Der KI-Experte Max Beinhofer erklärt im Interview, welche neuen KI-Tools für Selbstständige besonders nützlich sind und welche Gefahren die KI-Revolution bringt.

Welche “Logik” steckt hinter der KI?

In der Regel Statistik auf sehr großen Datenmengen. Die meisten KI-Modelle werden vor der Anwendung zunächst mit vielen Daten gefüttert und so trainiert. Die Muster, die in diesen Daten enthalten sind, bestimmen dann in der Anwendung die Ergebnisse der KI.

Wie wird die KI die Unternehmenswelt revolutionieren?

Hier müssen wir unterscheiden zwischen der seit Anfang 2023 öffentlich wahrnehmbaren „neuen” generativen KI, also ChatGPT & Co, und der „klassischen“ KI, wie es sie schon davor gab. Klassische KI prägt die Unternehmenswelt schon seit Jahren in zunehmendem Maße. Die Anwendungen fallen hier in der Regel in eine dieser beiden Kategorien:

  • Automatisierung repetitiver Aufgaben
  • Vorhersage komplexer Zusammenhänge und darauf basierte Entscheidungsfindung (Wetter, Börse, Sensordaten in der Produktion, Kaufverhalten von e-Commerce Kund:innen, …)

Generative KI, insbesondere Textbasierte Systeme wie ChatGPT, werden im Laufe der nächsten Jahre eine Vielzahl weiterer Aufgaben in Unternehmen übernehmen. Zum Beispiel im Kundenservice, Produktentwicklung und -design, Marketing, und ganz besonders intensiv in der Computerprogrammierung.

Das bedeutet aber nicht, dass die KI den Menschen Arbeitsplätze „wegnimmt“. KI ist ein Werkzeug. Und auch die aktuellste generative KI ist als Werkzeug nur so gut wie der Mensch, der sie reflektiert verwendet. Generative KI erlaubt es den Menschen, in ihrer Arbeit effizienter, produktiver, und – ja – auch kreativer zu sein. Das gleiche war der Fall, als in den 1990er Jahren das Internet und Suchmaschinen uns der aufwändigen Büchereibesuche zur Recherche entbunden haben. Auch hier hat uns die Technologie effizienter gemacht. Unsere Arbeitsplätze hat uns auch dieses Werkzeug damals nicht weggenommen.

Welche einfach bedienbaren KI-Tools gibt es, die für Selbstständige besonders nützlich sind?

ChatGPT, zurecht in aller Munde, ist sicher das Schweizer Taschenmesser unter den KI-Tools. Das Anwendungsfeld ist extrem breit gefächert: Von der Ideenfindung für neue Produkte und Services, über die Erzeugung erster Entwürfe für Social Media Posts und Vorträge, bis hin zu schnellen Datenanalysen und dem Zusammenfügen der richtigen Excel Formeln. Weitere hilfreiche Tools sind zum Beispiel perplexity.ai zur Recherche mit Quellenangaben, Midjourney zur Erstellung von Bildern für Vorträge oder Social Media Posts, oder uizard.io zur Erstellung erster Entwürfe für Websites oder App-Designs.

Das Wichtigste dabei ist aber aus meiner Sicht nicht, das richtige Tool zu kennen, sondern mit der richtigen Herangehensweise vorzugehen. Das bedeutet für mich:

  • KI-Tools als Inputgeber für erste Ideen zu nutzen, nicht für finale Endprodukte.
  • Die Ergebnisse von KI-Tools nicht unreflektiert übernehmen!
  • Wenn nicht das gewünschte Ergebnis erzielt wurde, nicht aufgeben, sondern nochmal nachfragen und dabei genauer beschreiben, was man möchte.
  • Die Funktionsweise hinter den Tools auf einer Anwenderebene soweit verstehen, um zu wissen, für welche Anwendungen sich KI-Tools gut eignen und für welche nicht. Und auch wie die Ergebnisse dann zu bewerten sind. Hier kommt man ohne eine gewisse Auseinandersetzung mit der Materie nicht aus.

Welche Gefahren siehst du mit der KI-Revolution verbunden?

Die Gefahr, dass wir alle unsere Arbeitsplätze an die KI verlieren werden, sehe ich nicht. Im beruflichen Kontext sehe ich die Gefahr, KI-Tools entweder zu unreflektiert oder gar nicht zu nutzen, sodass Produktivität und Qualität der eigenen Arbeit im Vergleich zum Durchschnitt der arbeitenden Bevölkerung nicht mehr mithalten können. Eine aktuelle Studie der Harvard Business School zeigt, dass Unternehmensberater der Boston Consulting Group mit KI-Tools (insbesondere ChatGPT) ihre Aufgaben im Durchschnitt 25 % schneller und mit 40 % besserer Qualität erledigen konnten als ohne. Der Twist dabei: Die Berater in der Studie, die zu starkes Vertrauen in die KI hatten bzw. die Tools zu unreflektiert verwendeten, erreichten mit KI schlechtere Ergebnisse als ohne.

Mit Blick auf die Gesellschaft sehe ich die große Herausforderung darin, dass es durch die modernen KI-Tools immer schwieriger wird, Wahrheit von Unwahrheit zu unterscheiden. Mit ChatGPT kann auch der verworrenste Anhänger:innen kruder Verschwörungsmythen diese plötzlich in geschliffener Sprache mit den schönsten Argumentationsketten wiedergeben und mit KI-basierter Zielgruppenanalyse dabei genau die verwundbarsten, empfänglichen Gruppen für diese Themen erreichen. Durch KI-Bildgeneratoren wie Midjourney können „Fake-News“ Artikel nun auch noch mit vollkommen echt aussehenden Fotos unterlegt werden, die so nie gemacht wurden. Hier sind wir sicher alle gefragt, uns dieser Herausforderung zu stellen.

Link zur Studie der Harvard Business School: https://www.hbs.edu/ris/Publication%20Files/24-013_8f3583c2-2e9a-4379-9697-a93bd6a84133.pdf

Max Beinhofer hat in Freiburg Mathematik studiert. Danach Promotion in Informatik an der Schnittstelle von KI und Robotik. Er war 10 Jahre Leiter der Entwicklungsabteilung für kognitive Systeme (KI, Robotik, Bildverarbeitung) bei der TGW Logistics Group in Wels. Seit 2023 ist er als KI-Berater selbstständig.