Der professionelle Weltverbesserer

Christian Rüther #vordenvorhang
Christian Rüther (@Aleksandra Pawloff)

Christian Rüther ist ein Pionier der Soziokratie: »Ein schrecklicher Name, der nach einer Kreuzung von ‘Sozialismus’ und ‘Bürokratie’ klingt, allerdings auch hilfreiche Elemente von beiden enthält«. Seit ein paar Jahren wird dieses Organisationmodell immer bekannter und beliebter, »weil keine Stimme ignoriert werden kann, und weil es effizient zu Entscheidungen führt, die von allen getragen werden«, erklärt Christian.

Ursprünglich hat Christian Lehramt Deutsch/Geschichte AHS in Berlin studiert, bis ihn die Liebe nach Wien zog. »Die Liebe ging, Wien blieb und inzwischen lebe ich als ‘Piefke’ sogar im Gemeindebau (dank EU).« Er bezeichnet sich gerne als »professionellen Weltverbesserer« und war gut 15 Jahre als GFK-Trainer aktiv (GFK = Gewaltfreie Kommunikation). Inzwischen liegt sein Schwerpunkt auf der Soziokratie und »New Work«, d.h. verschiedenen Zugängen für mehr Partizipation, Sinn und Freude am Arbeiten.

Die Wege in die Selbstständigkeit sind so verschieden wie die Menschen, die dahinter stehen. Unter anderem deshalb, finden wir es unglaublich bereichernd, unsere Unternehmerinnen und Unternehmer wöchentlich vor den Vorhang zu holen und von ihnen zu lernen:

Was hat dich inspiriert, dich selbstständig zu machen?

Christian Rüther: Fehlende Alternativen. Ich wusste als Lehramtsstudent, dass ich nicht Lehrer werden wollte, aber nicht, was ich wirklich wollte. Da ergab sich die Möglichkeit, eine Ausbildung in der Gewaltfreien Kommunikation abzuschließen. Ich sagte mir: »Wenn ich die Zertifizierung schaffe, dann werde ich GFK-Trainer!« Es gab keinen Plan B und wenig Gedanken, was »Selbstständig sein« bedeutet.

Im ersten Jahr habe ich mich permanent überfordert, sodass ich eine Durchblutungsstörung im Gehirn bekam, eine kurze Zeit gar nicht mehr reden konnte, was recht ungünstig für einen Kommunikationstrainer ist. Seitdem ist der innere Garfield stark an meiner Seite und sorgt dafür, dass es genügend Ruhepausen gibt und ich nicht »selbst« und »ständig« arbeite.

Was ist »grün« an deinem Unternehmen?

Ich habe mich sieben Jahre lang für GWÖ (wieder ‘ne Abkürzung = Gemeinwohl-Ökonomie) engagiert und auch einige GWÖ-Bilanzen erstellt. Die letzten beiden Berichte habe nach diesem Leitfaden erstellt, aber sie nicht mehr auditieren lassen, weil es für mich als EPU nicht wirklich viel bringt.  Die GWÖ ist für mich der strengste und umfassendste Nachhaltigkeitsansatz und ich versuche mich daran zu orientieren. So bin ich im letzten Jahr nur ein Mal geflogen, weil es zeitlich nicht anders ging und ansonsten sehr viel mit der Bahn gefahren. Wien – Heidelberg und Wien – Aachen sind schon ein paar Stündchen und das ist wohl mein größter CO2-Sparbetrag.

Wofür brennst du als Unternehmer?

»Brennen« klingt mir persönlich zu stark, weil ich immer wieder in meinen inneren Nihilisten hineinfalle, dem alles wurscht ist und der wenig Sinn im Dasein sieht (»Wir sind eh später alle Würmerfutter!«). Wenn dieser Teil wieder ruhig ist, dann bin ich mit meinem professionellen Weltverbesserer verbunden, der sich für mehr Menschlichkeit, mehr Gemeinwohl einsetzt, der mitgestalten und einfach Spaß an der Arbeit haben will. Die GFK und die Soziokratie sind einfach Ansätze, die dabei sehr hilfreich sind.

Ich bin dankbar, dass ich Kundinnen und Kunden habe, die mit mir spielen wollen und ich so meinen Beitrag leisten kann. Das ist schon eine große Freiheit und Lebensqualität, so arbeiten zu können.

 

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Annalena Goldnagl.

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