Wenn eine Frau von einer Pastinake träumt…
Grätzl-Werk-Stadt NO. 41: Eine Bio-Nahversorgerin ohne Winter-Erdbeeren, dafür mit Mittagstisch und Nachbarschaftsverknüpfung
Margit Ulm hat sich mit ihrer Greißlerei »Zur Goldenen Ameise« einen Lebenstraum erfüllt. So kommen Hernalser*innen in den Genuss eines liebevoll geführten Geschäftes mit toller, regionaler Bioware, ausgezeichnetem selbstgekochtem Mittagessen und einem herrlichen Kaffee. „Eine Bereicherung für unser Grätzel? Absolut!“ schwärmt unsere Grätzl-Werk-Stadt-Schreiberin Stephanie Rank. Denn die Greißlerei versorgt die Bewohner*innen nicht nur mit regionalen, vor allem österreichischen Produkten, sondern ist auch beliebter Treffpunkt zum Mittagessen, einen Kaffeeplausch oder ein gemütliches After-Work Gläschen. Stephanie ist längst Stammkundin geworden und hat daher Margit gebeten, ihr Genaueres über ihr Geschäft und ihr Konzept zu erzählen.
Liebe Margit, für das Grätzl hier bist du eine absolute Bereicherung. Dein täglich mit Liebe gekochtes Mittagessen, deine Ware, dein Geschäft als Treffpunkt und Vernetzung der Menschen, die hier leben und zu guter Letzt du selbst, als Herz der BioGreißlerei. Beschreibe uns kurz dein Konzept der BioGreißlerei »Zur Goldenen Ameise«. Was beschreibst du deinen Auftrag für das Grätzl?
Mit meiner kleinen Greißlerei habe ich mir zum Ziel gesetzt, möglichst regionale, biologische und fair gehandelte Produkte zu vertreiben. Ich suche mir vorwiegend kleine Produzenten aus der Nähe – soweit möglich – da es mir wichtig ist, dass sie einen fairen Preis bekommen.
Es gibt bei mir Sachen, die man nicht überall bekommt, eben weil es Produzenten und Produzentinnen sind, die nicht jeder kennt, die nicht in jedem Supermarkt ihre Sachen anbieten und daher eben ein bisschen aus der Reihe fallen. Es ist mir ein Anliegen, vor allem diese kleinbäuerlichen Strukturen zu fördern. Ich kenne auch viele Produzenten persönlich. Daran ist mir besonders gelegen, auch wenn das nicht immer möglich ist.
Im Großhandel ist es leider oft so, dass Preise sehr gedrückt werden und die kleinen Produzenten nicht mithalten können. Mit meinem Geschäft trage ich dazu bei, diesen Praktiken bewusst entgegenzusteuern. Vor allem auch, dass liebevoll produzierte und hochwertigen Lebensmittel aufgewertet werden. Im Grunde genommen ist es doch so, dass wir heute für Lebensmittel im Verhältnis viel weniger ausgeben, als noch vor 50 Jahren, bedingt vor allem durch die Massenproduktion. Wir als Konsumenten haben uns natürlich alle daran gewöhnt, dass heutzutage alles billig sein muss. In Wirklichkeit entspricht das aber bei Weitem nicht dem wahren Wert der Dinge, schon gar nicht für die Produzenten.
Wie bist Du auf die Idee gekommen, deine Greißlerei zu eröffnen? Andere Menschen denken mit 55 Jahren oft nur mehr an die Pension und du hast dich für einen kompletten Neuanfang entschieden.
Ich hatte schon viele Jahre den Wunsch, ein kleines Café oder ein kleines Geschäft zu eröffnen. Konkretisiert hat sich das Ganze dann durch meine Mitgliedschaft in der Foodcoop 1Korn, wo ich einige Jahre Mitglied war. Hier hatte ich unterschiedliche Aufgaben wie Gemüsebestellung, Ausgabe der Waren, Besuche bei Produzenten … Das alles hat mir sehr gefallen, und so entstand die Idee, eine Greißlerei, mit kleiner, feiner Gastronomie aufzumachen. Zu Mittag gibt es bei mir jeden Tag ein frisch gekochtes Tagesgericht, meist eine ausgiebige Suppe, von der es auch jeweils eine vegane, glutenfreie Variante gibt. Ich habe im hinteren Teil des Geschäfts einen Tisch, hier kommen die Leute zusammen. Auch wenn sie sich nicht kennen, sie kommen ins Reden und in den Austausch.
Warum hast Du Dich für diesen Standort entschieden? Für das Grätzel hier bist du eine absolute Bereicherung und auch ein wichtiger Impuls, dass Lebensmittelbeschaffung auch anders laufen kann.
Es war mir wichtig in der Nähe von meiner Wohnung ein Geschäft aufzumachen, also in meinem Wohngrätzl, um einen kurzen Weg zur Arbeit zu haben. Zumal es hier im Grätzl bisher nichts Vergleichbares gab.
Es hat sich dann auch ziemlich schnell ergeben, dass viele Menschen, die hier wohnen oder hier arbeiten, zu mir kommen.
Was bedeutet es für dich, nachhaltig zu arbeiten und zu wirtschaften?
Bei mir werden keine Lebensmittel weggeworfen und es gibt auch kaum Schwund. Ich verarbeite und verkoche alles, was verwertet werden muss, oder was übrig bleibt.
Dadurch, dass es bei mir nur saisonale Ware gibt, leiste ich mit meinem Geschäft auch einen Beitrag zu einer jahreszeitlichen Ernährung, da es bei mir nur das gibt, was gerade bei uns Saison hat. Du wirst bei mir im Winter keine frischen Erdbeeren finden.
Manchmal bekomme ich auch von Kunden den Überschuss an Früchten oder Gemüse, wenn in ihren Gärten zuviel wächst. Das wird dann auch verarbeitet.
Nachhaltigkeit bedeutet für mich auch, bei der Verpackung anzusetzen. Ich bemühe mich, Plastik zu vermeiden. Ich suche auch gezielt nach Produkten, die in Pfandgläsern und -flaschen erhältlich sind. Viele Kunden bringen aber schon ihre eignen Sachen und Geschirr mit, so sparen wir noch mehr Verpackung.
Du hast nun seit zwei Jahren dein Geschäft hier in Hernals, wenn du zurückdenkst, wie waren die ersten beiden Jahre für dich? Schwierigkeiten und auch Erfolge?
Gerade zu Beginn war die Unterstützung durch Förderungen sehr hilfreich. Ich hatte die Unterstützung vom AMS mit dem Unternehmensgründungsprogramm und von der Wirtschaftsagentur Wien mit der Nahversorgungsförderung. Wenn ich nun nach zwei Jahren zurückblicke, bin ich begeistert, wie schnell und gut mein Geschäft angenommen worden ist, viel mehr als ich mir zu Beginn gedacht habe.
Gefreut hat mich auch 2019 über die Auszeichnung durch das Wiener Bezirksblatt als freundlichstes Unternehmen in Hernals.
Wer sind deine Kunden?
Meine Kunden sind bunt gemischt, so wie das Grätzl hier in Hernals, auch alle Altersklassen. Menschen, die hier wohnen, Menschen, die hier arbeiten.
Es kommen auch viele ältere Menschen, die sich freuen, dass sie bei mir auch nur 1 Karotte, 1 Zwiebel und ein kleines Stück Brot kaufen können. Das ist auch etwas, das viele Jungfamilien sehr freut, die zu mir kommen. Vor kurzem war eine Frau bei mir, die einfach einmal nur eine Pastinake gebraucht hat, um zu testen, ob ihr kleiner Sohn das als Brei schon isst.
Zu guter Letzt wie bist Du auf den Namen gekommen »Zur Goldenen Ameise«? Emsig wie eine Ameise bist du ja auf jeden Fall.
Von dem Namen habe ich geträumt. Da habe ich schon gewusst, dass ich ein Geschäft aufmachen werde, es war aber noch nicht alles fixiert und da hatte ich diesen besagten Traum, dass mein Geschäft »Zur Goldenen Ameise« heißen wird. Dabei bin ich dann geblieben.
Wenn du nun Lust bekommen hast, Margit in ihrer BioGreißlerei »Zur Goldenen Ameise« zu besuchen, dann komm doch von Dienstag bis Freitag von 09:30–18:30 Uhr und Samstag von 09:00–13:00 Uhr in der Hernalser Hauptstraße 153, 1170 Wien vorbei.