Am 29.4.2019 tagt das Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer Salzburg. Wir fordern, dass die Wirtschaftskammer

  • in ihrem Wirkungsbereich Maßnahmen formuliert und umsetzt, die den Einsatz von Einwegplastik reduziert, sowie Sensibilisierungsmaßnahmen zur Reduktion von Einwegplastik setzen, etwa in Form einer Infokampagne oder einer Preisausschreibung für innovative Lösungen zur Reduktion von Einwegplastik und Mikroplastik.
  • in Übereinstimmung mit der Kreislauf-Agenda der EU-Kommission und den nationalen Reduktionszielen für Einwegverpackungen Maßnahmen formuliert, um diese Ziele zu erreichen. Diese sollen insbesondere das 10-Punkte-Paket der Österreichischen Kunststoffindustrie und die Stärkung von Mehrwegsystemen miteinbeziehen

Unsere Begründung lautet im Detail:

Plastik ist genial. Eine Welt ohne Plastik ist nicht mehr vorstellbar. Plastik ist ein leichter, praktischer und flexibel einsetzbarer Werkstoff, der aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Von Verpackungen über das Gesundheitswesen bis zum Wohnbau oder der Automobilbranche – Kunststoff lässt sich in allen Lebensbereichen nützlich einsetzen. Die andere Seite ist: Gerade weil Plastik so vielseitig und nützlich ist, ist es zu einem globalen Problem geworden ist. Auf der Welt wird heute zweihundert Mal so viel Plastik hergestellt wie in den Fünfzigerjahren. Damals waren es jährlich 1,5 Millionen Tonnen, heute sind es 330 Millionen Tonnen. In den nächsten 20 Jahren soll sich die Menge nochmals verdoppeln. Das wachsende Problem mit dem Plastik zeigt sich am Ende des Lebenszyklus, wie folgende Grafik veranschaulicht:

Zur größten Deponie sind die Weltmeere geworden. Eine PET-Flasche braucht dort etwa 450 Jahre, bis sie zerfällt. Zwar stammt die Hälfte des Plastikmülls in den Weltmeeren aus nur 5 Ländern in Südostasien, doch die Situation in Europa ist mitnichten zufriedenstellend. Die Umweltschutzorganisation WWF schätzt, dass die europäischen Meere jährlich mit bis zu 500.000 Tonnen Makroplastik und bis zu 130.000 Tonnen Mikroplastik belastet werden. Und eine Studie des österreichischen Umweltbundesamtes hat etwa 2015 ergeben, dass jährlich vermutlich 40 Tonnen Plastik in die Donau und weiter ins Schwarze Meer gelangen.

Die EU ist hinter China der zweitgrößte Plastikproduzent der Welt. Recycelt wird davon nur ein Drittel. Beispiel Deutschland: Der Der Kunststoffverbrauch hat sich seit den 1990er Jahren verdoppelt. Deutschland belegt mit 6 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr Platz 1 in Europa und weist mit Irland und Luxemburg auch den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch aus. In Österreich fallen pro Jahr 900.000 Tonnen Kunststoffabfälle an. 300.000 Tonnen davon machen Kunststoffverpackungen aus. Allein 50.000 Tonnen entfallen auf Plastikflaschen. Auch hierzulande hat sich die Menge seit den 1990er Jahren fast verdoppelt.

EU-weit wird die Hälfte des für das Recycling gesammelten Kunststoffs zur Weiterverarbeitung in Länder außerhalb der EU exportiert, fast alles davon ging bisher nach China, das aber den Import von Plastikmüll letztes Jahr stoppte. Gründe für den Export, stellt die EU-Kommission fest, sind unter anderem mangelnde Kapazitäten, Technologien oder finanzielle Ressourcen, um den Abfall zu behandeln. Weiter heißt es: „Der geringe Anteil des Kunststoff-Recyclings in der EU bedeutet große Verluste für Wirtschaft und Umwelt. Schätzungsweise gehen 95 Prozent des Wertes von Plastikverpackungsmaterialien nach einem kurzen ersten Nutzungszyklus verloren“. Mit Chinas Importstopp sind nun neue Lösungen gefragt. Es wird erwartet, dass in Europa der Markt für Recycling- und Kreislauflösungen deutlich steigen wird.

Plastik ist wert-los/voll. Plastik ist wertvoll und hat bisher doch keinen Wert, der hoch genug ist, um den Rohstoff im Kreislauf zu halten. Aktuell macht die Nachfrage nach recyclierten Kunststoffen laut Zahlen der EU-Kommission nur 6 % des Kunststoffbedarfs in Europa aus! In Österreich werden zwei Drittel des Plastikmülls verbrannt. Nur ein Drittel des Plastikmülls wird recycelt. Zum Vergleich: Bei Papier/Kartonagen macht die Recyclingquote 85 % aus, bei Glas 86 % und bei Metall 87 %.

Was einer echten Kreislaufwirtschaft beim Plastik entgegensteht ist (1) der Preis von recycelten Produkten im Vergleich zu fabrikneuen Waren; (2) dass der Plastikmüll nicht sortenrein gesammelt wird; (3) dass es so viele verschiedene Kunststoffmaterialien gibt. Die Rezyklierbarkeit des Werkstoffs muss daher deutlich gesteigert werden. Statt Multi-Layer-Materialien braucht es viel mehr Mono-Materialien. Die Nachfrage nach recycelten Produkten kann etwa durch eine Senkung der Mehrwertsteuer unterstützt werden. In diese Richtung soll es nach den Plänen der EU-Kommission auch gehen. In einem ersten Schritt gibt es ab 2021 ein Verbot der zehn häufigsten Plastikeinwegprodukte, die an europäischen Stränden gefunden werden (z.B. Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme). Die weiteren Ziele der EU-Kommission: Bis 2025 soll die Hälfte aller Kunststoffabfälle wiederverwertet werden. Das bedeutet für Österreich eine Erhöhung um fast 50 % zur aktuellen Recyclingquote! Bis 2029 wird eine Sammelquote für Kunststoffflaschen von 90 % gefordert. Ab 2030 sollen alle Verpackungsabfälle aus Kunststoff recyclierbar sein.

Das erfordert viel bessere Sammel- und Sortiersysteme als wir sie jetzt haben. Die Österreichische Kunststoffindustrie hat ein 10-Punkte-Paket vorgelegt, „um Österreich zum internationalen Vorreiter im Bereich der Kreislaufwirtschaft zu machen“. Enthalten ist etwa eine bessere Rezyklierbarkeit von Produkten, der Ausbau von Sammel- und Sortiersystemen (auch an öffentlichen Plätzen wie in Australien) und der Einführung eines Pfandsystems auf Einwegverpackungen, wie es bereits in acht europäischen Staaten existiert (Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Kroatien, Litauen, Schweden und Norwegen). Auf diesem Weg kann die Sammelquote von 90 % erreicht werden. Gefordert wird außerdem die Förderung von Mehrweg- statt Einweg-Produkten (Flaschen, Becher, Refill-Lösungen,…).

Plastik ist zum Thema in Gesellschaft, Politik und Unternehmen geworden. Das 10-Punkte-Paket der Kunststoff-Industrie enthält sehr gute Vorschläge, befasst sich aber zu wenig damit, wie die Plastikmüllmenge insgesamt sinken kann. Die EU-Abfallrahmenrichtlinie von 2008 sieht die Abfallvermeidung als oberstes Prinzip vor. Diesem Prinzip entsprechend will die österreichische Bundesregierung bis 2025 eine Reduktion von Kunststoffverpackungen von 20-25 %. Das entspricht einer Menge von etwa 60.000 Tonnen. Eine wichtige Maßnahme, um das zu erreichen, ist die Stärkung von Mehrwegsystemen. Pro Jahr werden in Österreich 4 Milliarden Getränkeverpackungen verkauft. Über 3 Milliarden davon sind Einwegverpackungen. Vor 20 Jahren waren noch 80 % der Getränkeverpackungen Mehrwergflaschen (Glas und Plastik), heute sind es nur mehr 22 %. Diese Entwicklung muss sich wieder umkehren, um die Reduktionsziele zu erreichen. Laut einer aktuellen Umfrage wünschen sich vier von fünf ÖsterreicherInnen auch wieder ein größeres Angebot von Mehrweg-Flaschen im Handel.

Es gibt aktuell viele Initiativen, die einen Beitrag zur Reduktion der wachsenden Plastikmüllberge leisten wollen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die Stadt Graz testet ein Pfandsystem für Coffee-to-go-Becher. Das Unternehmen Vetropack setzt auf eine Leichtglastechnologie, die das Gewicht von Glasflaschen um 20 % reduziert und diese somit ökologischer und attraktiver machen. Vöslauer bietet Mineralwasser wieder verstärkt in Mehrweg Plastik- und Glasflaschen an. Berglandmilch, die größte Molkerei Österreichs, will im Klimaschutz zum Vorreiter werden und stellt bis Ende des Jahres ihre Milch in der Glasflasche auf ein Mehrwegsystem um. In einem zweiten Schritt soll auch Joghurt in Mehrwegglas abgefüllt werden. DM testet Abfüllstationen, etwa für Waschmittel. Spar testet die Abpackung von Wurst und Käse mit mitgebrachten Boxen. REWE und Spar bieten Mehrwegfrischenetze für Obst und Gemüse an und hat unter dem Motto „Raus aus Plastik“ einen Ideenwettbewerb gestartet. Das Unternehmen Werner & Mertz GmbH nutzt für seine Frosch-Reinigungsmittel ausschließlich Altplastik.

Von der EU-Kommission bis hin zu den Initiativen vieler engagierter Mitgliedsbetriebe der Wirtschaftskammer gibt es das verstärkte Bemühen, externe Kosten sukzessive zu internalisieren und Schritt für Schritt in Richtung geschlossener Kreislaufsysteme zu gehen. Die Wirtschaftskammer sollte dieses breite Engagement aus ökologischer und gesellschaftlicher Verantwortung unterstützen und den Wirtschaftsstandort in den zentralen Zukunftsbereichen Recycling und Kreislauflösungen stärken.