Kreislaufwirtschaft, Green Deal, Dekarbonisierung – große Aufgaben und zugleich Chancen für Unternehmen.
Die 100 Laptops aus dem Jahr 2017 entsorgen und durch neue ersetzen – so hatte es der IT-Zulieferer eines steirischen Unternehmens empfohlen. Valentin Gritsch brachte einen besseren Vorschlag: „Wir haben 99 Geräte gewartet und aufgerüstet – die funktionieren jetzt wie neu. Ein einziges musste ausgetauscht werden.“
Bei einem Reparatur-Café kam der 28-jährige Grazer auf die Idee, ein Unternehmen zu gründen. „Eigentlich haben wir genug Geräte produziert. 95 % der Hardware kann wiederverwendet werden, nur die Akkus und Festplatten halten nicht ewig. Wir schenken Geräten ein zweites, drittes oder gar viertes Leben.“ Heute reicht der Aktionsradius seines Unternehmens eco IT GmbH von Villach bis Eisenstadt.
Valentin Gritsch ist nicht allein. Tausende Unternehmer:innen in ganz Österreich entwickeln nachhaltige, ressourcenschonende Geschäftsmodelle oder machen Produkte und ganze Branchen klimafreundlicher. Das ist notwendig. Die natürlichen Ressourcen der Erde gehen zur Neige. Die Nebenwirkungen eines Wirtschaftssystems, das zwar viel Wohlstand geschaffen hat, gefährden nun aber unsere Lebensgrundlagen.
Das Ziel
Österreich soll bis 2040 klimaneutral werden – darauf haben sich die politischen Parteien festgelegt. Die Umweltbelastungen durch Müll, Abgase, Lärm und Flächenverbrauch sollen sinken. Ohne die Unternehmen ist der Wandel nicht zu schaffen. Sie sind der entscheidende Faktor bei der Transformation. Das Neue kostet Mut, aber auch Geld. Bevor aus Grün Gewinn wird, sind oft Investitionen nötig. Dafür gibt es eine Vielzahl an Förderungen: Über 100 Förderprogramme für Betriebe listet die Plattform umweltfoerderung.at online auf.
Das macht sich bemerkbar. 2022 hat Österreich 72,8 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente an Treibhausgasen produziert. Damit ist der Ausstoß im Vergleich zum Vorjahr um 5,8 % gesunken. Klimaschutz rechnet sich.
Am stärksten zeigt sich das im Energiesektor. 2022 wurden Erdöl und Erdgas im Wert von fast 18 Mrd. Euro nach Österreich importiert. Geld, das dem heimischen Wirtschaftskreislauf entzogen wird und bei despotischen Regimen landet. Immer mehr Unternehmen setzen daher auf eigene Stromproduktion – auch auf gemeinschaftlich genutzten Gebäuden. „Der Gas-Schock im Sommer 2022 war für viele riesengroß. Zum ersten Mal wurde klar, wie abhängig wir von fossilen Energieträgern und insbesondere von Putins Gas sind“, sagt Georg Kury. Der Ingenieur und Meteorologe konzipiert und optimiert Windkraftparks in ganz Österreich. „Die Akzeptanz für Windräder in der Bevölkerung ist seitdem viel größer geworden. Die Leute verstehen sehr gut, warum sie notwendig sind. Und die EU hat mit einer Reihe von Verordnungen den erneuerbaren Energien einen Schub verliehen.“
2023 wurden in Europa so viele Windkraftanlagen errichtet wie noch nie. Dennoch braucht es noch viele mehr. „Fast die Hälfte der internationalen Frachtschifffahrt dient dem Transport von Öl, Kohle und Gas. Das ist einfach absurd, wenn wir das zerstörerische Potenzial der Klimakatastrophe kennen“, so Kury.
Der Wille und die Wege
Große Veränderungen gibt es nicht auf Knopfdruck, sie bestehen aus vielen kleinen Schritten, vom Arbeitsplatz-Sharing bis zur dimmbaren Schaufensterbeleuchtung. Und das ist immer mehr Arbeit, als alles so zu belassen, wie es ist: Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, das eigene Geschäftsmodell im laufenden Betrieb umzubauen.
Dass das keine einfache Aufgabe ist, weiß Harald Lederer. Der Oberösterreicher berät mit seiner Firma Trainconsulting Unternehmen und Organisationen, die einen tiefgreifenden Wandel einleiten wollen. „Zu uns kommen sehr viele Unternehmen, die erkannt haben, dass sie etwas ändern müssen und sich fragen, wie das gehen kann“, sagt er. „Transformationsprozesse sind anstrengend, aber zugleich eine unglaubliche Chance. Betriebe, die Verantwortung für ihren Impact auf Gesellschaft und Umwelt übernehmen, sind attraktivere Partner und Arbeitgeber.“ Das macht unternehmerische Perspektiven klarer und hilft dabei, wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben.
„Eigentlich haben wir genug Geräte produziert. 95 % der Hardware kann wiederverwendet werden, nur die Akkus und Festplatten halten nicht ewig. Wir schenken Geräten ein zweites, drittes oder gar viertes Leben.“ Valentin Gritsch, Unternehmer
Was das heißen kann, zeigen Verena Judmayer und Michaela Stephen mit ihrem Unternehmen MATR. Alles begann mit einer Zahl: 30 Millionen Matratzen landen in Europa jedes Jahr im Müll. „Wir wollten eine Lösung ohne Abfall entwickeln“, sagt Judmayer. Das Ergebnis war eine Matratze, die zu 99 % wiederverwertet werden kann. MATR verkauft sie erfolgreich an Hotels. Nach zehn Jahren werden die Matratzen wieder eingesammelt und in den Materialkreislauf zurückgeführt. „Eine Kreislauf-Matratze von MATR braucht 50 % weniger CO₂ als eine herkömmliche Matratze“, betont Judmayer.
Im Kreislauf
Einer, der sich schon seit Jahren mit dem Thema Kreislaufwirtschaft beschäftigt, ist Manfred Mühlberger. „Wenn wir innovative, mutige Unternehmen wollen, die sich um die Nachhaltigkeit kümmern, müssen auch die Rahmenbedingungen entsprechend sein“, sagt der Umweltgutachter, der Präsident von Ecopreneur ist, dem Lobbyverband nachhaltiger Unternehmer:innen in Brüssel. „In den letzten Jahren ist viel Wichtiges passiert. Mit dem Green New Deal hat Europa sein Potenzial gezeigt.“ Mühlberger zählt ein Dutzend EU-Verordnungen für eine nachhaltige Zukunft auf, vom Right to Repair bis zur Taxonomie-Verordnung.
Mediale Aufmerksamkeit erhielt vor allem das EU-Lieferkettengesetz, das Umweltzerstörung und Ausbeutung entlang der Lieferketten eindämmen soll. „Von solchen Maßnahmen profitieren Unternehmen in Österreich, die sich heute schon für Fairness und Nachhaltigkeit einsetzen“, so Mühlberger. Besonders die Textilbranche kennt den Konkurrenzkampf mit Großkonzernen, die unter schlechten Bedingungen in Billigstlohnländern produzieren lassen.
Was das heißt, weiß Ingrid Gumpelmaier-Grandl. Seit mehr als zehn Jahren produziert sie mit ihrem Unternehmen FAIRytale Fashion fair und umweltfreundlich Kleidung – designt in Österreich, produziert von Familienbetrieben in Nepal. „Ein Lieferkettengesetz macht einen großen Unterschied für meine Branche. Wir brauchen noch mehr solche Initiativen, die verantwortungsvolles Wirtschaften belohnen“, sagt die 56-Jährige aus Eferding. Gerade in der Textilbranche achteten viele Unternehmen zu wenig auf die Auswirkungen der Produktion.
Verantwortungsvolles Wirtschaften belohnen
Das ginge auch durch eine gesenkte Mehrwertsteuer auf nachhaltig produzierte Produkte. Derzeit lenkt das Steuersystem die Wirtschaft noch in eine andere Richtung. Eine WIFO-Studie aus dem Dezember 2022 beziffert die klimakontraproduktiven Subventionen in Österreich auf bis zu 5,7 Mrd. Euro im Jahr: von kostenfrei zugeteilten Emissionsrechten bis zur fehlenden Kerosin-Besteuerung im Flugverkehr.
Die österreichischen Unternehmen sind mit ihrem Handeln der Politik oft voraus. Sie wollen sich umstellen und fordern deshalb lautstark: Nicht rücksichtsloses, sondern verantwortungsvolles Wirtschaften muss sich auszahlen.
Das sieht auch Valentin Gritsch so. Und obwohl seine Firma inzwischen 99 % ihres Umsatzes im B2B-Bereich macht, repariert er nach wie vor auch Elektrogeräte für Privatkunden, vom Drucker bis zum E-Bike – wie damals im Reparatur-Café. „Erst letzte Woche hatte ich einen Kunden, dem wurde ein neues Notebook für 1.100 Euro angeboten. Ich habe ihm ein vollkommen gleichwertiges Gerät, gebraucht und aufgerüstet, für 300 Euro verkauft – und damit wohlgemerkt auch Gewinn gemacht“, sagt er.