Soziales und wirtschaftliches Handeln unter einen Hut zu bringen, genau dafür macht sich ein sozialökonomischer Betrieb stark.

Stephanie Rank besucht die RadSTATION am Wiener Hauptbahnhof. Mit dabei sind Vizekanzler Werner Kogler, Judith Pühringer und Peter Kraus, die Landesprecher:innen der Grünen Wien. Ein Erfahrungsbericht:

Im Grätzl rund um den Wiener Hauptbahnhof dreht sich alles um Mobilität: Reisende und Pendler:innen, die mit Zügen ankommen oder wegfahren, Wienerinnen und Wiener, die hier am Verkehrsknotenpunkt umsteigen, Wien-Besucher:innen, die in einem der zahlreichen Hotels wohnen und von hier aus die Stadt erkunden: Für sie alle ist der Hauptbahnhof mit seiner Infrastruktur ein zentraler Verkehrsknotenpunkt, der ganz an ihre Bedürfnisse angeglichen ist.

So passt es sehr gut, dass genau hier auch die Radstation ihren Standort hat. Wie der Name schon verrät, dreht sich alles um das Fahrrad in all seinen Formen.

Die Radstation ist ein sozialökonomischer Betrieb, der unter anderem vom Arbeitsmarktservice (AMS) gefördert wird. Sie selbst beschreibt sich so: »Unser sozialer Auftrag ist es, arbeitsuchende Menschen, die aus verschiedensten Gründen schon lange arbeitslos sind, zeitlich befristet anzustellen, qualifiziert auszubilden, sozialpädagogisch zu betreuen und bei der Jobsuche aktiv zu unterstützen.«

Alles rund ums Rad

©moser trendwerk

Bei unserer Ankunft werden wir von der überaus engagierten Leiterin Lena Pieber begrüßt, die uns anschließend durch den Betrieb führt. Und je mehr ich über den Betrieb erfahre, desto begeisterter und faszinierter bin ich von deren Leistungskatalog.

Das Angebot der Radstation ist vielfältig und umfasst den Verleih von City-, E-Bikes, Falt-, Lasten- und auch Kinderräder und das stunden-, tage- oder wochenweise. Für Wien-Besucher:innen gibt es Radkarten, Infos über Sehenswürdigkeiten oder Ladestationen vor Ort, Rundumservice für das eigene Rad, ein Spezialservice für Pendler:innen – in der Früh das Rad parken und bis am Abend reparieren lassen – eine Fahrradgarage, einen Shop und einiges mehr.

Für Unternehmen und vor allem auch Hotels gibt es zahlreiche Kooperationsmodelle. Somit sorgt die Radstation auch dafür, dass Wien-Besucher:innen und Menschen in Wien die Stadt noch einfacher und bequemer mit dem Rad erkunden können.

Die Menschen hinter der RadSTATION

©martin dam

Das ist die eine Seite der Radstation: die Seite, die die meisten nach außen wahrnehmen. Doch worum es hier vor allem auch geht, sind die Menschen, die diese Angebote erst möglich machen. Wie schon erwähnt, sind die Mitarbeitenden Transitarbeitskräfte. Das heißt, sie werden über das AMS vermittelt, um dann für den Ersten Arbeitsmarkt ausgebildet zu werden. Mehr als 100 Menschen werden hier jedes Jahr ausgebildet. Teilweise sind sie nur kurz in der Radstation, teilweise auch mehrere Monate, bevor sie dann wieder in den regulären Arbeitsmarkt integriert werden. Doch das muss nicht nur im Fahrradbereich sein. Die Kompatibilität reicht von allgemeiner Büroarbeit, Lagerbetreuung, Sporthandel bis hin zu Reparaturen im Orthopädiebereich. Frau Pieber erzählt uns diese Erfolgsgeschichten und ich bin erstaunt, wie vielfältig die Bereiche sind, in denen die Mitarbeiter:innen später tätig werden.

Anfangs haben traditionelle Sportartikelhändler:innen die Radstation noch als Konkurrenz gesehen, machen sie doch das, was auch der Fachhandel anbietet. Doch das hat sich schon längst hin zu einem Servicegedanken verwandelt, da hier dringend benötigte Arbeitskräfte fundiert ausgebildet werden: eine Win-win-Situation.

Die Nachfrage nach den angebotenen Arbeitsplätzen ist groß, derzeit gibt es eine Warteliste von rund 30 Personen, die beginnen wollen.

Es gibt auch Herausforderungen, die vor allem im strukturellen Bereich liegen. Denn an Ideen und Arbeit mangelt es nicht. Doch dafür ist auch klar eine Standorterweiterung nötig. Gespräche zu weiteren Standorten sind bisher nicht erfolgreich gewesen. Für die jeweiligen Grätzl wäre es auf jeden Fall ein Zugewinn. Wenn man der Leiterin zuhört, welche Möglichkeiten sie für die Bewohner:innen und Unternehmer:innen sieht, dann glaubt man ihr das sofort. Ob das nun ein einfacher Zugang zu Leihrädern ist, das Fahrradservice ums Eck, die Kooperation mit umliegenden Beherbergungsbetrieben und Unternehmen, neue Arbeitsplätze oder einfach ein Ort, der Bewusstsein schafft für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und eine sozioökonomische Wirtschaft. Die Radstation kann das, ganz nach ihrem Motto: Wir bewegen, wir wirken.

Weiterer Handlungsbedarf

©martin dam

Was sie sich von der Politik und auch von den Unternehmen wünscht, fragte ich Frau Pieber. Wichtig wäre eine noch größere Bereitschaft von Unternehmen, ältere/diverse Mitarbeiter:innen einzustellen. Von der Politik wünscht sie sich eine bessere langfristige Planbarkeit – derzeit läuft das Projekt, das es immerhin schon sieben Jahre gibt – immer nur in einer Jahresbetrachtung, da jedes Jahr neu ausgeschrieben wird. Und für Unternehmen braucht es attraktive Fördermodelle.

Nachdenklich fügt sie am Ende unseres Treffens noch hinzu, dass sie als Unternehmen große Bereiche wie Klimaschutz, soziale Nachhaltigkeit und Mobilität abdecken, also eindeutig ein zukunftsorientiertes Unternehmen sind. Doch dies wird nicht immer anerkannt.

So habe ich den Termin dann auch wieder verlassen. Nachdenklich, wo es noch deutlich Handlungsbedarf gibt. Beeindruckt, was hier geleistet und ermöglicht wird, und vor allem, dass Menschen wieder eine Perspektive geboten wird, die sie oftmals lange nicht hatten.

 

Stephanie Rank