Außerdem kann ein Ausbau der Atomkraft das Klima auch nicht retten, der käme zu spät. Frankreich, zum Beispiel, betreibt 56 AKW mit einem Durchschnittsalter von über 35 Jahren. Deren Laufzeit war ursprünglich auf 40 Jahre geplant, jetzt peilen Frankreich 55 bis 60 Jahre an. In Bau befindet sich ein weiterer Block. Beim aktuellen Ausbautempo wird es Frankreich nicht einmal schaffen, die auslaufenden Reaktoren rechtzeitig zu ersetzen, positive Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß sind also nicht zu erwarten.

Ein größeres Problem: Erdgas

Die größte Herausforderung unserer Zeit ist der Klimawandel. Atomkraft kann, zumindest theoretisch, CO2-freie Energie liefern, das kann Erdgas garantiert nicht. Wieso ist das also in die Taxonomie gerutscht? Ich denke, dass sich hier die zwei großen der EU, Frankreich und Deutschland, durchgesetzt haben. Frankreich ist vom Atomstrom abhängig und will dringend die überalterten Reaktoren erneuern, Deutschland ist nach Atom- und Kohleausstieg von Erdgas abhängig, bis Alternativen wie grüner Wasserstoff die Grundversorgung mit Strom gewährleisten können.

Dieses Argument, auch Übergangstechnologie genannt, ist aber gefährlich, weil es eben dazu führt, dass auch nach 2030 noch Geld in Erdgaskraftwerke gesteckt werden kann und wird, und diese können dann auch noch mit Erdgas betrieben werden. Hier konterkarieren wir das Ziel der CO2-Neutralität und machen uns nebenbei weiter von Diktatoren aus erdgasreichen Staaten abhängig. Die mutige, richtige Lösung wäre es, das Geld statt in Erdgasprojekte in Windenergie, Photovoltaik, Netzausbau und Infrastruktur rund um grünen Wasserstoff zu stecken. Hier fehlte offenbar der Mut, doch ich habe Hoffnung, dass auch hier der Markt korrigierend einschreitet. Solange er das Angebot der Taxonomie, Erdgaskraftwerke zu finanzieren, nicht in großem Stil aufgreift, wird der Schaden überschaubar bleiben. Doch Schadenspotential ist da, keine Frage, solange zum Beispiel Banken hier ein gutes Geschäft wittern.

Fazit, allgemein

Insgesamt hoffe ich aber, dass die Auswirkungen dieses Greenwashings überschaubar bleiben werden. Die IIGCC, ein Zusammenschluss von 370 europäischen Pensionskassen, Vermögensverwaltern und Fondsmanagern, die zusammen 50 Billionen verwalten, hat die EU-Kommission dazu aufgerufen, Erdgas nicht als nachhaltig einzustufen. Da diese Firmen ihre Investments gerade an die Erreichung der Ziele des Paris Klimaabkommens ausrichten, erwarte ich wenig Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit von Erdgasprojekten. In Atomenergie investiert, wie oben erwähnt, ohnehin kein Investor, der bei der Verstand ist, das ist und bleibt eine staatliche geförderte und finanzierte Sparte.

Fazit für Anleger

Anleger sollten aus zwei Gründen nicht in Atomenergie und Erdgas investieren. Erstens kennen wir die negativen Auswirkungen auf unsere Umwelt viel zu genau, um das mit gutem Gewissen zu tun. Man sollte sich mit seiner Geldanlage und Pensionsvorsorge ja auch wohlfühlen. Zweitens sprechen auch handfeste Gründe dagegen, so sind insbesondere die Risiken hoch, dass Sie Geld verlieren. Bei Atomkraftbetreibern führt ein Super-GAU einfach zum Totalausfall des Investments, aber alle Investments in fossile Energieträger sind dem Risiko steigender CO2-Preise ausgesetzt. Solche Investments sind teuer und haben lange Laufzeiten, ein weiter steigender CO2-Preis hat das Potential, die Renditen zu vernichten. Und, glauben Sie mir, je deutlicher die Auswirkungen des Klimawandels werden, desto schneller wird der Preis für CO2 steigen.

Was tun also?

Auf Investments, die sich nach der EU-Taxonomie als nachhaltig bezeichnen, können wir uns leider nicht verlassen, das ist jetzt klar. Aber es gibt viele Fondsgesellschaften und Versicherungen, die sich transparenten und kontrollierten strengeren Standards unterworfen haben und die damit auch gute Erträge machen. Ein Beispiel: Sie werden in den nachhaltigen Produkten folgender Fondsgesellschaften keine Investments in Atomenergie und kaum noch Investments in Erdgas finden: aus Österreich zum Beispiel die Kepler KAG aus Linz oder die Security KAG aus Graz, aber auch international, Swisscanto als drittgrößer Schweizer Anbieter, Comgest in Frankreich, Nordea aus Skandinavien oder aus Deutschland Acatis, Ökoworld oder Union Investments. Schauen Sie hin, wo ihr Geld hinfließt, es zahlt sich aus.

Stefan Weinberger im Februar 2022

Stefan Weinberger ist Finanzberater und Fachberater für nachhaltiges Investment. Er hilft dabei, zwischen Greenwashing und ernstgemeinter Nachhaltigkeit zu unterscheiden. In seinem Greenmoneyblog diskutiert er Fragen zu den Themen Nachhaltigkeit und Greenwashing.

Links:

Stefan Weinberger: https://www.finum.at/berater-finden/mag-stefan-weinberger/

Greenmoneyblog: https://www.greenmoneyblog.at/

Blogartikel: Nachhaltige Geldanlage: Als Unternehmer:in kann ich viel bewirken! https://www.gruenewirtschaft.at/2021/11/23/nachhaltige-geldanlage/

Forum Nachhaltige Geldanlage: https://www.forum-ng.org

UN Principles for Responsible Investment (PRI): https://www.unpri.org

Kepler Fonds KAG: https://www.kepler.at

Swisscanto Invest: https://www.swisscanto.com

Ökoworld: https://www.oekoworld.com

Comgest: https://www.comgest.com/

Acatis: https://www.acatis.de