Die Pandemie hat Vieles nachhaltig verändert. Reisen, vor allem in die Ferne, um neue Kulturen kennenzulernen war lange nicht möglich und ist auch jetzt noch schwierig. Das erlebt auch Julia Balatka mit ihrem Reisebüro. Daher kam ihr die Idee, wenn Reisen in die Ferne nicht möglich ist, dann begeben wir uns doch auf Weltreise in Wien. Doch was entdecken wir hier in Wien? Gibt es sie, die versteckten und verborgenen Grätzl, die uns im Alltag oft gar nicht bewusst auffallen? Wo finden wir die Plätze, die uns tief in andere Kulturen eintauchen lassen?

Darüber und noch mehr unterhalten sich Julia Balatka von JB Travel die ihre Weltreisen in Wien über die Conscious Tourism Group anbietet und unsere Grätzl-Werk-Stadt-Schreiberin Stephanie Rank

Ein Gespräch über andere Kulturen, die ihren Platz in Wien gefunden haben und die Stadt bunter und diverser machen.

Liebe Julia, du hast die Zeit, in der Corona den Tourismus nachhaltig verändert genützt, um Wien als Erlebnisort für eine Weltreise auszuarbeiten. Wenn reisen derzeit nur schwer oder mit Einschränkungen möglich ist, dann sollen wir zumindest die Möglichkeit haben, zu entdecken, dass Wien eigentlich ein Mikrokosmos ist, in dem sich die unterschiedlichsten Kulturen und Länder begegnen oder eben auch nicht. Womit bist du gestartet?

Die ersten Länder und Kulturkreise, die ich hier in Wien ausgearbeitet habe, sind Indien und Kamerun. China und Südamerika sind im Entstehen.

Du bist mit deinen Weltreisen ganz bewusst tief in die jeweiligen Kulturen eingetaucht und hast Wege gefunden, diese sichtbar zu machen, auch wenn sie den Wiener:innen im Alltag oftmals verborgen sind. Was sind deine Eindrücke und Erkenntnisse, die du gewonnen hast?

Das Offensichtlichste ist, dass wir in Wien so gut wie keine Bereiche haben, wo ganz klar ersichtlich ist, hier bist du nun in Chinatown oder hier beginnt Little India. Daher gibt es auch keine so sichtbaren Grätzl, wie wir sie als Wiener:innen in unserem Alltag erleben. Vieles ist einfach über Wien verstreut, findet sich an dieser und jener Ecke. Für mich ist es somit nicht das klassische Grätzl, wie wir es kennen.

Vieles läuft auch über Kulturvereine, wo sich Menschen begegnen und austauschen. Aber auch hier ist es so wie überall, wo Menschen zusammenkommen, es menschelt einfach, und wie offen sie sich nach außen geben, ist auch hier ganz unterschiedlich. Umgekehrt machen es viele Wienerinnen und Wiener den Menschen gar nicht so leicht, sich hier in Wien wirklich willkommen zu fühlen

Es gibt oft nicht »die eine« Community, sondern auch diese sind sehr heterogen. Vieles hängt auch davon ab, aus welchen Gründen die Menschen nach Wien gekommen sind, ob sie nun Kontakt zu anderen aus ihrer alten Heimat suchen oder nicht.

Was ich oft erlebe, ist, dass sich die Communities sehr niederschwellig und sehr informell organisieren und treffen, sich vor allem bei Schönwetter im Freien versammeln, gemeinsam Feste feiern.

Oftmals ist es auch gar nicht so leicht, tiefer in die Communities einzutauchen. Offener und leichter zugänglich sind dann meist die Menschen, die sich selbst als Kulturvermittler:innen sehen wie Künstler:innen, Selbständige oder Menschen, die ein Geschäft haben. Für die Lebendigkeit und Intensität einer Community hängt meiner Erfahrung nach auch sehr viel davon ab, welche Generationen hier involviert sind.

Manches ist auch schlichtweg nicht sichtbar für uns, sondern wird uns erst erschlossen, wenn wir ganz bewusst danach suchen.

Kannst du uns dazu ein Beispiel geben?

Oftmals haben landestypische Einrichtungen, zum Beispiel ein indischer Tempel, hier in Wien ein gänzlich anderes Erscheinungsbild und befinden sich etwa in einem Keller von einem Wohnhaus. Das hat mit einem indischen Tempel, so wie er in Indien gelebt wird, optisch sehr wenig zu tun. Inhaltlich ist es durchwegs dasselbe.

In welcher Weise trennt uns auch die Sprache?

Vieles bleibt uns Wiener:innen, solange wir die Sprache des anderen Landes nicht sprechen, einfach verborgen. Denn wenn in einem Lokal oder Geschäft weitere Informationen oder Angebote eben nur in der anderen Sprache kommuniziert werden, dann erscheint es für uns wirklich, wie eine Geheimsprache und wir wissen gar nicht, was es hier alles noch gibt.

Dein Fazit zum Schluss …

Wenn du offen, mit Neugier und Interesse durch Wien gehst, wirst du eine bunte kulturelle Vielfalt vorfinden und feststellen, dass du erst gar nicht in die weite Welt hinaus musst, um eine Weltreise zu unternehmen.

Wienerinnen und Wiener, die mit offenen Augen durch die Stadt gehen, und sich vor Fremdem und Neuem nicht fürchten, die kennen auch die Menschen in ihrem Grätzl und entdecken auch immer wieder Neues. Ein Ort, wo sich in Wien ganz viele Menschen aus allen Teilen der Welt treffen, so wie ich das erlebt habe, ist der Prosi Supermarkt. Einfach, weil es dort Produkte in einer Vielfalt gibt, die du sonst in Wien kaum bis gar nicht findest.