Arbeitswelt und des Wirtschaftsleben haben sich in den letzten 30 Jahren radikal verändert. Digitalisierung und Globalisierung haben zum Entstehen neuer Berufe, neuer Branchen und neuer Arbeitsformen geführt (»Creative Industries«, wissensbasierte Dienstleistungsberufe etc.).
Doch alles hat wie immer zwei Seiten. Des einen Freud ist des anderen Leid. Und so ist in den letzten Jahren eine große Gruppe prekär arbeitender UnternehmerInnen entstanden, die sowohl mit geringem Einkommen als auch mit hohem unternehmerischen Risiko leben müssen.
Alles neu – alles gut?
Zwischen den klassischen, klar abgegrenzten sozialpartnerschaftlichen Rollenbildern (»Arbeitnehmer-Arbeitgeber«) sind neue Arbeitsformen entstanden. Auch die Erwerbsbiografien verlaufen heute bei weitem nicht mehr so kontinuierlich wie früher. Viele wechseln mehrfach zwischen Selbständigkeit und Unselbständigkeit. Oder haben gleichzeitige Einkommen aus selbständiger und unselbständiger Arbeit (“hybride Beschäftigungsform”).
Allein gelassen
Wenn man Ein-Personen-UnternehmerInnen, Neue Selbständige, FreiberuflerInnen, KünstlerInnen, Freie DienstnehmerInnen sowie andere atypische Beschäftigungsformen zusammenzählt, sitzen etwa rund eine Million Menschen zwischen den sozialpartnerschaftlichen Stühlen. Leider haben bis heute weder die Sozialpartner noch die Politik diesen Strukturwandel wirklich verstanden, geschweige denn in ihrer Arbeit bislang ausreichend berücksichtigt. Viele Selbständige fühlen sich heute von niemandem politisch vertreten.
Arm, aber selbstständig
Mittlerweile gibt es ein relativ großes Selbständigen-Prekariat, also Menschen, die viel an sozialer Unsicherheit und geringen Einkommen zu akzeptieren bereit sind, um ihren Traum von der Selbständigkeit zu leben. Ein nennenswerter Anteil (je nach Umfrage etwa 10 bis 15%) tut dies auch unfreiwillig, wurde zur Selbständigkeit gezwungen und würde gern bei erstbester Gelegenheit wieder in ein unselbständiges Beschäftigungsverhältnis zurückkehren (Scheinselbständige, Outgesourcte, unfreiwillige Betriebsnachfolger innerhalb der Familie, vom AMS in die Selbständigkeit gezwungene …).
Früher galt in der Regel:
- UnternehmerIn = Geringe Sicherheit und hohe Eigenverantwortung, aber höheres Einkommen.
- ArbeitnehmerIn = Hohe Sicherheit und geringe Eigenverantwortung, dafür geringeres Einkommen.
Heute müssen viele »kleine« Selbständige mit den Nachteilen aus beiden Welten leben, also: Geringe Sicherheit sowie hohe Eigenverantwortung und trotzdem geringes Einkommen. »Unternehmerischem Risiko« steht heute in vielen Fällen also kein entsprechender »UnternehmerInnenlohn« gegenüber.
Not my WKO!
Viele (Neue) Selbständige fühlen sich heute weder ernst genommen noch vertreten – weder von der Wirtschaftskammer noch von den Gewerkschaften. Zwar hat die Wirtschaftskammer mit Werbemaßnahmen, netten Broschüren, EPU-Beauftragten und einschlägigen Beratungsveranstaltungen reagiert.
Dennoch werden Ein-Personen-Unternehmen noch immer als Fremdkörper empfunden und werden nicht als eigene – in der Regel weniger wachstums- als freiheitsorientierte –Unternehmensform akzeptiert, sondern ständig mit Unternehmensgründern und Gescheiterten in einen Topf geworfen.
Dass es sich dabei um zahlende Pflichtmitglieder der Wirtschaftskammer handelt, die Anspruch auf Vertretung haben, wird gerne verdrängt. Fragen der sozialen Absicherung werden erst seit rund drei Jahren intensiv diskutiert (Gründung der Facebook-Gruppe »Amici delle SVA«). Da ist noch viel Luft nach oben!
Harte Fakten:
- Anzahl der EPUs innerhalb der Wirtschaftskammer: rund 250.000
- EPU-Anteil unter den Wirtschaftskammer-Mitgliedern: rund 56 %
- Armutsgefährdungsrate bei den Selbständigen: rund 10
- % (nach HilfsarbeiterInnen mit 12 %)
- Anteil der SVA-Versicherten im Bereich der Mindestbemessungsgrundlage: rund 50 %
- Begriff EPU offziell gebräuchlich: seit 2006