Eine einfache Lösung für ein einfaches Problem: Kindersachenflohmarkt
Der Wert der Ressourcen, die in unserer Kleidung stecken
Stoffe, Leder, Knöpfe und Co. waren lange Zeit sehr wertvolle Ressourcen und wurden sorgfältig gepflegt und mehrmals wiedergetragen. Die Wegwerfgesellschaft der letzten Jahrzehnte und die Verlagerung der Kleiderproduktion nach Asien haben nicht nur die Beschaffung von Kleidung und Schuhen, sondern auch den Umgang mit ihnen verändert. Kleidung und Schuhe sind zum billigen Wegwerfprodukt verkommen. Werden günstig gekauft, kurz getragen und dann entsorgt. Und das geht ins Geld, auch wenn ein schickes Teil nur 4,99 Euro kostet.
Der Kleidungs- und Schuhbedarf ist vor allem bei Kindern hoch, weil diese bekanntlich im Wachstum sind. Zweimal im Jahr sortiere ich Kleidung und Schuhe meiner Kinder aus, weil sie zu klein geworden sind. Und mach mich dann auf die Suche nach den richtigen Größen. Da kann ich dann entweder durch die Bobo-Läden streifen und ein bis zwei Stücke einpacken oder ums selbe Geld zu H&M gehen und 12 Stücke mitnehmen: Ersteres ist einfach zu teuer und zweiteres sehr unbefriedigend, weil von den 12 Stücken mindestens 9 nach kurzer Zeit Löcher haben. Die Qualität der Billigkleidung ist Schrott. Und das obwohl soviel wertvolle Ressourcen drinnen stecken: Stoffe, Leder, Knöpfe und Co. Und gaaaanz viel Wasser. Wasser ist übrigens eine endliche Ressource. Auch wenn wir das in Österreich oft vergessen: In Bangladesch gibt es keine Hochquellleitungen.
Gemeinsam statt einsam vor dem Kleiderberg
Zweimal im Jahr habe ich also zu klein gewordenes Gewand zu vergeben und bin gleichzeitig auf der Suche nach passenden Sachen für meine Kinder. Und wie so oft im Leben bin ich mit diesem Problem nicht allein. ALLE Eltern kleiner Kinder stellen meist im April fest, dass das Frühlings- und Sommergewand vom Vorjahr nicht mehr passt und dann kollektiv wieder im September, dass Herbstschuhe und Winterjacken neu angeschafft werden müssen. Und wenn ich neu schreibe, meine ich nicht neu produziert. Ich meine neu besorgt. Da sitzen also gleichzeitig in jedem Dorf, jedem Grätzl und jeder Nachbarschaft Eltern alleine vor Kleiderkisten, die sie gerne umtauschen täten: eine Nummer größer und andere Saison. Und das Trauerspiel wiederholt sich zweimal im Jahr so 10 bis 14 Jahre lang (dann hören die Kinder entweder auf zu wachsen oder werden bockig und wollen sich ihr Gewand selber aussuchen).
Für jedes einfache Problem gibt es eine einfache Lösung und die ist immer richtig!
Gott sei Dank ist das kein komplexes Problem, sondern ein einfaches. Komplexe Probleme, für die es keine einfachen Lösungen gibt, haben wir eh schon genug. Auch in Zusammenhang mit unserem Textilkonsum: Die Abholzung der Regenwälder, die Trinkwasser- und Ressourcenknappheit, die Müllproblematik, die Plastikverschmutzung, die Ausbeutung von Arbeitskraft, die Nichteinhaltung von Umweltstandards, die Einleitung von Giften in die Flüsse und viele mehr. Dafür gibt es keine einfachen Lösungen, sondern mehrdimensionale Lösungsmatrizen.
Das Bedürfnis nach Gummistiefeln in passender Größe für meinen 4-jährigen kann hingegen ganz einfach gelöst werden. Und zwar indem sich alle Eltern, statt allein zuhause vor ihren Kleiderkisten zu sitzen, zweimal im Jahr zum Grätzl-Kindersachenflohmarkt treffen. An einem zentralen Ort inmitten der Nachbarschaft. Sowas von Win-Win.
Im Grätzl kommen die Leute zusammen und es wird getauscht
Das ist dann auch gleich eine gute Gelegenheit, mit den Nachbar:innen ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen über Kinder, Kegel und den gemeinsamen Lebensraum. Denn leider ist es in Wien nicht so, dass wir Bewohner:innen uns auf den Plätzen und Straßen regelmäßig treffen und dass konsumfreie Zonen in den Grätzln zum Zusammenkommen und Verweilen einladen. Asphalt und Parkplätze bestimmen nach wie vor das Straßenbild. Die Organisation eines Grätzl-Flohmarkts ist eine Gelegenheit, den öffentlichen Raum für eine gewisse Zeitspanne im Sinne der Menschen und Familien, die hier leben, zu nutzen.
Die Organisation ist eigentlich gar nicht schwer. Die Veranstaltung muss angemeldet und beworben werden. Standler:innen finden sich in der Nachbarschaft meist genug. Wichtig ist, dass der Flohmarkt zweimal im Jahr stattfindet, wegen den saisonalen Rahmenbedingungen. Sofern das halt organisatorisch machbar ist. Dann kann man sich dort komplett fürs ganze Jahr eindecken. Und es gibt auch eine kritische Maße für die Größe des Grätzlflohmarkts. Ab 20 Ständen wird es interessant, weil dann die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass alle Größen vorhanden sind und das Gesuchte auch gefunden wird. 30–40 Stände sind optimal. Mehr ist auch gut, aber wird dann schon bald mal unübersichtlich. Bei der Organisation ist darauf zu achten, dass wirklich die Menschen aus der Nachbarschaft und Familien zusammenkommen und ihre Sachen tauschen können und nicht vorwiegend professionelle Flohmarkthändler:innen. Weil nur so können auch die eigenen Kleiderkisten unter das Volk gebracht werden.
In Untermeidling haben wir im September 2022 schon das vierte Jahr in Folge einen Kindersachenflohmarkt der grünen Meidling im Grätzl organisiert. Und ich habe jetzt Gummistiefel in Größe 27, drei neue Hosen, eine Stoffhaube und eine Winterjacke für meinen Jüngsten und das zu Preisen, die mit den Lohndumping-Preisen in Bangladesch ganz gut mithalten können. Kann dieser Winter also kommen, weil alles andere für die Saison haben die Cousins und Cousinen uns schon vorbeigebracht. Bilanz heuer: 0% Neuemissionen, 0% Ressourcen, 37 € Ausgaben. Check!
Facts and Figures
Schätzungen zufolge verursacht die Modebranche zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, das sind mehr als die internationale Luftfahrt und die Seeschifffahrt zusammen! Europäer:innen kaufen jährlich etwa 25 Kilo Textilien (pro Kopf!) und 11 Kilo entsorgen sie gleich jährlich wieder. Mehr als 90 Prozent unserer Kleidung stammen mittlerweile aus Asien. Textilarbeiterinnen produzieren etwa 250 T-Shirts pro Stunde und verdienen damit ca. 40 Euro im Monat. Es wird geschätzt, dass 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung durch die Färbung und Veredelung von Textilien entstehen. Die Textilproduktion ist generell gekennzeichnet durch sehr hohen Stromverbrauch, starke Umweltverschmutzung und sehr niedrige Sozial- und Umweltstandards und dabei hat das durchschnittliche Baumwoll-Shirt auch noch einen Wasser-Fußabdruck von 2.700 Litern. (Quellen: www.greenpeace.de, https://www.global2000.at/baumwolle, https://recyclingportal.eu/Archive/62139)
Also: Worauf noch warten? Informiert eure Nachbar:innen, gebt in den nahegelegenen Schulen und Kindergärten Bescheid und startet euren eigenen Grätzl-Kindersachenflohmarkt! Ihr werdet es lieben!
Maria Lackner, zweifache Mutter und Flohmarktliebhaberin, Bezirksrätin in Wien Meidling, Mitglied im Leitungsteam der grünen Wirtschaft Wien. www.marialackner.com
Tipps für die nächsten Kindersachen-Flohmärkte:
Kinderflohmärkte in den Wiener Einkaufsstrassen
2x im Jahr – Teil des großen Flaniermarktes in der Neubaugasse
Ganz dem Konzept des Flaniermarktes entsprechend wollen auch die Kaufleute der Neubaugasse schon den Kleinsten Kund:innen „Lust aufs Entdecken von alten Schätzen“ machen. Dem entsprechend ist der Kinderflohmarkt in der Richtergasse zweimal im Jahr ein fixer Bestandteil des Flaniermarktes.
Nachhaltig denken und handeln will früh gelernt werden und daher bieten die Kaufleute am Neubau den Kindern die passende Bühne für ihre ersten Erfahrungen im Verkauf. Hier dürfen nämlich nur die Kids bis zum vollendeten 12 Lebensjahr selbst verkaufen. Im Vordergrund steht der Verkauf der eigenen Spielsachen, Bücher u.v.m. Anmeldung ist keine nötig, aber es zahlt sich aus früh zu kommen, da die Plätze immer recht rasch belegt sind. Das Konzept ist ganz einfach, die Kids bringen eine Decke mit und diese ist auch zugleich ihr Verkaufsstand. Man kommt und geht wie mach selbst möchte.
Termin ist immer an den Veranstaltungstagen des Flaniermarktes in der Neubaugasse: Freitag, von 13 bis 19 Uhr, und Samstag, von 9 bis 19 Uhr. Die nächsten Termine sind der 5.+6. Mai 2023 sowie der 29.+30. September 2023.
Details: https://www.neubaugasse.at/markt/
Kinderflohmarkt von Kindern für Kinder in der Obkirchergasse
Ein ganz besonderer Kinderflohmarkt findet seit vielen Jahren im Rahmen des Obkirchergassen Flohmarktes statt. Zweimal im Jahr bekommen Kinder (Altersgrenze 12 Jahre) die Möglichkeit, einen kostenlosen Verkaufsplatz am Kinderflohmarkt zu betreiben. Es läuft völlig unbürokratisch und die Plätze werden ohne Anmeldung direkt am Flohmarkttag bereits ab 7 Uhr in der Früh in der Arbesbachgasse vergeben.
Um eine klare Regelung für alle zu kommunizieren können hier nur Spielwaren verkauft werden. Jedes Kind bekommt ca. einen Quadratmeter Platz, eine selbst mitgebrachte Decke dient als Verkaufsfläche. Die Termine für 2023 sind der 22.04. und der 16.09. jeweils ab 7 Uhr!