Die vielen Gesichter des Karmeliterviertels

Grätzl-Werk-Stadt NO. 19: Wo man Flugzeuge recycelt und Kaffee in Biomüll verkapselt

 

Grätzl sind lebendig, vielfältig, bunt, abwechslungsreich – wie ein gesunder Wald mit hoher Bio-Diversität. Das zeigt sich in einem gut funktionierenden Grätzl auf allen Ebenen: bei den Menschen, im öffentlichen Raum, im Kulturangebot und natürlich auch in der Wirtschaft. Treibende Kraft sind dabei die UnternehmerInnen, die in so einem Grätzl Vielfalt schaffen. Besonders spannend wird es vor allem dann, wenn wir verschiedene Interpretationen von Nachhaltigkeit finden – also verteilt auf viele Branchen.

So ein Grätzl findet sich im zweiten Bezirk rund um den Karmelitermarkt, den wir gut als Zentrum verorten können. Solche Zentren brauchen ein Rundherum und das finden wir in den kleinen Gassen, wenn wir einen Streifzug machen. Die vorwiegend recht spezialisierten Geschäfte können natürlich nicht nur von der Kundschaft leben, die im Grätzl wohnt. Sie brauchen somit eine Anziehungskraft, die entweder auf die gesamte Stadt wirkt oder noch weiter reicht, wie im Beispiel von X-mas, das wir besucht haben. Ein Belebungseffekt entsteht dann dadurch, dass Menschen von außerhalb das Grätzl besuchen,  und nach ihrem geplanten Einkauf vielleicht noch einen Spontankauf anschließen oder einen Kaffee trinken, in jedem Fall sorgen sie für zusätzliche Vielfalt.

Interessant ist auch, dass einige der Geschäfte untereinander vernetzt sind – nicht nur über einen Einkaufsstraßenverein, sondern auch durch das gemeinsame Interesse an einem belebten Grätzl. So wurden wir von einem Geschäft zum nächsten empfohlen und von dort wiederum zum übernächsten.

Zweites Leben steht für Doppelfreude

Eine Form der Nachhaltigkeit finden wir in dem Bestreben hohe Qualität anzubieten. Das ist z. B. dann der Fall, wenn Gegenstände durch die Verwendung qualitativer  Materialien und einen durchdachten Produktionsprozess für eine lange Verwendungsdauer konzipiert sind. Die Nachhaltigkeit wird durch gutes Design noch deutlich verstärkt.

Die Dinge, die man bei byThom kaufen kann, werden vom Besitzer Thomas Klugt nach eben diesen Kriterien ausgesucht. Viele davon haben ein zeitloses Design, wie etwa die einzigartigen Servicetrolleys aus dem Flugzeug. Sie sind etwas ganz Besonderes: ausrangiert, in liebevoller Handarbeit aufbereitet und für verschiedene Funktionen umgebaut. So kann man die wiederaufbereiteten Trolleys zum Beispiel mit Cooler und LED-Leuchtboden als stylische Minibar, mit Hängeregisterauszug im Office, im Badezimmer für die Pflegeprodukte, zur Aufbewahrung der CD-Sammlung, mit Holzschneidebrett auf der Terrasse oder in der Küche verwenden.

Da solche Trolleys durchaus aufwändig und mit hoher Qualität produziert werden – sie müssen ja auch viel aushalten – ist es doppelt wertvoll, wenn sie quasi ein „zweites Leben“ erhalten.

Nur Gegenstände, die nicht dem gerade vorherrschenden Trend zuzuordnen sind, haben eine lange Lebensdauer. Alle anderen werden entsorgt, sobald der Hype abgeklungen ist. Das ist auch im Sinne der Hersteller, die ja möglichst bald wieder etwas Neues verkaufen wollen. Diese Gegenstände brauchen keine hohe Qualität, denn sie müssen nicht lange halten.

Wenn ich etwas lange verwende, relativiert sich auch ein höherer Preis. Es lohnt sich sogar darauf hinzusparen, denn vorher profitiere ich von der Vorfreude und nach dem Kauf von der Freude lange kein Geld mehr ausgeben zu müssen.

Die Verantwortung des Händlers liegt in der sorgfältigen Auswahl der Ware – er (oder sie) macht sich quasi für mich Gedanken, die ich mir dadurch ersparen kann. Solche Händler bauen im Laufe der Zeit Vertrauen auf und leben von Stammkundschaft, die immer wiederkommt. Dadurch muss der Händler nicht jedem schnellen Verkauf hinterher hetzen, sondern kann sich genügend Zeit nehmen, neue Ware sorgfältig auszuwählen. Wir finden eine positive Spirale der Nachhaltigkeit, die dadurch verstärkt wird, dass man bei byThom auch einmal auf eine nette Plauderei vorbeischauen kann, ohne sofort etwas kaufen zu müssen. Dann erfährt man nebenbei auch noch, was im Grätzl so los ist.

 

Kontakt: www.bythom.at

1020, Haidgasse 5

 

 

 

Wie sagte schon Monty Python: „Und jetzt zu etwas ganz anderem.“

Das Xmas ist ein Spezialgeschäft für Motorradelektrik. Wer es betritt, macht eine Reise in eine Welt jenseits des Café-Latte-Grätzllebens. Hier bekommt man Kabeln in allen Farben und Glühbirnen, die man sonst nirgends bekommt. Das Geschäft ist sehr beliebt bei Menschen, die alte Fahrzeuge herrichten. Wer einen Oldtimer wieder zu neuem Leben erweckt, muss quasi die „Nervenstränge“ des Fahrzeugs erneuern. Sämtliche Materialien für einen neuen Kabelbaum bekommt man hier. Und natürlich noch viel mehr. Zudem kann man viele Arbeiten auch gleich erledigen lassen. In die Barhocker sind die Namen der Stammgäste eingenäht, die gerne viel Zeit an diesem speziellen Ort verbringen.

Mit dem Thema Nachhaltigkeit hat das insofern zu tun, als in einer nachhaltigen Wirtschaft das Thema Reparaturen einen deutlich höheren Stellenwert hat als in einer Wegwerfgesellschaft. Das Xmas stemmt sich gegen das Wegwerfen und besetzt eine Nische. Der Online-Handel hat auch seine Berechtigung, aber ohne solche Geschäfte würde der Spirit fehlen, der beim Restaurieren eines alten Motorrads (oder einer Vespa) nicht wegzudenken ist.

Zum Grätzl gehören diese Geschäfte vor allem deswegen, weil sie durch ihre Nischenbesetzung die Branchentiefe erzeugen, die erst die Vielfalt möglich macht. In jedem Grätzl der schönen Stadt Wien gibt es andere Nischen, die von solchen Läden besetzt werden. In Summe ergibt das die Gesamtheit, die eine Stadt braucht, um zur Großstadt zu werden. Kein Wien ohne Grätzl, keine Grätzl ohne Wien.

Jetzt sind wir beim Kaffee. Der gehört zu jedem Wiener Grätzl, hat jedoch in den letzten Jahren seine Form verändert. Die modernen Trends heißen Starbucks, Coffee to go und Nespresso-Kapseln. Von Nachhaltigkeit ist da jedoch keine Spur, ganz im Gegenteil: Intensiver Materialverbrauch und exzessives Wegwerfen stehen an der Spitze des Trends.

FABICO Coffee ist spezialisiert auf nachhaltige Kaffeekapseln (bestehend aus Maisstärke und Bagasse), die kompatibel mit allen gängigen Nespressomaschinen sind. Die Kaffee- und Kakaokapseln sind, wie schon der Name FABICO (FAIR BIO COFFEE) verrät, mit Bio- und Fairtrade-Kaffee befüllt.

Die Kaffeekapseln können einfach komplett über Biotonne, eigenen Kompost oder ganz einfach im Garten in die Erde entsorgt werden. Die Kapseln zersetzen sich innerhalb von 90 bis 160 Tagen von selbst – überall dort wo es genügend Bakterien gibt. (Das funktioniert, wenn notwendig, sogar in Süß- und Salzwasser innerhalb kürzester Zeit, meinen die Leute von Fabico.)

Die Kaffeekapseln haben auch einen besonderen Vorteil zu den anderen Kapseln, denn sie sind durch eine patentierte Abdeckung aromageschützt. Das bedeutet, solange die Abdeckung (Palmblatt und Bagasse – unser Patent) nicht willkürlich beschädigt wird, kann die Kapsel auch länger als 2 Jahre noch mit dem vollen Aroma genossen werden.

Da gehört es schon fast zum guten Ton, dass alle Kapseln Bio-, Fairtrade- und TÜV zertifiziert sind.

Es ist verständlich, dass Menschen dem heute sehr modernen Trend zur umfassenden Bequemlichkeit folgen. Dazu gehören auch die allseits beliebten Kaffeekapseln. Fabico bietet zumindest einen Ausweg aus der Rohstoffvergeudung der Alu-Kapseln.

Also: Wenn schon Kapsel, dann so.

 

 

 

Kontakt: www.fabicocoffee.com

1020, Haidgasse 10/2

 

 

 

Hochwertige Stoffe, reine Handarbeit und viel Spielraum – so einfach lässt sich Kinderkleidung beschreiben.

Die Nachhaltigkeit kommt vor allem durch die Wertschöpfung vor Ort zur Geltung: Die Kollektionen werden in Österreich entworfen und in Wien produziert, und zwar in Kooperation mit der Textilmanufaktur Wien, wo es integrative Arbeit gibt.

Ein Atelier mit Showroom und Einkaufsmöglichkeit gibt es in der Großen Sperlgasse Nr. 10.

 

Kontakt: www.me-in-wien.at

1020, Große Sperlgasse 10 oder

1070, Lindengasse 25

 

Moderne Mobilität ist nachhaltig, sonst ist sie nicht modern.

Zum guten Mobilitätsmix gehört untrennbar das Fahrrad und seit es leistungsstarke E-Zweiräder gibt, hat sich die Welt noch einmal ein Stück weiter gedreht.

Bei der Firma e-zweirad.at bekommt man Lastenräder von babboe. Die werden dort jedoch nicht nur einfach verkauft, sondern auch verliehen und repariert. Das Besondere ist die Grundeinstellung der beiden engagierten Geschäftsleute Elisabeth Bartusch und Manfred Cantonati, die sich ihre Kundschaft sehr genau ansehen. Sie wollen nicht, dass Lastenräder aus falscher Motivation gekauft werden und dann sinnlos irgendwo herumstehen und verrotten. Deswegen gibt es bei ihnen ein sehr ausführliches Vorgespräch, bei dem bis ins Detail analysiert wird, wer welches Rad zu welchem Zweck braucht. Der Lohn dieser Arbeit ist sowohl für das Geschäft wie auch für die Kundschaft einer, der dem Begriff der Nachhaltigkeitslehre schon sehr nahe kommt und vor allem in beidseitiger Zufriedenheit mündet.

„Ein Lastenrad ist ein Kofferraum ohne Auto“ hat jemand neulich gesagt. E-zweirad.at sitzt fast im Epizentrum der modernen Mobilität, die in Zukunft – und das ist ein deutlich sichtbarer europäischer Trend – aus einem Mobilitätsmix bestehen wird. Ein wichtiger Teil davon wird das Lastenrad sein.

 

 

Kontakt: www.e-zweirad.at

1020 Vereinsgasse 9/4

 

 

Diese Tour könnte noch lange weitergehen, es gibt fast an jeder Ecke eines oder mehrere Geschäfte zu entdecken und bei jedem gibt es eine dazu gehörige Geschichte – von Menschen, von Produkten, von Träumen und ihrer Verwirklichung, da und dort auch vom Scheitern und hin und wieder sogar vom Wiederaufstehen.

Grätzl ist eben mehr als nur ein Wort.