Eine Weihnachtsgeschichte aus dem echten Leben

Grätzl-Werk-Stadt NO. 21: Wenn‘s menschelt, hat der Bezirk gewonnen

Ganz zum Schluss geht es dann doch wieder um die Menschen. Genauer gesagt um das Miteinander, um den homo socialis, der wir trotz Vereinzelung in der Konsumgesellschaft sind und bleiben. In Strukturen wie einem Grätzl oder auch einem Bezirk ist es möglich, Knotenpunkte des sozialen Lebens zu finden. In einer detaillierten Forschung wurden 2019 diese Überschneidungen für Währing gesucht. An den vordersten zwei Plätzen der „lebendigen Orte“ finden sich Gastronomiebetriebe, danach kommt das Kulturnetzwerk art18 und an vierter Stelle schon Hartliebs Buchhandlung.

Buchhandlungen sind seit jeher Grätzl-Knotenpunkte. Niemand wird sie bloß als Ausgabestellen von Gedrucktem interpretieren. Nicht einmal die Wirtschaftskammer hat sie der Sparte Handel zugewiesen, sie sind Teil der Sparte Information und Consulting. Wie war das mit dem blinden Huhn … na gut, das gehört nicht unedingt hierher.

Jedenfalls sind Buchhandlungen sicher auch Kulturveranstalter, Treffpunkte, Geschichtl-Drucker und tragen durch Ihre Schaufenster-Gestaltung meist erheblich zur Grätzl-Verschönerung bei.

Seit fünfzehn Jahren sorgt das Ehepaar Hartlieb im 18., etwas später auch noch im 9. Bezirk für viel Wirbel und eine umfassende literarische Nahversorgung. Passend zu Österreicher*ins liebstem Weihnachtsgeschenk – dem Buch – dürfen wir hier die Geschichte von Hartliebs Buchhandlung aus der Feder der Buchhändlerin und Autorin Petra Hartlieb widergeben.

„Kinder, wie die Zeit vergeht …“ eigentlich mögen wir diesen Spruch nicht, er hat so etwas Sentimentales, Rückwärtsgewandtes, doch leider passt an dieser Stelle einfach nichts Besseres. Es war doch gerade erst gestern, als wir verzweifelt einen Kindergartenplatz in Währing gesucht haben und nun hat das Kind maturiert! Es ist doch erst ein paar Tage her, als wir ganz aufgeregt mit Eva unseren ersten Lehrling angestellt haben und jetzt sind dreizehn Leute Teil des Hartliebs-Teams.

Als wir am 5. November 2004 pünktlich um 9 Uhr unseren Laden in der Währingerstraße das erste Mal aufsperrten, konnte niemand ahnen, ob das gut geht.
Einige haben damals nicht an uns geglaubt, ja über uns gelacht: Wie kann man nur eine Buchhandlung eröffnen, in einer Zeit, in der alle vom großen Buchhandelssterben reden? Natürlich hatten wir alles fünfmal durchgerechnet, viele Stunden geplant, wir waren jung und voller Energie. An jenem Morgen aber waren wir vor allem müde und aufgeregt.

Heute, fünfzehn Jahre später gibt es uns immer noch, und man kann wohl sagen, die Geschichte von Hartliebs Bücher ist eine gute Geschichte: eine Erfolgsgeschichte des Einzelhandels in Zeiten der digitalen Revolution.

Zur Erinnerung – das erste markttaugliche Smartphone – wurde 2007 von Apple auf den Markt gebracht und jeder, der cool und modern sein wollte, bestellte seine Bücher im Internet. Wir ließen uns davon nicht abhalten, glaubten an uns und an die Wichtigkeit und Beständigkeit des lokalen Einzelhandels, und wie man sieht, hatten wir nicht ganz unrecht. Der Höhepunkt des Online-Bestell-Hypes ist bei uns vorbei, immer mehr Menschen überlegen sich inzwischen ganz genau, wie und wo sie die Dinge des täglichen Bedarfs kaufen, wollen Nachhaltigkeit, kurze Verkehrswege und Steuergerechtigkeit.

Natürlich verkaufen wir inzwischen auch E-Bücher, haben einen Onlineshop und verschicken täglich Päckchen in alle Bundesländer: 95 Prozent unseres Umsatzes aber machen wir ganz analog mit Büchern, die über den Ladentisch verkauft werden, von uns an Euch.

Was also macht den Erfolg unserer Buchhandlung? Unsere MitarbeiterInnen, die täglich dafür sorgen, dass alle das richtige Buch bekommen. Die vielen tollen Läden rundherum, die uns nicht nur eine Infrastruktur bieten, sondern teilweise zu lieben FreundInnen und KollegInnen geworden sind. Und Ihr: Die Menschen, die sich von uns verführen lassen. Die wissen, wenn sie eine Buchhandlung im Viertel haben wollen, dann müssen sie auch dort einkaufen. Na gut, wenn man mal unterwegs ist und dringend was braucht, dann geht das auch in einer anderen kleinen Buchhandlung, aber niemals bei Amazon.

Damals haben nicht alle gelacht, viele waren voll Eifer dabei, uns bei dem verrückten Projekt zu unterstützen: Freunde, die uns Geld geliehen oder uns viele Monate beherbergt haben, unser Kind mit großgezogen haben und regelmäßig kochen, die uns bei diversen Umbauten, Inventuren, Putzaktionen unter die Arme greifen oder einfach nur Schokolade vorbeibringen.
Auch in den nächsten fünfzehn Jahren werden wir an 300 Tagen im Jahre unsere Türen um 9:00 Uhr für Euch aufsperren, wir werden Ihnen neue Geschichten erzählen und sind neugierig auf Eure!

 

Petra & Oliver Hartlieb mit dem gesamten Team