Ein Grätzl im Grätzl sein

Grätzl-Werk-Stadt No. 59: Wie neues Leben in alte Kleider gehaucht wird

Maria Schönswetter ©Katarina Lindbichler

Maria Schönswetter war zu Gast bei Serafina Spatt und Alina Saavedra-Santis, den Gründerinnen und Unternehmerinnen von RESI Slowfashion.

RESI Slowfashion (Zollergasse 24, 1070 Wien) verleihen Kleidungsstücken mit Löchern, Rissen oder Flecken neues Leben, und kreieren dadurch Unikate. Im Interview mit Maria Schönswetter erklären sie was visible mending mit einem alten Gasthaus zu tun hat und warum es sich auszahlt, auf Kreislaufwirtschaft im Grätzl zu setzen.

 

Wer seid ihr und was hat euch zu Resi Slowfashion bewegt? Wie habt ihr euch kennengelernt? 

Serafina Spatt: Ich habe Kultur- und Sozialanthropologie studiert und meinen Master in Global Studies auf der Uni Graz angefangen. Ich habe mich mit nachhaltigem Konsum von Kleidung beschäftigt. Alina und ich haben gemeinsam RESI Slowfashion gegründet.

Alina Saavedra-Santis: Ich bin Schneiderin und repariere schon seit vielen Jahren meine private Kleidung. Serafina und ich kennen uns schon seit der Volksschule. In unserer Jugend haben wir bereits viele Projekte zusammen gemacht und konnten so die ersten handwerklichen und unternehmerischen Erfahrungen sammeln. Es ist schön nach so langer Zeit wieder zusammengekommen zu sein und es ist schön, dass wir uns dazu entschlossen haben, ein gemeinsames Unternehmen zu gründen, RESI Slowfashion.


Wann und wie ist Resi Slowfashion entstanden?

Serafina Spatt: Alina & Ich hatten die Idee vor drei Jahren. Wir haben mit einem Verein gestartet. Der Startschuss war die Vienna Art Week 2021.

Unser erster öffentlicher Auftritt war eine gemeinsame Ausstellung, bei der wir reparierte, Kleidungsstücke ausgestellt haben. Die Kleidungsstücke waren sichtbar repariert und im Zuge dieser Ausstellung wurden auch visible-mending-Workshops angeboten. Das kam sehr gut an! Diese Vienna Art Week fand im »Opencave« im 22. Bezirk statt.

Das war unser gemeinsamer Beginn und wir haben immer mehr und mehr Workshops gemacht. Unser Ansatz ist, bewusst sichtbar zu reparieren. Wir arbeiten vorwiegend ohne Nähmaschine und unsere Techniken sind per Hand, die klassischen Stick- und Stopf-Techniken. Das Spannende an der sichtbaren Reparatur ist es, Loch und Fleck zu nutzten, um etwas Neues daraus zu kreieren.

Seit wann ist Resi Slowfashion unternehmerisch tätig?

Seit Anfang dieses Jahres sind wir ein Unternehmen, wir haben eine OG gegründet. Die Nachfrage nach unseren Produkten und unserem Reparaturservice ist groß und so kam uns die Idee, dass wir uns als nachhaltiges Kreislauf-Wirtschaftsmodell etablieren wollen. Einen Versuch ist es wert!

Das Re:pair Festival findet dies Jahr zum zweiten Mal statt. Seid ihr auch dieses Jahr wieder mit dabei und was erwartet die Besucher: innen dort?

Serafina Spatt: Stimmt, letztes Jahr fand das Re:pair Festival zum ersten Mal statt. Tina Zickler ist die Kuratorin und Organisatorin des Festivals. Dieses Jahr findet das Programm in drei / dreieinhalb Wochen, in drei Bezirken an drei Standorten statt: Im Volkskundemuseum, im Kulturhaus Brotfabrik und bei den SOHO STUDIOS.

Wir bieten wieder eine offene Werkstätte an und alle Festival-Besucher: innen können bei uns kostenlos ihre Kleidung reparieren lassen. Wir stellen die benötigten Materialien und Werkzeuge vor Ort zur Verfügung. Besonders ist diesmal auch, dass Schulklassen am Vormittag unser Reparaturservice ausprobieren und nutzen können. Unsere Station wird gerne mit dem Besuch der Ausstellung kombiniert.

RESI – Slowfashion ist ein fixer Bestandteil des Programmes und wandert mit der Ausstellung durch die drei Bezirke.

 
Welche Services kann man bei euch in Anspruch nehmen? Was bietet ihr an

Serafina Spatt: Als Geschäft haben wir uns auf Reparaturzubehör spezialisiert. Wir bieten eine Basis-Ausstattung an Reparaturzubehör an: Garne, Stickrahmen, Nadeln, Scheren, Stopf-Pilze und -Scheiben. Ein paar Teile davon werden im Bezirk, gleich um`s Eck, hergestellt.

Wir bieten auch ein Reparaturservice an, das gerne genutzt wird. In der Zollergasse kann man auch an Workshops teilnehmen. Im Frühling und im Herbst ist unsere »Hauptsaison«. Wir veranstalten da wöchentlich dreistündige Workshops mit bis zu acht Teilnehmer: innen. Unserer Themen sind: sichtbare-Reparatur / visibel-mending-Basics, Sticktechniken und Stickstiche. Man kann als Einzelperson, aber auch als Kleingruppe mitmachen.
Bei großen Events bieten wir offene Werkstätten an, da können 20 bis 30 Leute gleichzeitig arbeiten.

Resi Slowfashion hat eine Niederlassung in Wien Neubau. Wie seid ihr zu dem Pop-Up-Raum gekommen?  Wozu werden diese Räume genutzt?

Serafina Spatt: Wir haben seit Juli 2022 einen Zwischennutzungsraum, hier in der Zollergasse 24. Das ist eine Kooperation mit dem „Naturkost Joseph“, dem Bioladen gleich nebenan. Geplant war anfangs eine Nutzung über zwei Monate. Jetzt sind wir schon über ein Jahr da und vielleicht bleiben wir noch länger. Ursprünglich war es ein altes Gasthaus. Das Originalmobiliar, wie die Schank oder die Holzvertäfelung, sind noch vorhanden. Hier ist unsere Basis, wir verwenden es als Werkstatt, Geschäft und Workshopraum.

Wie gut seit ihr im Grätzl vernetzt und besteht Kontakt zu anderen Werkstätten und Betrieben in der Nähe?

Serafina Spatt: Wir haben eine Kooperation mit einem Drechsler um´s Eck – also zehn Minuten zu Fuß von uns entfernt – und der macht uns Stopfhölzer, genauer Stopfscheiben und -pilze aus recyceltem Holz.

Er verwendet für unsere Produkte Holz in guter Qualität und nutzt dazu ein altes Tischbein oder ein Stück einer Küchenarbeitsplatte. Auch hier wird Material weiterverarbeitet.

Alina Saavedra-Santis: Ergänzend zum Zubehör möchte ist noch Folgendes sagen: Die Stopfscheiben haben wir gemeinsam mit dem Herrn Dreher konzipiert, wir wollten ein einfaches, aber für die Zwecke perfektes Stopfholz. Warum? Weil, wenn man was repariert, was aus elastischen Stoffen ist, wie z. B. ein Strickpullover, dann braucht man eine stabile Unterlage. Das Material gleitet einem sonst aus den Händen und der Vorteil mit einem Stopfholz ist, dass die Arbeit letzten Endes viel schöner wird. Für die Reparatur sind Stopfhölzer ein wichtiges Werkzeug! Wir sind momentan die Einzigen in Wien, die das handgemacht vertreiben und deswegen ist es auch so beliebt und kommt so gut an.

Kreislaufwirtschaft im Grätzl, wie kann das Aussehen und wie funktioniert das?

Alina Saavedra-Santis: Wir haben eine Kooperation mit dem Secondhand Geschäft Babäm in der Lindengasse ganz in der Nähe, das ist eine Tochtergesellschaft von SOS Kinderdorf.

Babäm bekommt viele Kleiderspenden und manche Kleiderspenden sind aber kaputt und diese Teile kommen zu uns und wir reparieren sie. Auch hier wenden wir wieder die sichtbare Reparatur an. Manchmal fehlt nur ein Knopf oder es handelt sich um eine aufgeplatzte Naht.

Zukünftig wird es auch in regelmäßigen Abständen eine offene Schau-Werkstatt im Geschäft in der Lindengasse geben. Da bekommt man Einblick, wie das sichtbare Reparieren funktioniert und kann es auch gleich selbst ausprobieren.

Einige euerer Transportwege sind sehr kurz, aber wie transportiert ihr eure Werkzeuge und Materialien zu den Workshops? Wie kompakt seid ihr unterwegs?

Alina Saavedra-Santis:  Wir kommen überall öffentlich hin. Ein Koffer oder zwei für unser Werkzeug und Material reichen völlig aus, das ist das Schöne! Wir brauchen für unsere Arbeit keine Nähmaschine, unsere temporäre offene Reparaturwerkstätte passt in zwei kleine Köfferchen!

Welche Maßnahmen werden, eurer Meinung nach, benötigt, um Projekt und Ideen wie »RESI« zu ermöglichen und langfristig zu sichern?

Serafina Spatt: Generell könnte man sagen, es gibt immer noch zu viel Leerstand in Wien und es braucht ein besseres Model der Zwischennutzung, damit sich Betriebe, die sich der Kreislaufwirtschaft und der Reparatur verschrieben haben, wieder in der Stadt ansiedeln können.

Alina Saavedra-Santis: … und es braucht, im Moment noch, eine konstante Förderung für das Reparieren von Waren. Es gibt den Reparatur Bonus und den Reparatur Bon der Stadt Wien. Diese Art der Förderungen ist sehr hilfreich für uns, weil die Reparatur tatsächlich für viel mehr Menschen leistbar wird und das ist uns sehr wichtig.

Wir sind auch Mitglied des Reparatur Netzwerks, dass ist ein wichtiger Teil für das Community Building und fördert den Austausch unter den Reparateur: innen.

weiterführende Links:

re:pair festival
Konsumierst du noch oder
reparierst du schon?

13.10. – 5.11.2023
Programm + Festivalstationen
https://repair-festival.wien/

RESI Slowfashion

Visible Mending
Kleidung sichtbar reparieren

https://www.resislowfashion.at/

Babäm – Secondhand
https://www.babaem.at/

 

Fotocredits: Maria Schönswetter