Die Pandemie hat so einiges offenbart, was jahrzehntelang vernachlässigt wurde: Dazu zählt die Notwendigkeit einer Erweiterung des Arbeitsbegriffes, sodass Reproduktions-, Care-Arbeit und ehrenamtliche Tätigkeiten, die im Übrigen größtenteils von Frauen geleistet werden, miteinbezogen werden sowie die fehlende Wertschätzung und damit einhergehend schlechte ökonomische Bewertung von systemerhaltenden Berufen, wie Kindergartenpädagogik, Personenbetreuung, Altenpflege, Reinigung, etc., die im Übrigen auch größtenteils von Frauen ausgeübt werden.

Zudem hat die Pandemie einen enormen Schub bei der Digitalisierung der Arbeit gebracht. Der Trend zur Verlagerung vieler Tätigkeiten, die früher als Dienstleistung von Menschen erbracht wurden, in den Bereich des Internets, wurde verstärkt. Wir alle erledigen inzwischen „ganz nebenbei“ die Arbeit von Bankangestellten, Handelsangestellten, Reisebürofachkräften, etc. über digitale Arbeitsmittel selbst. Viele der ehemals dafür notwendigen Arbeitskräfte sind längst abgebaut und weitere werden folgen. Eine dauerhafte Verschiebung von Erwerbsarbeitsvolumen im Dienstleistungsbereich hin zu einerseits IT-basierten Berufen, andererseits zu Hilfstätigkeiten wie Zustelldiensten etc. wird unausweichlich folgen.

Vielfach wird der Bevölkerung weisgemacht, dass die durch die Digitalisierung entstehenden Arbeitsplätze die aus ihren ursprünglichen Berufen Ausgeschiedenen auffangen werden. Zusätzlich sei in Bereichen der Pflege und anderer sozialer Arbeit ausreichend Arbeitskraft notwendig. Nur, wenn diese Tätigkeiten bisher vielfach (vor allem von Frauen) unbezahlt übernommen wurden, warum sollte es nun plötzlich gelingen, diese angemessen zu entlohnen? Dazu fehlt die Bereitschaft zur gemeinschaftlichen Finanzierung einer adäquaten Entlohnung der Sorgearbeit. Das Mantra „Leistung muss sich lohnen“ wird häufig nur auf bestimmte Leistungen angewendet.

In Vorhersagen über die Entwicklungen der Erwerbsarbeit wird vielfach davon ausgegangen, dass sich deren gesamtes Volumen verringern wird. Aus der Perspektive der Unternehmer:innen erscheint das logisch – schließlich ist sie ein wesentlicher Kostenfaktor und die technischen Entwicklungen ermöglichen deren teilweise Substitution.

Wie wird Arbeit und Einkommen nun künftig so verteilt, dass alle Teile der Bevölkerung ihren Fähigkeiten entsprechend teilhaben können?

Ein Vorschlag, für den wir uns seit langem einsetzen und der seit Jahrzehnten immer wieder diskutiert wird, hat während der Pandemie erneut Rückenwind erhalten:

Das Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE), das allen Menschen ein würdevolles Leben ermöglicht, die gesellschaftliche Teilhabe und die Existenz sichert, an keine Bedingungen geknüpft ist und für jede Person individuell gilt.

Das angestrebte Grundeinkommen ersetzt nicht den Sozialstaat. Dabei können einige der bestehenden, staatlichen Leistungen zwar ersetzt werden (Sozialhilfe, Notstandshilfe, Familienbeihilfe, etc.), es muss aber weiterhin für bestimmte Personengruppen zusätzliche Leistungen wie z.B. Pflegegeld, Behindertenunterstützung, etc. geben. Wesentlich ist jedoch, dass die Finanzierung einer öffentlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pflege, Kinderbetreuung, Verkehr, Wasser, Energie und Wohnen als wichtige Staatsaufgabe bestehen bleibt.

Auf dieser Basis aufbauend wird eine selbstbestimmte Gestaltung der täglichen Arbeit möglich, in der alles, was wichtig ist, erledigt werden wird.

Von kritischer Seite wird regelmäßig angezweifelt, dass die Arbeitswilligkeit bestehen bleibt. Dazu wurde bereits in mehreren Untersuchungen festgestellt, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung mit einem BGE den Anteil der Erwerbsarbeit nur geringfügig reduzieren wollen würde. Verringert sich nun also – wie prognostiziert – das allgemeine Erwerbsarbeitsvolumen, ist daher davon auszugehen, dass somit eine bessere Verteilung von Erwerbsarbeit ermöglicht wird.

Ob es zu einer Verteuerung von Arbeit kommt, ist vor allem eine Frage der zukünftigen Ausgestaltung des Abgabensystems. Eine Umschichtung weg von Arbeit hin zu Ressourcen und Vermögen ist auch zur Bewältigung anderer politischer Ziele wie z.B. der Klimakrise ohnehin unumgänglich. Sicher ist: Geld ist genug vorhanden. Die Finanzierung eines BGE ist vor allem eine Verteilungsfrage.

Sabine Jungwirth
Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft

Dieser Text ist eine gekürzte Version meines Beitrags für das Buch »Zukunft.Arbeitswelten«, das die Politische Akademie der ÖVP, der Verein Modern Society, die Fraktion Christlicher Gewerkschafter sowie die Vereinigung Wiener Akademikerinnen und Akademiker in Kooperation herausgegeben haben.

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