Freud und Leid im Buchhandel – Teil 1

Grätzl-Werk-Stadt No. 6: Guidos Sicht auf Amazon

 

Die Arbeitsgruppe Grätzelwirtschaft hat bei ihrem letzten Treffen über die Für und Wider des Online-Handels diskutiert. Dabei entstand die Idee, euch als Sommergeschichte die vielen Ansichten zum vielzitierten Online-Riesen und seine Auswirkungen auf den Handel am Beispiel des Buchhandels zu erzählen. Den Anfang macht Guido Schwarz, diesmal in seiner Rolle als Kleinverleger. Ende August wird Sonja Franzke als unsere Vertreterin der Buch- und Medienwirtschaft die Sicht auf den Online-Handel vor allem aus Sicht des stationären Buchhandels darlegen. Soviel sei vorab verraten: Fest steht für beide, dass der Einkauf vor Ort durch keinen Mausklick ersetzt werden kann.

Neulich, irgendwo auf Facebook …

In einer Gruppe beschwert sich eine Dame über ihren Paketdienst. Es wurde keine Nachricht hinterlassen und ein Paket mehrmals von Deutschland nach Österreich geschickt und wieder zurück. Andere stimmen ein und berichten über Unzuverlässigkeit, Unfreundlichkeit und Unplanbarkeit bei der Zustellung von Online-Käufen. Auf den Hinweis, dass man sich diese Probleme sparen könne, wenn man die Dinge vor Ort einkauft, bekommt man eine Menge Gründe aufgezählt, warum es vollkommen undenkbar wäre irgendwohin zu fahren, um einzukaufen. Darunter befinden sich folgende:

»Dort finde ich sicher keinen Parkplatz.«

»Da fahre ich ewig und bekomme dann doch nicht das, was ich will.«

»Von daheim ist es viel bequemer und ich bin nicht auf Öffnungszeiten angewiesen.«

»Ich mag nicht mehr mit unfreundlichen VerkäuferInnen diskutieren.«

Auf der Suche nach der Wahrheit

Natürlich mischen sich in den Chor auch Stimmen, die voll des Lobes für den Online-Handel und auch die Zustellung sind. Wie so oft kommen Freud und Leid im Doppelpack. Es wird schnell klar, dass die Emotionen Regie führen und die Vernunft wieder einmal das Nachsehen hat. Vernünftig wäre es nämlich, möglichst viel vor Ort zu kaufen, um die – noch – funktionierende Infrastruktur nicht zu zerstören. Und aus noch einigen anderen Gründen.

Auf der Suche nach der Wahrheit finden wir vor allem den Widerspruch und bald die Gewissheit, dass es wohl mehrere Wahrheiten gibt, was die Suche nach einer Lösung entsprechend erschwert.

Ein Beispiel:

Als ich vor ein paar Jahren ein Buch auf den Markt bringen wollte, war für mich klar, dass ich es über Buchhandlungen verkaufen möchte. Also marschierte ich quer durch Wien von einem Geschäft zum nächsten und musste erfahren, dass dies nicht so einfach ist.

»Selbstverständlich, das Buch nehmen wir sehr gerne, lassen Sie uns ein Dutzend Exemplare da, wir melden uns, wenn sie verkauft sind und den Gewinn teilen wir uns.«

Solche Aussagen gab es eher selten, meist nahmen die Buchhandlungen ein bis zwei Probeexemplare, oft wurde ich eher unfreundlich hinauskomplimentiert, ebenso oft gab es auch die bedauernde Aussage, dass dieses Buch nicht in das Sortiment passe.

Warum ich online gehen musste

Irgendwann entstand die Erkenntnis, dass ich es auf diesem Wege wohl nicht schaffen würde, mehr als ein paar Anstandsexemplare zu verkaufen. Am schwierigsten war es bei Thalia, denn dort musste ich erst eine umständliche Registrierungsprozedur durchmachen und dann noch jeder einzelnen Filiale das Buch schmackhaft machen. Dafür verkauften sie in den kommenden Jahren über 100 Stück – immerhin.

Trotzdem musste ich den Weg über den Online-Handel gehen. Das hat vor allem mit der Zielgruppe für das Buch zu tun (LiebhaberInnen von Vespa-Oldtimern), die über den stationären Buchhandel nur sehr schwer zu erreichen sind. Erstens ist ihre Anzahl im gesamten deutschen Sprachraum begrenzt, zweitens sind sie sehr verstreut und drittens stellt sich die Frage, wie sie überhaupt erfahren können, dass es mein Buch gibt. Sie suchen ja nicht aktiv danach, sondern bekommen es entweder empfohlen oder suchen online bei den Büchern nach dem Stichwort »Vespa«, weil sie ein Geschenk für eine/n Vespa-LiebhaberIn suchen.

Bücher als Geschenke

Also versuchte ich es über Amazon und zwar als privater Verkäufer. Der Erfolg war enorm, bis heute habe ich ein Vielfaches an Büchern über Amazon verkauft und sowohl Aufwand als auch Gewinn stehen in einer wirklich guten Relation. Das liegt aber daran, dass ich Amazon nur als Plattform benütze, quasi als Marketinginstrument. Ich bekomme eine Bestellung per Email, bearbeite diese, verpacke das Buch und trage es zur Post, die es an den Besteller verschickt.

Amazon behält sich lediglich eine Vermittlungsgebühr, die angesichts dessen, was der stationäre Buchhandel an Rabatt verlangt, recht fair erscheint. Das soll übrigens nicht heißen, dass der Buchhandelsrabatt (zwischen 30% und 50%) zu hoch ist. Vor allem kleine Buchhandlungen können nur überleben, wenn sie eine entsprechende Spanne pro Buch erzielen.

Bewusster Mehraufwand

Trotzdem freue ich mich über jede Bestellung, die ich über den traditionellen Buchhandel bekomme, auch wenn es finanziell zu vernachlässigen ist. Die Gespräche mit den BuchhändlerInnen sind immer sehr nett und ich bin glücklicherweise nicht auf die Gewinnspanne der Handvoll Bücher angewiesen, die ich jedes Jahr über diese Schiene verkaufe. Das funktioniert übrigens nur, weil es KundInnen gibt, die ganz bewusst über ihre Buchhandlung bestellen. Der Aufwand ist für alle Seiten deutlich größer, denn es verlangt einige Telefonate bzw. Emails, bis der gesamte Vorgang abgeschlossen ist. Das sind also Menschen, die den Mehraufwand ganz bewusst in Kauf nehmen, um ihre Buchhandlung leben zu lassen.

In einer Zeit der Bequemlichkeit, wo eine Bestellung nicht mehr als einen Mausklick kosten darf, ist das genau genommen eine Kulturleistung, deren Zukunft fraglich erscheint.