»Zukunftsfähig Wirtschaften: Von der Linearwirtschaft zur Kreislaufwirtschaft«
Ein Beitrag aus unserer Blogreihe »Zukunftsfähig Wirtschaften«

Was ist lineare Wirtschaft überhaupt?
Linearwirtschaft ist das in unserer Gesellschaft vorherrschende Wirtschaftsmodell. Das Leben von Gütern verläuft dabei linear: Produkte werden produziert, gekauft, genutzt und schließlich weggeworfen oder recycelt. Linearwirtschaft steht für unsere »Wegwerfgesellschaft«, für übermäßigen Konsum und Kurzlebigkeit statt bewusstes Kaufverhalten, langwährende Güter und Nachhaltigkeit. Produzent:innen geht es meist darum, möglichst viel zu verkaufen – oft auf Kosten von Produktqualität und Umwelt. Der dabei entstehende Abfall wird außer acht gelassen.

Hier ein paar Zahlen:
Die Europäische Union produziert jährlich mehr als 2,5 Milliarden Tonnen Abfall. In Österreich fallen jährlich 900.000 Tonnen Plastikabfall an. Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes wird diese Zahl bis 2021 auf eine Million Tonnen ansteigen. Davon sind 300.000 Tonnen Verpackungsmaterial, einschließlich 45.000 Tonnen Getränkeverpackungen: Konkret sind das 1,6 Mrd. Plastikflaschen und 800 Mio. Dosen, die pro Jahr auf den Markt gebracht werden. Unter Berücksichtigung des projizierten Wachstums würden bis 2029 sogar rund 52.000 Tonnen Flaschen hergestellt werden. 2019: Eine halbe Tonne Hausmüll pro Kopf in der Europäischen Union, Tendenz steigend. Österreich lag mit 588 Kilogramm pro Person deutlich über dem Durchschnitt.*

Elektroschrott: 2019 sind 53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott zusammengekommen, was ein Wachstum von 21 Prozent innerhalb von fünf Jahren bedeute. Prognose: Im Jahr 2030 sind 74 Millionen Tonnen zu erwarten.**

Altkleider: Zwischen 2000 und 2015 hat sich die weltweite Textilproduktion verdoppelt. Jahr für Jahr werden mehr als hundert Milliarden Kleidungsstücke fabriziert und zu Niedrigpreisen verkauft. Schlechte Arbeitsbedingungen, Löhne unterhalb des Existenzminimums und ressourcenverschlingende Produktionsweisen durch den massiven Einsatz von Wasser, Chemikalien und Energie bringen zudem verheerende ökologische und soziale Folgen mit sich. Immer mehr Österreicher:innen sehen Kleider als Wegwerfprodukt. Schätzungsweise werden in Österreich etwa 13,4 kg/Kopf Alttextilien im Jahr verbraucht, darunter neue Kleidung, die gekauft und oft ungetragen wieder ausgemistet wird. Jährlich fallen in Österreich so mehr als 115 000 Tonnen Alttextilien an, wovon etwa 70.000 Tonnen in den Restmüll wandern.***

Und wie sieht es mit dem Recycling aus?
Recycling setzt am Ende des Lebenszyklus eines Produkts an. Statt Produkte länger zu verwenden, werden sie häufig vorschnell in einen Recyclingprozess eingegliedert. Das bedeutet: Gebrauchte Produkte werden in ihre Einzelteile zerlegt (sofern sie aus unterschiedlichen Bestandteilen bestehen). Brauchbare Materialien, die dadurch gewonnen werden, (beispielsweise Edelmetalle oder Glas) werden anschließend bearbeitet und zur Herstellung neuer Güter genutzt. Auf diese Weise gelangen Konsum-»Abfälle« wieder in den Produktionskreislauf.

Recycling ist allerdings nicht ausnahmslos nachhaltig, sondern bringt auch diverse Nachteile mit sich.

  • Da Recycling ein teurer und aufwändiger Prozess ist, werden viele Güter gar nicht (oder nur teilweise) recycelt, sondern landen auf Mülldeponien, darunter große Mengen Elektroschrott. Das heißt: Durch Recycling generieren wir, fast immer, fortlaufend auch Müll, statt diesen vollkommen zu vermeiden.
  • Oftmals haben die Materialien nach dem Recycling eine geringere Qualität und einen geringen Wert als zuvor.
  • Recyclingprozesse benötigen viel Energie und produzieren große Mengen CO2.
  • Häufig werden Produkte vorschnell recycelt, obwohl man sie noch hätte reparieren können.

Wenn wir weiterhin beständig recyclen (und nebenher fortlaufend Abfall produzieren), statt unsere gebrauchten Konsumgüter vollständig zurück in den Kreislauf zu geben, unterstützen wir dadurch die lineare Wirtschaft und ein ausuferndes Konsumverhalten. Wenn wir alles recyclen, gibt es schlichtweg keine Basis für eine Kreislaufwirtschaft. Selbstverständlich ist vernünftiges Recycling sehr viel besser als Produkte vollständig wegzuwerfen – für eine Kreislaufwirtschaft reicht Recycling alleine aber bei weitem nicht aus.

Warum Kreislaufwirtschaft?
Die Kreislaufwirtschaft ist ein Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Auf diese Weise wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert. In der Praxis bedeutet dies, dass Abfälle auf ein Minimum reduziert werden. Nachdem ein Produkt das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat, verbleiben die Ressourcen und Materialien so weit wie möglich in der Wirtschaft. Sie werden also immer wieder produktiv weiterverwendet, um weiterhin Wertschöpfung zu generieren.

Das Produktdesign in der Kreislaufwirtschaft achtet auf gute Qualität statt Masse. Produkte werden so konzipiert, dass sie gut repariert und gewartet werden können. Die Lebenszyklen der Produkte werden maximal verlängert und Güter werden erst dann ins Recycling gegeben, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Dies gilt für unsere gesamte Wirtschaft: Von Elektronik über Kleidung bis hin zu Autos. Viel besser als unseren Blick auf Recycling zu richten, wäre es also, wenn wir langfristig versuchen würden, ein vollständiges Umdenken zu erschaffen: Weg vom linearen und Müll-basierten Modell, hin zu zirkularen Modellen und Innovationen, die Abfälle so lange es geht vollständig vermeiden.****

Kreislauftwirtschaft bietet, im Vergleich zu linearen Prozessen, viele Vorteile und Chancen für Umwelt, Gesellschaft und Unternehmen.
Kreislaufwirtschaft generiert weniger CO2, weniger Müll und reduziert unseren Ressourcenverbrauch. Gegenwärtig ist die Produktion von Materialien, die Tag für Tag genutzt werden, für 45 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Ebenso könnten Unternehmen von einem Wandel zur Kreislaufwirtschaft profitieren. Sie ständen automatisch in engerem Kontakt zu ihren Kunden und Kundinnen und könnten Produkte zielgerichteter konzipieren. Durchdachte Reparatur- und Wartungsservices könnten zu zufriedeneren Kund:innen führen. Langfristig gesehen machen Unternehmen sich dadurch außerdem deutlich unabhängiger von der Beschaffenheit und Existenz von Rohmaterial/Primärressourcen, Lieferketten und externen Partner:innen. In einer Kreislaufwirtschaft profitieren Verbraucher von langlebigeren und innovativeren Produkten, die längerfristig gesehen zu Kosteneinsparungen und einer höheren Lebensqualität führen.

Wie wird der Prozess von einer Linear- zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft befördert?
Auf gesetzlicher Ebene gehen viele Rechtsvorschriften schon in Richtung Kreislaufwirtschaft. Im März 2020 legte die Europäische Kommission einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vor. Er enthält Vorschläge für eine nachhaltigere Produktgestaltung und zielt darauf ab, das Abfallaufkommen zu verringern und den Verbraucherschutz zu stärken, beispielsweise mithilfe eines echten »Rechts auf Reparatur«. Der Aktionsplan ist einer der wichtigsten Bausteine des europäischen Grünen Deals und Teil der neuen EU-Industriestrategie. Ebenfalls in diese Richtung geht das neue österreichische Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), das seit 28.4. zur Begutachtung vorliegt. An erster Stelle steht dabei die Abfallvermeidung. Die AWG-Novelle sieht auch eine erweiterte Herstellerverantwortung vor. Der Hersteller hat einen maßgeblichen Einfluss auf das Produkt und bringt es in Verkehr. Deshalb soll sich der Hersteller beim End-of-Life der Produkte auch um die Rücknahme und Entsorgung kümmern.*****

Weiters muss die Attraktivität von nachhaltigen Gütern erhöht werden. Solange Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung keine adäquaten Kostenfaktoren sind, entsteht für Unternehmen, die freiwillig nachhaltig wirtschaften, sehr oft ein massiver Wettbewerbsnachteil. Hier muss mit gesetzlichen Rahmenbedingungen, Förderungen, fiskalischen Anreizen und durch Bewusstseinsbildung bei Konsument:innen entgegengewirkt werden. Ein effektiver Ansatz wäre die Herstellung von Kostenwahrheit: Güter bekommen so ihren »wahren« Preis, indem die Kosten für die Nutzung bzw. Verschlechterung von derzeit kostenlosen, öffentlichen Gütern wie etwa saubere Luft oder Biodiversität in der Preisgestaltung eines Produkts berücksichtigt werden. Kreislauffähige Güter würden somit automatisch konkurrenzfähiger gegenüber ihren konventionellen Pendants.******

Und schlussendlich wird es zu einer Änderung unseres individuellen Lebensstils und unseres Konsumverhaltens kommen müssen. Mehr Muße und weniger Aktivitäten, die viel Ressourcen benötigen. »Nie ist zu wenig, was genügt.« (Seneca)

Helene Zand, im Juni 2021

Links:

*https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20180328STO00751/abfallwirtschaft-in-der-eu-zahlen-und-fakten
**https://www.abfallserviceonline.at/de/news/abfallentsorgung-wohin-mit-elektroschrott.html
***https://greenpeace.at/assets/uploads/publications/presse/1906_FactSheet_Umfrage_Kleiderkonsum.pdf
****https://blog.rebuy.de/nachhaltigkeit/kreislaufwirtschaft/
*****https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_420
******https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/priorities/klimawandel/20200618STO81513/green-deal-schlussel-zu-einer-klimaneutralen-und-nachhaltigen-eu