Anfang April erschien der Sozialbericht für das Jahr 2024. Die Ergebnisse lassen tief in die aktuellen gesellschaftspolitischen Herausforderungen blicken. 1.555.000 Personen – das sind 17,5 % der Gesamtbevölkerung – sind in Österreich aktuell armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.

Publikationen und Studien wie der Sozialbericht wirken immer ein Stück weit als Agenda-Setting und bestimmen, worüber man aktuell vertiefend berichtet und welchen Themen man sich politisch, aber auch im gesellschaftlichen Diskurs widmet. Sie sind ein wichtiges Instrument und bilden durch ihre jährliche Wiederkehr fast schon so etwas wie einen Lehrplan oder aber eine saisonale To-do-Liste für politische Akteur:innen und Medien. Von Jahr zu Jahr befasse ich mich also im Frühling noch intensiver als ohnehin schon mit dem Thema der sozialen Sicherheit. Dabei stelle ich enttäuscht fest, dass in der medialen Berichterstattung die Gruppe der Selbstständigen stets unterrepräsentiert ist.

Diese Beobachtung per se soll kein Vorwurf sein. Wenn es um Armutsbekämpfung geht, haben alle gleichermaßen strukturelle Unterstützung verdient. Als Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft sehe ich es allerdings als meine Aufgabe, speziell auf die Situation der armutsgefährdeten Selbständigen aufmerksam zu machen.
Dabei stoße ich oftmals auf eine grundlegende Fehlannahme:

Wer von Selbstständigen spricht, spricht primär von Unternehmer/innen

Spezifischer von Inhaber:innen mittlerer oder großen Unternehmen. Dabei bleibt eine Tatsache gerne unbeachtet: Es sind nicht die Pharma-Konzern-Erben, Stahlbaufirma-Inhaberin oder Logistiker, die den Großteil unserer Unternehmer:innen in Österreich ausmachen. Die Mehrheit der Personen mit Gewerbeschein in Österreich führen Ein-Personen oder Kleinstunternehmen wie zum Beispiel die Grafikerin, der Masseur, der Florist oder die Unternehmensberaterin. Personen, die tagtäglich eine One-man,- oder One-Woman-Show durchziehen. Personen, die keine Vertretung und keinen Plan-B parat haben, wenn sie ausfallen. Dieser Umstand gekoppelt an ein strukturell auf Großunternehmer: innen maßgeschneidertes Steuer- und Sozialsystem bringt Selbstständige von EPU und Kleinstunternehmen in puncto sozialer Sicherheit rasch in eine prekäre Situation.

Mehr als die Hälfte der Selbständigen ist in der Pension armutsgefährdet

Über 50 % der Selbständigen in Österreich haben in ihrer Pension weniger als 1.400 Euro netto monatlich zur Verfügung. Die Armutsgefährdungsschwelle liegt nur knapp darunter, bei derzeit 1.392 Euro. Dies hat strukturell gesehen aber nicht mit der schlechten Auftragslage oder der zu geringen Arbeitsleistung von Selbständigen während ihrer unternehmerischen Tätigkeiten zu tun, sondern damit, dass gewisse Modelle des Unternehmer:innentums im Alter armutsgefährdend wirken. Gründer:innen wird oftmals in der Startphase geraten, die Kleinstunternehmer:innenregelung zu nutzen. Je länger man in diesem Modell verharrt, umso niedriger fällt jedoch später die Pension aus.

Überschreitet man aber die Parameter für diese Form der Selbständigkeit, summieren sich die Abgaben. Eine Rückkehr zur Befreiung von den Sozialversicherungsbeiträgen ist allerdings erst nach fünf Jahren wieder möglich. Allerdings auch nur dann, wenn die Umsatz- und Gewinngrenzen für die Kleinstunternehmer:innenregelung in diesen Jahren unterschritten werden. Das bedeutet, dass fünf Jahre lang bei geringem Gewinn hohe Abgaben zu leisten sind. Aus diesen Gründen sehe ich die Kleinstunternehmer:innenregelung kritisch.

Um uns Unternehmer:innen ein sorgenfreies Leben in der Pension möglich zu machen, braucht es ein Abgabensystem, dass alle ab dem ersten verdienten Euro sozial absichert. Und das ist nur ein kleiner Aspekt des gesamten Themenblocks. Wenn es um die soziale Sicherheit von Unternehmer:innen in Österreich geht, könnte ich dir ein Ohr abkauen. Daher nehmen wir uns in den nächsten Wochen intensiv dem Thema der sozialen Sicherheit an. Ich verspreche auch, dass wir den Themenblock in kleinen, verdaubaren Häppchen liefern und anders als unsere Kolleg:innen bei der SVS dabei auf verständliche und niederschwellige Information setzen. Damit du nichts verpasst, solltest du unsere Social-Media-Kanäle abonnieren. Und wenn du selbst Unternehmer: in bist, kannst du an unserer kleinen Umfrage zur empfundenen sozialen Sicherheit teilnehmen: https://www.umfrageonline.com/c/4xdtrwwr
Die Resultate daraus gibt es in der nächsten Ausgabe!

Bis dahin alles Liebe
Sabine

Sabine Jungwirth
Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft