Dornbacher-Grätzl-Greisslerin

Grätzl-Werk-Stadt NO. 33: Unternehmerischer Mut in Zeiten einer Krise oder was Tun, wenn eine Greisslerin im Grätzl fehlt?

Vier Frauen im Gespräch. Ein Gespräch über selbstständig werden mitten in der Corona Krise, über ein Grätzl, das plötzlich ohne Nahversorgerin dastand und Chancen, die ergriffen wurden.

Désirée Demmel-Ebinger ©Désirée Demmel-Ebinger
Christine Ruckenbauer © Marina Probst-Eiffe

 Die vier Frauen sind:

Désirée Demmel-Ebinger:
die Greisslerin

Christine Ruckenbauer:
die Netzwerkerin vom Grätzenetzwerk Dornbach-Neuwaldegg

 

 

Maria Schönswetter und Stephanie Rank: die Autorinnen der Grünen Wirtschaft

Im Juni 2020 hatte Desirees Vorgängerin, Frau Stari, ihr Geschäft aus persönlichen Gründen geschlossen. Die Räumlichkeiten selbst konnten nicht übernommen werden, der Preis für das Geschäftslokal war zu hoch in unsicheren Zeit wie diesen, andere Vermieter*innen ließen entweder ihre Räumlichkeiten lieber leerstehen, so wie sie waren, oder waren skeptisch gegenüber der Idee einer Greisslerei.

Schlussendlich ergab sich gleich gegenüber eines Geschäftslokals, dem sich schon vor vielen Jahren ein kleiner, im Grätzl sehr bekannter Gemischtwarenladen befunden hatte doch die Möglichkeit, eine Greisslerei zu eröffnen.

Wir haben Desiree und Christine interviewt, wie es ist, mitten in einer Krise selbstständig zu werden und wie das Grätzl darauf reagiert hat.

 

Shop ©Dornbacher Grätzl-Greißler

Desiree, was war dein Beweggrund, das Geschäft zu eröffnen? Inwieweit hatte die »Corona Krise“ eine Auswirkung auf deine Entscheidung?

Durch die Corona Krise konnte ich meinen Job (damals Englischlehrerin in einem privaten Kindergarten) über mehrere Monate nicht ausüben. Als ich erfahren habe, dass Frau Stari die ihre Greißlerei aufgibt, war ich zunächst traurig. Immerhin bin ich in Dornbach aufgewachsen und wollte einfach nicht, dass noch mehr Geschäfte leer stehen und die Gegend dadurch unbelebt und trist wirkt. Aber da ich keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet hatte, war ich unsicher, und ich musste mich überwinden dieses Risiko einzugehen. Nach mehreren Wochen, in denen ich überlegt und abgewogen habe, fiel dann der Entschluss das Geschäft zu übernehmen, und so die Nahversorgung im Grätzl zu sichern, aber den Standort zu wechseln. Was mir geholfen hat bei dem Schritt, war die Tatsache, dass Lebensmittelgeschäfte selbst im Lockdown geöffnet bleiben dürfen. Andernfalls hätte ich es in diesen herausfordernden Zeiten nicht gewagt, mich selbstständig zu machen.

 

Christine, wie siehst du die Neueröffnung der Greisslerin?

Sehr positiv. Die Greisslerei sehe ich als eine großartige Bereicherung nicht nur als Nahversorgerin, sondern auch als zentralen Treffpunkt für die Bewohner*innen in unserem Grätzl. Schon Desirees Vorgängerinnen, Frau Sturm und Frau Stari waren als Nahversorgerinnen wichtige Bestandteile unseres Grätzls. Die neue Dornbacher Grätzlgreisslerei, an ihrem neuen Standort, mit ihrem liebevoll eingerichteten Geschäftslokal, ihrem Schwerpunktmäßig auf regional, biologisch und ökologisch ausgerichtetem Produktsortiment und ihrer charmanten Art, mit uns Kund*innen (auch über soziale Medien) zu kommunizieren, macht mir viel Lust, öfter zu Fuß direkt im Grätzl einkaufen zu gehen, statt mit dem Auto zum Supermarkt zu fahren.

 

©Dornbacher Grätzl-Greißler

Was hat sich im Grätzl dadurch verändert, Christine?

Es ist lebendiger geworden. Nicht nur durch die Einkaufenden im Geschäft oder die Warteschlange (jetzt in Corona Zeiten) vor dem Geschäft, sondern auch durch die aktive Interaktion mit den Kund*innnen über Facebook (z. B die Dornbach & Neuwaldegg bunt gemischt Gruppe :-). Wir Anrainer*innen können bei ihr biologische und regionale Lebensmittel kaufen und sogar ökologische Putzmittel und Hygieneartikel, die man nachdem vor über zwei Jahren der DM im Ladenhof geschlossen hat, sonst gar nicht mehr in unmittelbarer Nähe erhält.

 

Desiree, was sind deine Ziele hier für dein Geschäft? Wo siehst du dich in ein paar Jahren?

Es sieht so aus, als hätte ich nach der Sanierung des Sockels die Möglichkeit mich innerhalb des Hauses zu vergrößern. Diese Chance habe ich vor zu nutzen. Ich merke, dass der Bedarf gegeben ist und ich würde mich freuen noch mehr Produkte in mein Sortiment aufnehmen zu können, wie beispielsweise Tiefkühlware. Es würde mich auch reizen ein paar Tische zur Verabreichung kleiner Speisen zur Verfügung zu haben und nach der Krise dann regelmäßig Wein- und Bierverkostungen zu machen. Ich wäre auch gerne ein Abholpunkt für Biokisterl.

Weiterhin möchte ich regionale Spezialitäten führen und außerdem die Grundbedürfnisse im Lebensmittelbereich noch besser decken. Durch die Expansion des Verkaufsraumes rücken diese Ziele in greifbare Nähe.

 

©Dornbacher Grätzl-Greißler

Wo siehst du Schwierigkeiten, Desiree?

 Schwierig ist beim Lebensmittelhandel immer die Verderblichkeit der Waren. Je größer der Laden, umso ausgereifter muss die Logistik dahinter sein. Verschwendung tut mir weh, daher versuche ich sie tunlichst zu vermeiden. Es ist nicht leicht die richtigen Mengen einzukaufen. Ich verschenke einen Salat, wenn er schon fast welk ist lieber, bevor ich ihn entsorgen muss.

Eine Möglichkeit Lebensmittel zu retten, wäre sie zu verkochen und die Speisen anzubieten, so wie es früher in Dornbach von Greißlern vor mir schon praktiziert wurde. Das bedarf allerdings auch diverser Genehmigungen, Zeit und Personal. Mal sehen, ob und wie ich das umsetzen kann.

 

Du hast erwähnt, dass du in absehbarer Zeit dein Geschäftslokal verlassen und in ein größeres ziehen musst, im selben Haus, aber dennoch wäre das fast eine Verdoppelung deiner Geschäftsfläche. Was bedeutet das für dich? Wie siehst du diese Veränderung?

Die Vergrößerung der Geschäftsfläche bringt mich zum einen – wie bereits erwähnt –näher an meine Ziele. Zum anderen ist sie mit viel Arbeit und Kosten verbunden. Ich habe gemischte Gefühle, werde aber (wie schon vor der Übernahme der Greißlerei) wohl ins kalte Wasser springen und es einfach machen. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Und ich habe sehr viel Rückhalt von meinen Kundinnen und Kunden: Ich wurde so lieb aufgenommen im Grätzl, habe so viele nette Menschen kennengelernt und werde so oft belohnt für meine Mühen, durch wahnsinnig herzerwärmende Worte meiner lieben Kundschaft. Sie alle sehen dem Umzug mit Freude entgegen und das macht mir auch wiederum Mut, es zu wagen.

Die Vergrößerung des Geschäfts wird hoffentlich auch für meine Kinder etwas Erleichterung mit sich bringen: Unser Aufenthaltsbereich wird größer, sie können dann ihre Hausübungen dort erledigen und wir können zusammen sein, selbst wenn ich arbeiten bin. Darauf freue ich mich schon sehr.

 

©Dornbacher Grätzl-Greißler

Christine, was passiert, wenn der Nahversorger fehlt? Was bedeutet das für das Grätzl?

Abgesehen von der fehlenden Nahversorgung, hieße das für das Grätzl weniger Lebendigkeit, weniger Austausch, weniger Vielfalt. Für mich trägt die Greißlerin dazu bei, dass sich die Menschen hier wohl fühlen. Sie trägt zur Attraktivität der Gegend bei. Unser Grätzl ist eigentlich eine reine Wohngegend. Es gibt nur mehr sehr wenige Geschäfte hier und selbst die tun sich schwer auf Grund der fehlenden Laufkundschaft. Ohne Greißlerin, die ja nicht nur als Nahversorgerin fungiert, sondern auch als wichtiger sozialer Treffpunkt, als Ort des Austausches und des Kennenlernens, wäre das Grätzl um einiges ärmer. Zusammen mit der Bäckerei Winkler und dem Restaurant Arco Adige belebt sie das Ortsbild, bildet eine Art Zentrum in unserem Grätzl, das wir Bewohner*innen nicht mehr missen wollen.

 

Desiree, wie erlebst du den Alltag als Unternehmerin? Welche Unterstützung wünscht du dir?

Unternehmerin sein ist zweifellos eine Herausforderung. Ehrlich gesagt die größte, die ich bisher meistern musste. Die Unterstützung, die mir zuteil wird, ist aber enorm – nicht nur von Seiten der Wirtschaftskammer oder den Kundinnen und Kunden, die mir größtenteils mit sehr viel Verständnis und Geduld entgegentreten, sondern auch von meiner Familie, die mich streckenweise »tragen« musste, als ich kurz nach der Eröffnung wirklich mit akutem Kräftemangel zu kämpfen hatte. So gesehen wünsche ich mir nicht mehr, als ich ohnehin schon habe. Dieser Rückhalt ist unbezahlbar.

 

Shop ©Dornbacher Grätzl-Greißler

Wie erlebst du für dich als selbstständige Unternehmerin die Vereinbarkeit von Familie mit Kindern und Unternehmerin sein?

 Mama sein ist für mich die schönste Aufgabe in meinem Leben. Die Tatsache, dass ich nun weniger Zeit für meine Kinder habe, hat mich zunächst sehr hart getroffen. Und auch für meine Söhne war die Umstellung alles andere als leicht. Durch Corona wurde die Situation noch verschärft und es gab viele Tage, an denen die Nerven blank lagen. Inzwischen hat sich ein gewisser Alltag eingespielt und wir haben uns ein wenig an die neuen Lebensumstände gewöhnt. Mein Mann ist mein Fels in der Brandung. Er hat sich stets bemüht, für die Kinder da zu sein, wenn ich es nicht konnte. Neben seinem Vollzeitjob hat er es trotzdem geschafft, mich manchmal im Geschäft zu unterstützen. Außerdem kümmert er sich, genauso wie ich, auch um den Haushalt. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für mich nur möglich, weil mein Partner meinen Weg unterstützt und ihn mit mir geht. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar.

 

Frage an beide:
Was wünscht ihr euch von dem Grätzl hier in Dornbach/Neuwaldegg? Welche Infrastruktur fehlt euch? Welche Aufwertung braucht es noch?

Für Desiree wäre eine Postfiliale in der Nähe wirklich wünschenswert, auch eine Bankfiliale fehlt hier (nicht nur uns Geschäftsleuten). Außerdem würde ich einen Schreibwarenhandel begrüßen!

Christine hat gleich drei Wünsche:

Wunsch 1: Ich freue mich über die Initiative des Bezirks, endlich den Radweg bis nach Neuwaldegg zu realisieren. Gemeinsam mit allen Begleitmaßnahmen (z. B. Tempo 30, Sharrows) sind das erste wichtige Impulse um das Grätzl verkehrszuberuhigen und wieder attraktiver für Geschäftsleute zu machen.

Wunsch 2: Seit vielen Jahren stehen Geschäftslokale im Grätzl z. B. in unserem kleinen Einkaufszentrum (Ladenhof) leer. Hier wünschte ich mir noch mehr Anstrengungen der Stadt Wien, gemeinsam mit privaten Eigentümern diese Lokale wieder zu beleben. Wir haben einen ersten Versuch gestartet für den Ladenhof eine Zwischennutzung zu organisieren, mehr davon wäre schön.

Wunsch 3: Eine Dependance der Post oder wenigstens eine SB Automat wäre wieder wünschenswert.

 

Wir danken euch beiden für das Gespräch und freuen uns auf weitere positive Veränderungen.

 

Facebook Seite der Grätzl-Greisslerei: https://www.facebook.com/Greissler

Grätzlnetzwerk Dornbach/Neuwaldegg: https://dornbachneuwaldegg.wordpress.com/