»Damit sich Leistung lohnt« – über Österreichs Zukunft aus Sicht der Wirtschaftskammer

Im Jänner 2024 tauchte in der Wirtschaftskammer Steiermark ein Heft mit dem Titel »Damit sich Leistung lohnt« auf, in dem fünf angeblich unbequeme Thesen »zum Wert von Leistungswillen und Eigenverantwortung in Österreich« ausgeführt werden. Darin befinden sich altbekannte ÖVP-Forderungen wie die Senkung der Lohnnebenkosten, die Einführung eines Steuerfreibetrags für Vollzeitarbeit oder das degressiv gestaffelte Arbeitslosengeld.

Landessprecherin Andrea Kern – Foto: Philipp Podesser

Nun kann man zu den Forderungen stehen, wie man will, richten wir unser Augenmerk zunächst auf die Umsetzung dieser Kampagne. Denn durchgeführt wird die Kampagne von der Wirtschaftskammer aufgrund eines mehrheitlichen Beschlusses aller (!) Delegierten des Wirtschaftsparlaments außer jenen der Grünen Wirtschaft.

Aber, könnte man nun meinen, Österreich habe doch genügend anstehende Probleme, die Wirtschaftskammer bringt nun endlich Lösungsvorschläge dazu vor.  Die eigentlichen Probleme aber, vor denen wir stehen, werden in dieser Kampagne nicht angesprochen: Weder für den Arbeitskräftemangel, noch für die Klimakrise finden sich im Heft adäquate Lösungsvorschläge.

Schaut man genauer hin, findet man keine ernstzunehmenden Vorschläge wie man die noch nicht adressierten Potenziale des österreichischen Arbeitsmarktes heben könnte. Man könnte sogar den Eindruck gewinnen, Österreichs Arbeitnehmer:innen bestehen ausschließlich aus leistungsscheuen Menschen, die nur in Teilzeit arbeiten wollen und das Sozialsystem ausnutzen.

  • Statt konkreten Vorschlägen für die Höherqualifizierung von schlecht ausgebildeten Arbeitnehmer:innen liest man über die Reform der Bildungskarenz, da sie „sinnwidrig“ in Anspruch genommen werden würde.
  • Statt der Forderung nach einer die Mütter endlich entlastenden Zahl an Kinderbetreuungsplätzen und der Aufwertung des Berufs der Kindergartenpädagogin:des Kindergartenpädagogen wird man über die Wichtigkeit des vorschulischen Bereichs informiert.
  • Statt über eine weitreichende Reform der Rot-weiß-rot-Karte liest man … gar nichts. Die Themen Qualifizierter Zuzug und Arbeitsbewilligungen von Migrant:innen finden keinen Eingang ins Heft.

Wie könnte es auch anders sein, zur zweiten Herausforderung unserer Zeit zur Transformation der österreichischen Unternehmen in eine zukunftsfähige, nachhaltige Wirtschaft findet sich im Heft wiederum gar nichts.

Der Wirtschaftsbund hat auch die absolute Mehrheit in der steirischen Wirtschaftskammer. Kein Wunder also, dass ÖVP-Forderungen die Politik der steirischen Wirtschaftskammer dominieren. (Oder dominieren Wirtschaftsbund-Wünsche die ÖVP-Politik? Egal.). Was aber nicht egal ist, ist dass die Wirtschaftskammer als Teil der österreichischen Sozialpartnerschaft nicht ausschließlich die Wähler:innen des Wirtschaftsbundes vertritt, sondern alle Mitglieder der Wirtschaftskammer – also auch die oft vergessenen Ein-Personen-Unternehmen, die weiblichen oder migrantischen Unternehmer:innen. Diese Kampagne wird aus Mitgliedsbeiträgen und den Kammerumlagen aller Unternehmer:innen in der Steiermark finanziert, allerdings adressiert sie nur die Klientel des ÖVP-Wirtschaftsbundes.

Im zweiten Teil dieses Artikels werden wir auf so manche realitätsfernen Forderungen eingehen, die in dieser Kampagne zu finden sind. Stay tuned