TEIL 3 – Der Biohamster: Ein gutes Beispiel für mehr Sein als Schein
Heute gibt es Milch und Gebäck zur Abholung, erzählt mir Florian, ein Mitglied des Bio-Hamster. An anderen Tagen werden andere Nahrungsmittel geliefert – es funktioniert ganz anders als im normalen Lebensmittelhandel, so scheint es.
Es scheint aber nicht nur so zu sein: Ein gutes Beispiel für mehr Sein als Schein ist der Bio-Hamster allemal. Auch wenn das Lokal derzeit nicht allzu einladend aussieht. Die Betreiber:innen geben nun einmal mehr Geld für das Sein aus, also für die Versorgung ihrer Mitglieder mit erstklassigen Nahrungsmitteln und noch mehr.
Genau genommen ist der Verein eine Einkaufsgemeinschaft, die aus dem gemeinsamen Wunsch nach einer anderen Nahrungsversorgung entstanden ist. Anders als das, was die herkömmlichen Supermärkte, was der Handel anbietet.
Anders bedeutet wirklich anders, jenseits von Greenwashing und den Erdbeeren, die aus Chile geliefert werden, nur halt bio.
Der Anspruch des BioHamster ist hoch.
Folgende Eckpunkte umfasst etwa die Anforderungsliste, aus der dann die Liste der Lieferbetriebe entstanden ist:
- Direkt
- Regional
- Bio
- Kleine Lieferant:innen
- Und nicht zuletzt eine persönliche Beziehung zu ebendiesen.
Vor allem der letzte Punkt ist einer, den sich auch die Lebensmittelindustrie mitsamt ihrer Marketingmaschine gerne auf ihre Fahnen heften möchte, an dem sie aber aufgrund ihrer Struktur mehr als kläglich scheitert.
Und doch macht genau das den Unterschied, was wir uns genauer ansehen müssen.
Voraussetzung ist komplette Eigenständigkeit aller Beteiligten.
Die Mitglieder des Vereins müssen eigenständig sein, um überhaupt beitreten zu können. Das klingt auf den ersten Blick banal, entscheidet aber über das Gelingen und Scheitern solcher Vereine, deren es in Wien derzeit 34 gibt.
Gemeint ist eigenständiges Denken und Handeln. Wer sich nicht mit dem Thema Ernährung auseinandersetzt, kommt gar nicht auf die Idee eine FoodCoop zu suchen. Sie entstehen ja nur, wenn genügend Menschen eine gemeinsame Initialzündung setzen und dann auch noch den Willen haben, diese auch gegen Widerstände durchzusetzen. Das bedeutet Arbeit, und zwar ehrenamtlich und über längere Zeit.
Es ist ein Komfortverzicht zugunsten der eigenen Gesundheit und noch mehr. Beides zusammen, also der hohe Aufwand plus der Komfortverzicht muss von einer gewissen Mindestanzahl an Menschen geleistet werden. Und sie müssen auch noch bereit sein mehr Geld als im Diskonter zu bezahlen – wobei hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Neben Wille und Idee gilt es auch noch die passenden Lieferant:innen zu finden und genügend Menschen für das System zu begeistern.
Hilfe kommt durch die IG FoodCoops (https://foodcoops.at/ig), die eine Basisstruktur anbietet, speziell mit folgenden Punkten:
- Gründungsberatung für neue FoodCoops
- Betrieb eines gemeinsamen Forums für alle österreichischen FoodCoops
- Hosting der Foodsoft für Mitglieder
- Hosting von WordPress-Seiten für Mitglieder
Das erleichtert die Administration. Trotzdem bleibt noch genügend Arbeit übrig. Beim BioHamster teilen sich die Mitglieder die Arbeit, denn es gibt eine Vereinbarung, dass alle Aufgaben übernehmen. Sie bestehen in der Entgegennahme der Bestellungen, im Besuch der Lieferbetriebe, der Logistik und noch einigen Tätigkeiten mehr. Manche Mitglieder sind hier engagierter, andere weniger.
Das klingt auf den ersten Blick recht einfach, aber die Gründungsgeschichte zeigt, dass es sich lohnt, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Die erste Initiative gab es schon vor acht Jahren, da hat es aber nicht funktioniert und vor allem Frust hinterlassen. Vor drei Jahren gab es dann einen Neustart, der dann auf Anhieb funktionierte. Die Gründer:innen führen das auf einen anderen Zeitgeist zurück, den es inzwischen gibt. Man hat einfach einen Flyer gedruckt und zur Gründungsveranstaltung sind über 30 Interessierte gekommen. Viele sind gleich, einige etwas später eingestiegen und schon hat es funktioniert, auch wenn man zu Beginn viele Erfahrungen sammeln musste. Die Statutenerarbeitung und die damit verbundene Wertediskussion waren zwar nicht einfach, aber den Mitgliedern ein Bedürfnis. Das hatte zur Folge, dass sich auch alle intensiv einbrachten.
Where the magic happens.
Wie so oft spielt es auch eine große Rolle, ob man eine geeignete Örtlichkeit findet. Der BioHamster hatte Glück, das Lokal auf der Lainzer Straße war um einen fairen Preis zu haben, die Renovierung konnte man in gemeinsamer Arbeit selbst erledigen und die Ausstattung wurde entweder gespendet, gebraucht gekauft oder günstig neu angeschafft, wie etwa die beiden Industriekühlschränke.
Die etwas traurige Optik ist erstens dem Winter geschuldet, zweitens der eingangs erwähnten Philosophie, dass man die vorhandenen Mittel möglichst sparsam im Sinne der Mitglieder einsetzt und drittens dem Faktor, dass man sich darum einfach noch nicht kümmern konnte.
Das Lokal kostet derzeit inklusive der Nebenkosten 1.200 Euro, der Mitgliedsbeitrag beträgt 15 bis 25 Euro pro Monat.
Aber es geht ja weiter, die FoodCoop wächst an Mitgliedern und Lieferbetrieben (derzeit 41), wobei das Wachstum hier nicht nur quantitativ gemeint ist: Die sorgfältige Auswahl der Betriebe und auch der immer wieder vorkommendem Wechsel unter diesen zählen wir als qualitative Anpassung, ebenso die sich ständig verändernde Logistik. Man probiert aus, verwirft wieder, organisiert neu und lernt ständig dazu.
Dieses Lernen geschieht auch durch den Austausch mit anderen FoodCoops, bei denen man sich erkundigt, wie sie bestimmte Abläufe organisieren, mit denen man aber auch die Lieferbetriebe kennenlernt („Wo bekommts ihr die Schwammerln her?“).
Wissen, woher.
Kommen wir noch einmal zum Herzstück des BioHamster zurück, der besonderen Beziehung zu den Lieferant:innen. Das sind meist Direktvermarkter:innen, also landwirtschaftliche Kleinbetriebe, die davon profitieren, dass ihnen die Ware ohne teuren Zwischenhandel bzw. Großhandel abgenommen wird. Dadurch bleibt ihnen mehr.
Das ist aber nicht bei allen Waren so. Manche Bauern wollen einen Zwischenhandel, der ihnen einiges an Logistik und Arbeit abnimmt, speziell auch den Transport.
Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass viele dieser Betriebe nur durch FoodCoops nicht überleben könnten. Sie brauchen meist verschiedene Vermarktungsmöglichkeiten.
Sehen wir uns ein Beispiel an. Der BioHamster bekommt den Tofu aus dem Waldviertel von einer jungen Bäuerin. Mit der hat man eine gute Beziehung aufgebaut und kennt dadurch nicht nur sie, sondern auch ihre Ware. Das ermöglicht es, den Mitgliedern erstklassige Qualität anzubieten, die sich letztlich aber auch im Preis niederschlägt.
Es ist ein Geben und Nehmen, denn für den höheren Preis bekommt man nicht nur eine bessere Warenqualität, sondern einen zusätzlichen Mehrwert, der aus mehreren Faktoren besteht:
- Die Bäuerin kann leben und ihren Betrieb weiterführen.
- Sie kann aber auch hin und wieder Neues ausprobieren, weil sie durch ihr Einkommen ein wenig Spielraum hat.
- Das wiederum ermöglicht die Entwicklung neuer Produkte, die noch besser auf die Bedürfnisse der Kundschaft abgestimmt sind.
- Das wiederum stärkt die Motivation der FoodCoop, weiter eine dauerhafte und stabile Beziehung aufrecht zu erhalten.
- Daraus ergeben sich für alle Teile langfristige Perspektiven, die eine gute Planung für beide Seiten ermöglichen.
- Die Stabilität von Qualität und Liefermöglichkeiten gibt allen Beteiligten ein gutes Gefühl.
Gute Beziehung und Kooperation gehen aber noch weit darüber hinaus, weil man voneinander lernen kann. Man hat z.B. mit einem Lieferanten eine lange und intensive Diskussion über die Plastikverpackung geführt. Das Ergebnis war eine neue Lösung, die bisher noch niemand angedacht hatte.
Das führt auch dazu, dass die Bauern hin und wieder auf die Profitmaximierung verzichten und wegen fünfzig Euro Umsatz auch schon mal nach Wien fahren und wieder zurück. Das können sie natürlich nicht oft machen, aber in speziellen Fällen geht dann etwas, das ohne die Beziehung nicht möglich wäre.
Das hilft auch bei Reklamationen, die im gegenseitigen Verständnis abgewickelt werden und somit selten bis nie zum Problem werden.
Verpackungskünste.
Verpackung ist generell ein wichtiges Thema. Der Kaffee z.B. wird in großen Metallgebinden geliefert und dann frisch portioniert. Der Röster hat dem BioHamster auch eine professionelle Mahlmaschine zur Verfügung gestellt. Das einzige Problem, das manchmal auftaucht, entbehrt nicht einer gewissen Skurillität: Der Kaffee wird so frisch nach der Röstung geliefert, dass er erst ein wenig lagern muss, um nicht zu frisch zu sein, was den Geschmack beeinträchtigen würde.
Ein besonderes Merkmal des BioHamster ist der besonders hohe Qualitätsanspruch. Statt Fair Trade wird Fairest Trade verlangt, die Milch kommt aus Melk von Mutterkühen und die Mitglieder veranstalten regelmäßige Reisen zu ihren Lieferbetrieben, um dort selbst zu überprüfen wie die Nahrungsmittel erzeugt werden.
Besonders viel Wert wird auf Frische gelegt, Fische werden z. B. erst nach der Bestellung gefangen und können so ausgesprochen frisch zum BioHamster geliefert werden.
Teuer, aber gut?
Ein wichtiger Punkt ist und bleibt natürlich der Preis. Die Qualität kann noch so hoch sein, irgendwo sind Preisschranken, die von den Mitgliedern als unterschiedlich hoch eingestuft werden. Daraus ergibt sich die Frage, ob man zwei Schienen fährt, eine teurere und eine billigere. Derzeit verzichtet der Bio Hamster noch auf eine billigere Schiene, weil dadurch nicht nur das Konzept verwässert wird, sondern auch die interne Konkurrenz das ganze Projekt in eine Schieflage bringen könnte.
Es gibt schon hin und wieder Mitglieder, die letztlich aus Preisgründen doch nicht mitkönnen. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Preise nicht unbedingt immer hoch sind – erstens müssen wir zwischen teuer (wenig Wert für viel Geld) und hochpreisig (viel Wert für viel Geld) unterscheiden. Ein Beispiel kann das verdeutlichen: Eine Produzentin erzeugt hochwertige Gemüsecracker, die Packung kostet 5 Euro und enthält 70 Gramm Cracker. Das erscheint auf den ersten Blick teuer, es gibt aber Mitglieder, die darauf ganz wild sind, weil diese Cracker trotz Allergie und Unverträglichkeit gegessen werden können. Der Preis ist für diese Mitglieder überhaupt kein Problem.
Zudem sind die Produkte auch noch höchst unterschiedlich im Preis, einiges ist z. B. billiger als die gleichwertige Ware beim Bio-Supermarkt, etwa wenn hervorragende Erdäpfel gerade mal 1,50 Euro pro Kilo kosten.
Der Preis richtet sich natürlich stark nach den Herstellungskosten, die höchst unterschiedlich sind, je nach Aufwand. Die Produkte sind sehr oft in Handarbeit hergestellt und das kostet natürlich mehr als rein maschinell erzeugte Produkte.
Neben dem Preis ist auch die Logistik ein wichtiges Thema. Die Lieferant:innen können nicht immer alle Waren in gleicher Qualität zur gleichen Zeit liefern. Und wird nicht alles in Wunschzeit geliefert. Die Mitglieder müssen flexibler sein als sie das im Supermarkt sein können. Dafür gibt es immer wieder spezielle Waren, die das Sortiment interessanter machen – letztes Jahr waren es z. B. Christbäume.
Gemeinsam schupfen!
Ein wichtiges Thema ist die Mitgliedergewinnung. Derzeit hat man zwar genug Mitglieder, um die Fixkosten decken zu können, das kann aber schnell zum Problem werden, wenn zwei oder drei austreten. Es muss also einiges getan werden, um neue zu gewinnen. Daher gibt es alle 14 Tage eine Info-Veranstaltung, bei der Interessent:innen das System kennenlernen – manchmal online, manchmal in Präsenz.
Es ist aber allen klar, dass das Marketing noch verbesserungswürdig ist, etwa der Außenauftritt des Lokals. Innen ist es bereits sehr nett – funktionell, aber mit Liebe zum Detail.
Das führt uns zu einem weiteren wichtigen Punkt: Wine FoodCoop ist auch ein Sozialprojekt. Einmal pro Monat ist Plenum, wo die wichtigen Dinge besprochen werden, und zwar basisdemokratisch und mit einem konsensorientierten Modell.
Über den Verein lernen sich Menschen kennen, die dann mit der Zeit ein kleines Netzwerk aufbauen, das manchmal mit einem Elternverein einer Schule vergleichbar ist: Man hilft einander, nützt die unterschiedlichen Fähigkeiten, die die einzelne Mitglieder mitbringen und profitiert somit mehrfach von der Einkaufsgemeinschaft. Manchmal werden etwa freie Regale genützt, um anderen Mitgliedern etwas zu hinterlegen – und als Dank steht dann plötzlich eine Flasche Wein im Regal.
Eine der gerade angedachten Ideen wäre ein Bezirksplan, auf dem die Mitglieder eingezeichnet sind, und das ist sicher noch nicht die letzte Idee des aktiven Vereins.
Eine FoodCoop ist immer nur das, was ihre Mitglieder aus ihr machen. Daher ist auch jede anders. In Summe ergeben sie ein inzwischen recht großes und sehr aktives Netzwerk und eine spannende Alternative bzw. Ergänzung zur sonst eher langweiligen Landschaft der Nahrungsversorgung.