Die österreichischen Unternehmen klagen über Schwierigkeiten bei der Suche nach Fachkräften. Das belegen Zahlen einer Untersuchung der Wirtschaftskammer und ich höre das auch oft im Gespräch mit Unternehmerinnen und Unternehmern. Vielfach werden die personellen Lücken durch höheren Einsatz der Unternehmer*innen und der bestehenden Mitarbeiter*innen kompensiert. Das ist aber keine Dauerlösung.

Entgegen der vielfach verbreiteten Meinung, es fehlten IT-Fachkräfte und Personal in der Gastronomie und Hotellerie, sind es auch viele Betriebe im Handwerk, die mir von ihren Schwierigkeiten berichten. Der Fachkräftemangel ist also ein branchenübergreifendes Problem geworden.

Wie ist es zu diesem Engpass gekommen? Nun, ich denke, dass es ein vielschichtiges Versagen politischer (Nicht-)Entscheidungen ist, sozusagen ein »Multiorganversagen« und es wichtig ist, die Ursachen zu beleuchten, um längerfristig tragfähige Lösungen vorzuschlagen.

Die Ursachen des Fachkräftemangels

  • Die Anzahl der Lehrlinge geht aufgrund des Rückgangs an Jugendlichen generell zurück. Gleichzeitig gehen geburtenstarke Jahrgänge in Pension.
  • Vor allem im ländlichen Raum ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – auch durch eine über Jahrzehnte konservierte ÖVP-Familienpolitik – immer noch schwierig bis unmöglich.
  • Während der wirtschaftlich unsicheren Phase nach der Finanzkrise 2008 wurde das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen reduziert. Diese Lücke ist nun spürbar.
  • Menschen ohne Hochschulabschluss werden auch nach der Novelle der Rot-Weiß-Rot-Karte von der Zuwanderung weitestgehend ausgeschlossen. Aber gerade bei Absolvent*innen einer Lehrausbildung ist der Fachkräftemangel am größten.
  • Die ehemalige türkis-blaue Bundesregierung hat ein ausländerfeindliches Klima erzeugt, das für eine Abschottung Österreichs gegenüber der Zuwanderung dringend gebrauchter Fachkräfte aus dem Ausland gesorgt hat.
  • Die Abschiebung in Ausbildung stehender jugendlicher Asylwerber*innen verschärft die ohnehin schon prekäre Situation. Auch die zaghaften Signale von Ex-Kanzler Kurz nach einer Lockerung ändert daran wenig. Hunderte Betriebe verlieren v.a. in Mangelberufen die dringend benötigten Fachkräfte der Zukunft (http://ausbildung-statt-abschiebung.at/).

Fazit: Der Mangel ist ein Multiorganversagen aus rückwärts gerichteter Politik, getrieben von populistischen Ansagen.

Nötige Sofort-Maßnahmen zur Beseitigung des Fachkräftemangels

Eine aus meiner Sicht ebenso wichtige wie rasche und unbürokratische Maßnahme sind massive Investitionen in Förderprogramme für Arbeitssuchende, und zwar für arbeitssuchende Österreicher*innen und Zugewanderte. Zum Beispiel sollte es für Unternehmen, die rekrutieren, einen Qualifizierungsscheck geben. Im Zuge der Einstellung könnte dieser im Wifi oder einem privaten Bildungsinstitut eingelöst werden. Das wäre eine unbürokratische und zielgerichtete Initiative, die eine punktgenaue Qualifizierung entlang der spezifischen Bedürfnisse eines Betriebes ermöglicht.

Die Kriterien bei der Zuwanderung über die Rot-Weiss-Rot-Karte  müssen unbedingt rasch geändert werden. Denn die derzeitigen und künftig vorgesehenen Anforderungen machen Zuwanderung ohne Hochschulabschlüsse beinahe unmöglich. Wir brauchen aber gerade im Bereich der sogen. FacharbeiterInnen in  allen Branchen Arbeitskräfte.

Außerdem muss der Arbeitsmarkt-Zugang für Asylwerber*innen ermöglicht werden. Dafür reicht die Umsetzung der bestehenden Rechtlage: Die Aufnahmerichtlinie der Europäischen Union schreibt nämlich vor, dass Asylwerber*innen spätestens neun Monate nach Antragstellung der Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird. Österreich hätte  seit Juli 2015 seine Gesetze entsprechend anpassen müssen!

Mittel- und langfristig braucht es eine Modernisierung der dualen Ausbildung und eine Reform des Bildungssystems, das auch den Anforderungen der modernen Technologien und der geänderten Arbeitswelten Rechnung trägt. Dabei gilt es auch im Fokus zu behalten, dass Erwerbsverläufe in Zukunft vielfältiger sein werden und daher eine breite Grundbildung wichtig sein wird. Die alleinige Priorisierung von MINT-Fächern ist zu kurz gedacht.

Wir fordern die künftige Regierung auf, dort Taten zu setzen, wo die Vorgänger-Regierung untätig geblieben ist!

Sabine Jungwirth
Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft