Mit sichtlicher Genugtuung begrüßte Alexandra Fiedler-Lehmann ihre Podiums- und Publikumsgäste gerade in der alten WU Wien – eine der Brutstätten des Neoliberalismus in Österreich – zur Diskussionsveranstaltung »Klimakiller Kapital«. Wir suchten Antworten auf die Fragen, ob es überhaupt möglich ist, nachhaltig – im Sinne von ökologisch und sozial nachhaltig – Geld anzulegen, wie seriös Banken dazu beraten, wie sehr im Finanzbereich Greenwashing betrieben wird, und ob man das als »einfache Konsument:in« überhaupt irgendwie durchschauen kann.

 

(alle Fotos: M. Savic)

 

 

Alexandra Fiedler-Lehmann, Mitglied der Regionalleitung Wien und Initiatorin der Veranstaltung, erzählte von ihrer Motivation, über dieses Thema zu sprechen: »Es ist einfach die Moral hochzuhalten, wenn man nichts zu veranlagen hat. Aber als vor zwei Jahren mein Vater starb und meinem Bruder und mir eine relativ große Summe vererbte, wurde auch ich moralisch auf die Probe gestellt: Bei einer Inflation 7–10%, könnte man schon ins Wanken geraten … Ich blieb standhaft, habe allerdings festgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, Geld in garantiert nachhaltige Anlagen zu investieren. Je mehr ich mich mit dem Thema befasste, umso mehr wuchs einerseits meine Verwirrung, andererseits auch mein Ärger: Als Konsumentin ist es nur sehr schwer möglich, sich einfach, objektiv und faktenbasiert über nachhaltige Geldanlage zu informieren. Dabei wäre es für die Transformation, die unsere Wirtschaft nötig hat, immanent wichtig, das Kapital in wirklich nachhaltige Bahnen zu lenken. In Deutschland z. B. sind 40 Prozent der börsennotierten Unternehmen für 80 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich! Und 70 Prozent der Finanzprodukte kommen überhaupt aus den USA und unterliegen nicht den ESG-Vorgaben der EU. Dann kommt es zur paradoxen Situation, dass Menschen im Biosupermarkt einkaufen, für Care Lebensmittelpakete für Somalia spenden, und trotzdem unwissentlich mit Lebensmittel, Öl, Pestiziden und/oder Amazon Aktien spekulieren. Sie kaufen sich Gold (Österreicher:innen besitzen 560 Tonnen Gold, mehr als die Nationalbank) und spenden Greenpeace für den Erhalt des indonesischen Regenwaldes (die größte Goldmine der Welt befindet sich in Indonesien) … Es braucht mehr Bewusstsein für dieses Thema! Immerhin verfügen die Österreicher:innen über ein privates Geldvermögen von 675 Milliarden Euro (2018)!«

Zusätzlich inspiriert von einem Artikel im Magazin Original von Sarah Kleiner lud Alexandra Fiedler-Lehmann auch noch den WWF-Finanzexperten Jakob Mayr und den Ökonomen und Wirtschaftsethiker Herbert Ritsch in die alte WU ein. Die Veranstaltung wurde von der Genossenschaft für Gemeinwohl unterstützt.

Die Auswüchse des Kapitalismus – Sarah Kleiner

Sarah Kleiner wies in ihrer Keynote auf einige haarsträubende Auswüchse unseres Wirtschaftens hin: Angetrieben von einem Werbebudget, das weltweit geschätzt 700 Milliarden Dollar ausmacht, landet ein Drittel der Lebensmittel, die global hergestellt werden, im Müll, Amazon vernichtete 2020 1,4 Millionen Retourpakete aus Österreich und hierzulande werden zudem pro Jahr 200.000 Tonnen überflüssige Kleider weggeschmissen.

Optimistisch stimmen Sarah die Lösungen, die es bereits gibt, die aber forciert gehören. Sie lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:

  1. Neue Formen der Wirtschaft und Gesellschaft, die auf Wachstum mit neuen Attributen setzen (Grünes / nachhaltiges Wachstum, nachhaltiges Investment, Green Economy, Shared Value Creation)
  2. Neue Formen der Wirtschaft und Gesellschaft, die Wachstum als Problem thematisieren und versuchen die Wachstumsabhängigkeit zu verringern. (Wachstumskritik, Postwachstumsgesellschaft, Degrowth-Bewegung, Grünes Schrumpfen)
  3. Neue Formen der Wirtschaft und Gesellschaft, die das Wohlbefinden der Menschen ins Zentrum rücken (Gemeinwohlökonomie, solidarische (Land-)Wirtschaft, Kooperation statt Konkurrenz)
  • Zahlreiche realistisch umsetzbare Möglichkeiten sind bereits in Ausarbeitung: Umverteilung durch Vermögens- und Erbschaftssteuern, Bedingungsloses Grundeinkommen, Lieferkettengesetz, Klimaschutz in der Verfassung, uvm.

Von der Natur lernen: Sarah beendet ihre Keynote mit dem wunderbaren Beispiel eines Einzellers (Physarum Polycephalum), der weder Hirn noch Herz hat, aber dennoch intelligent und effizient wachsen kann.

Abbildung 1 Foto Audrey Dussutour

 

Es brennt nicht nur der Hut – Jakob Mayr

Jakob Mayr vom WWF verdeutlichte dem Publikum nochmal die Brisanz des Themas und die Notwendigkeit des raschen Handelns: »Wir haben nicht nur eine Klimakrise, sondern auch eine Biodiversitätskrise und nicht zu handeln ist keine Option, da wir derzeit auf eine Erwärmung von über 3 Grad zusteuern.

Abbildung 2 showyourstripes.info

In Österreich haben wir uns vorgenommen, bis 2040 klimaneutral zu wirtschaften. Banken könn(t)en dafür sorgen, dass das Kapital in die Transformation der Wirtschaft (der Industrie und der Privaten) fließt.

Die letzte Studie des WWF zur Nachhaltigkeitsentwicklung österreichischer Retailbanken fiel bedauerlicherweise nicht sehr vielversprechend aus. In Kürze erscheint allerdings die neue Studie. Der WWF publiziert auch einen Guide für Nachhaltige Finanzen, den man hier downloaden kann.«

Wunsch und Wirklichkeit – Herbert Ritsch

Herbert Ritsch, Ökonom und Wirtschaftsethiker, hat gemeinsam mit der Arbeiterkammer eine umfangreiche Studie zum Thema »Nachhaltige Finanzprodukte« verfasst. »Die Ergebnisse sind ernüchternd. Einerseits fragen nur zwei von zehn privaten Anleger:innen überhaupt nach nachhaltigen Finanzprodukten. Andererseits werden jene, die danach fragen, auch noch schlecht beraten. Wir sehen auf dem Papier einen massiven Anstieg nachhaltiger Publikumsfonds, allerdings werden diese Angaben nicht überprüft. Wird weiterhin so investiert wie jetzt, sehen wir uns mit einer Erwärmung von 5,5 Grad (!) konfrontiert.

Abbildung 3 – https://www.schroders.com/en/lu/professional-investor/featured/climate-change-dashboard/

 

Tatsache ist allerdings, dass institutionelle Anleger:innen wie Pensionsfonds klar nachhaltiger geworden sind. Wie soft oder wie hart diese Kriterien sind, steht auf einem anderen Blatt.«

Die Studien von Herbert Ritsch et al sind hier nachzulesen: https://www.esgsolutions.at/esg-studien

 

Verantwortung und Handeln – das Publikum

Ob die Nachfrage nach nachhaltigen Investitionen nun vermehrt privat oder institutionell angetrieben werden soll, war man im Publikum geteilter Ansicht. Nicht so darüber, dass es definitiv dringend an der Zeit ist, dass die Politik der Finanzwirtschaft verbindliche Vorgaben macht. Selbst in ETFs zu investieren, ist aus ökologischer Sicht nicht ratsam.

Ein junger Aktivist des Fridays for Future Ablegers »Letzte Generation« hat eindringlich zum Handeln aufgefordert. Alle Akteur:innen müssen jetzt gemeinsam für Umwelt- und Klimaschutz aktiv werden. Wir hätten keine Zeit mehr zu verlieren!

Gewinn statt Verzicht

Zwei Teilnehmer erzählten davon, wie sie Arbeits- gegen Freizeit eingetauscht hätten und dadurch Lebensqualität gewonnen hätten. Sarah Kleiner betonte ergänzend, wie wichtig es sei, einen neuen, bescheideneren Lebensstil auch medial als wünschenswert darzustellen. Das Original Magazin würde vermehrt positive Stories veröffentlichen, um Klimaangst und Hoffnungslosigkeit entgegenzuwirken.

Fragen, die übrig blieben

Alternative Finanzprodukte von Anbieter:innen wie der Crowdfundingplattform Greenrocket sind moralisch sehr hochwertig, aber auch sehr risikobehaftet. Man müsse eventuell damit leben können, das gesamte Kapital zu verlieren. Allerdings ließen sich damit auch gute Erträge erzielen.

Die deutsche Umweltbank bietet ebenso einwandfreie Öko-Produkte, allerdings verknüpft mit sehr hohen Spesen.

Gold ist nur dann eine Alternative, wenn es sich um gebrauchtes Gold wie z. B. bei Ögussa handelt. Allerdings gibt´s auf Gold keine Zinsen.

Bei Oikokredit ist man moralisch auf der sicheren Seite, nur muss man sich mit einer Dividende von nur 2 Prozent abfinden. Das Versprechen, diese 2 Prozent zu erwirtschaften, konnte in den letzten Jahren nicht immer eingehalten werden.

As good as it gets -–Alexandra Fiedler-Lehmanns Kompromiss
Den Großteil meines Geldes habe ich der Gutmann Bank überantwortet. Dort wurde ich trotz meiner – für eine Privatbank geringen – Investitionssumme als potenzielle Kundin wertgeschätzt und mein Wunsch nach Nachhaltigkeit wurde ernst genommen. In mehreren, ausführlichen Gesprächen wurden mir die aktuellen Möglichkeiten und Grenzen aufgezeigt. Letztlich überzeugte mich die Ehrlichkeit und das Bekenntnis, so nachhaltig wie zum derzeit Möglichen zu investieren.

 

Quellen, Links und weiterführende Infos

1.) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/816537/umfrage/brutto-geldvermoegen-der-privaten-haushalte-in-oesterreich/

2.) https://www.derstandard.at/story/2000120338556/im-schnitt-besitzt-jeder-oesterreicher-ein-halbes-kilo-gold

Grüne Wirtschaft Wien

Genossenschaft für Gemeinwohl

wwf.at

Magazin Original

Esgsolutions.at

Fridaysforfuture

www.umweltzeichen für Finanzprodukte

www.gemeinwohlkonto.at/