Ein Beitrag aus unserer Blogreihe »Zukunftsfähig Wirtschaften«

Nachhaltigkeit war gestern, Regeneration ist heute.

Regeneratives Wirtschaften

Ein neuer, aber noch nicht breit besprochene Lösungsansatz der Klimakrise ist das regenerative Wirtschaften. Im Gegensatz zum nachhaltigen Wirtschaften stellt dieser Ansatz des Wirtschaftens die Regeneration als Leitmotiv des unternehmerischen Handelns in den Vordergrund. Der englische Begriff sustain, aufrechterhalten auf deutsch, beschreibt den Basisgedanken unserer Nachhaltigkeitsmaßnahmen sehr gut. Die Idee des regenerativen Wirtschaftens will einen Schritt weitergehen und nicht nur Bestehendes aufrechterhalten, sondern dem Planeten jene Ressourcen zurückgeben, die wir ihm über die Jahrzehnte entnommen haben.

Der Ansatz eines regenerativen Wirtschaftens wird von Stephan Hankammer, Co-Gründer und wissenschaftlicher Geschäftsführer des im Jahr 2022 gegründeten Instituts für regeneratives Wirtschaften an der Alanus Universität bei Bonn beforscht und gelehrt. Auf der diesjährigen Denkwerkstatt der Grünen Wirtschaft war er als Vortragender eingeladen.

Unternehmen geben mehr als sie nehmen.

Unternehmen sollten sich nicht bloß – wie beim nachhaltigen Wirtschaften – auf Schadensreduktion konzentrieren, sondern naturpositiv werden. Zusammengefasst heißt das, dass Unternehmen versuchen sollen, in jeder Austauschbeziehung mehr zu geben, als zu nehmen.

Stephan Hankammer erklärt seinen neuen Ansatz so: »Wir versuchen seit über 30 Jahren eine nachhaltige Entwicklung einzuschlagen. Aber anstatt ökologische und soziale Herausforderungen zu lösen, haben wir viele der bestehenden Probleme verschärft, sodass wir uns heute eingestehen müssen, dass Nachhaltigkeit nicht mehr ausreicht. Wir müssen einen Schritt weiter gehen und defekte ökologische Systeme und defekte soziale Systeme reparieren, wieder ganz machen, also regenerieren.«

Wesentlicher Teil des regenerativen Wirtschaftens ist es, die wahren Kosten zu untersuchen.

In der Praxis würde das für ein Unternehmen so aussehen, dass als erster Schritt die komplette Wertschöpfung eines Unternehmens untersucht und identifiziert wird: An welchen Stellen stiftet das Produkt oder die Dienstleistung Nutzen und für wen? Im Gegenzug darf aber auch nicht vergessen werden, welcher Schaden damit verursacht wird.

Im Gegensatz dazu fokussiert der Nachhaltigkeitsansatz darauf, Schaden zu reduzieren, akzeptiert aber, trotz aller Bemühungen, einen Schaden angerichtet zu haben, der nicht mehr gutgemacht werden kann. Der Gedanken der Regeneration steht dafür, gezielter danach zu suchen, an welchen Stellen trotz der Logik des Mehrwerts Schaden entsteht. Das geht so weit, auch das eigene Produkt, die eigene Dienstleistung oder das Geschäftsmodell zu hinterfragen, ob es vor dem Hintergrund der zu drohenden Überschreitung der planetaren Grenzen noch tragbar ist.

Regeneration auf sozialer Ebene.

Regeneration ist nicht nur auf der ökologische Ebene zu denken, sondern auch auf der sozialen: Heruntergebrochen auf Mitarbeiter:innen würde das bedeuten, dass man untersucht, wie im Unternehmen mit Mitarbeiter:innen umgegangen wird. Gestalte ich die Arbeitsbedingungen so, dass ich Mitarbeiter:innen abnutze oder so, dass die Regenerationsfähigkeit meiner Mitarbeiter:innen erhalten bleibt?

Der regenerative Ansatz ist ein Argument der Resilienz und der Zukunftsfähigkeit.

Die Frage, warum Unternehmen auf ein regeneratives Wirtschaften umsteigen sollen, beantwortet Stephan Hankammer so: »Ein Grund ist das Risikomanagement. Viele Unternehmen hängen von globalen Lieferketten ab, die durch die Biodiversitäts- und Klimakrise mit immer größeren Risiken einhergehen. Zum Beispiel in der Lebensmittelproduktion, konfrontiert mit immer schlechter werdender Bodenqualität durch die klimatischen Veränderungen und immer geringerem Ertrag pro Fläche sind Produzent:innen händeringend auf der Suche danach, wie sie ihre Ressourcenbeschaffung stabilisieren oder verbessern können. Das heißt, den regenerativen Ansatz umzusetzen, ist ein Argument der Resilienz und der Zukunftsfähigkeit.« Gleichzeitig hat der Gedanke der Regeneration, statt den Fokus auf die Schadschöpfung zu richten ein enormes kreatives Potenzial – im Sinne: Ich bin Teil der Lösung und nicht des Problems.

Was bedeutet das für die Politik?

Was würden es von politischer Seite, zum Beispiel von der EU brauchen, um das Pendel in die Richtung regeneratives Wirtschaften ausschlagen zu lassen: »Das systematische Arbeiten an den wahren Kosten benachteiligt Unternehmen, die bereits regenerativ wirtschaften, denn viele Unternehmen externalisieren all die negativen Effekte und haben deswegen eine bessere kurzfristige Wettbewerbsposition. Das heißt, wir brauchen Rahmenbedingungen die regenerative Unternehmenstätigkeiten fördern, vielleicht sogar belohnen durch entsprechende Subventionen.«

Andrea Kern im April 2023

Links:

Stephan Hankammer ist Professor für nachhaltige Unternehmensführung, Innovation und Entrepreneurship an der Alanus Hochschule in Alfter: https://www.alanus.edu/de/hochschule/menschen/detail/jun-prof-dr-stephan-hankammer

Institut für Regeneratives Wirtschaften: https://www.regwi.org/de

Vortrag Regeneratives Wirtschaften als Zukunftsstrategie auf YouTube: https://youtu.be/WCVbTnMV7NA

Grüne Wirtschaft-Podcast mit Stephan Hankammer: https://www.gruenewirtschaft.at/podcast/