Go deep not far – bereichernde Eindrücken mit Witz-und-Wärme-Garantie

Grätzl-Werk-Stadt NO. 42: Ein Kreativtrio macht den Ottakringer Bach wieder hörbar

 

© Extraplan

Auf neun Kilometern Länge reisen wir fast vier Stunden entlang eines Baches, den es einst gab. Viele wachsame Wiener:innen staunen nicht schlecht, wenn sie den ansprechenden Plan für den Walk entlang des Ottakringer Baches aufschlagen. »Ich wusste gar nicht, dass es den gibt«, hört man da nicht selten. Projektidee und Umsetzung stammen vom Kreativtrio Extraplan. »Der informierte Blick ist ein anderer als der naive, er wird aktiv und mobil. So kann die Erkundung der näheren Umgebung mitunter bereichernder sein als die oberflächlich begangene Fernreise«, erzählt die Website. Wie es zur Idee kam, was sie bewirken will und wohin die Reise des Projekts geht, hat Sonja Franzke bei Extraplan nachgefragt.

 

Ihr seid als Extraplan eine erfolgreiche Kreativagentur, die gerne Geschichten erzählt. Was hat euch dazu bewogen in den nachhaltigen Wien-Tourismus zu begeben?

Wir lieben das Reisen und wir sind auch gerne Tourist:innen in der eigenen Stadt! Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass eine Reise nur dann imstande ist, den Horizont zu erweitern, wenn sie langsam und achtsam begangen wird. Deshalb wollen wir, Menschen mit einfachen Mitteln zu tiefgehenden Reiseerlebnissen verhelfen. Oder sie dazu auffordern, direkt vor der Haustür auf Entdeckungstour zu gehen. Wir denken, dass die Erkundung der näheren Umgebung eine größere Bereicherung für das persönliche Erlebnis sein kann als die notgedrungen nur oberflächlichen Eindrücke, die eine Fernreise oder ein Wochenendtrip bietet. Ganz nach dem Motto „Go deep – not far“ eben! Und den Planeten macht diese Art des Reisens auch glücklicher.

 

Wie seid ihr auf die Idee gekommen bzw. wer hat den Bach ausgegraben?

Der Ottakringer Bach ist uns gewissermaßen entgegengesprudelt, weil zwei von uns dreien kürzlich nach Ottakring gezogen sind. Mit Vermittlungstechniken in der Museumspraxis, die über die gewohnten Bewegungen von Besucher:innen im Museumsraum hinausgehen, beschäftigen wir uns schon länger. Vermittlung im Außenraum erfolgt oft über eine physische Führung oder angebrachte Zeichen wie beispielsweise Lehrpfade. Angebote mit Führungen haben den Nachteil, dass sie nur terminabhängig mit Personal durchgeführt werden können. Im Außenraum angebrachte Beschilderung hat zwar den großen Vorteil der Geräteunabhängigkeit, ist aber kostenintensiv in der Produktion, wartungsaufwendig, unflexibel und von örtlichen Gegebenheiten praktisch und juristisch abhängig. Ein Audiowalk ist also quasi die Lösung. In den letzten Jahren haben Podcasts im medialen Alltag deutlich an Boden gewonnen. Das gilt noch mehr für die Zeit der pandemiebedingten Lockdowns. Auf Erstellerseite sind es die günstigen Kosten, auf Konsumentenseite die leichte Integration in den Alltag, die das Format so beliebt machen. Eigentlich ist es ganz einfach: Menschen hören gerne Menschen zu und freuen sich über die grundsätzliche Flexibilität des Mediums. So können wissenschaftliche Inhalte niederschwellig mit menschlicher Wärme, Witz und vergleichsweise geringem Kosteneinsatz vermittelt werden.

 

Wie war es, ein Projekt ohne Auftraggeber:in zu verwirklichen, habt ihr Sponsor:innen oder Förderungen gehabt. Oder anders gefragt: Ist man nicht stets verlockt, den bezahlten Auftrag vorzuziehen?

Es gibt bei uns im Büro eine Wand mit vielen gelben Post It’s. Realistische, utopische, absurde Ideen – hier kleben sie alle. Und die Idee einen Audiowalk in Kombination mit einer Karte zu entwickeln, steht auf einem dieser Post It’s. Wir haben sie also schon eine Zeit lang mit uns herumgetragen. Den Anstoß zur tatsächlichen Umsetzung hat uns schlussendlich eine Förderung, ausgeschrieben vom bmkös und dem Museumsbund Österreich, gegeben. Wir hatten hier völlig freie Hand, und mit einem zusätzlichen Zuschuss vom Bezirk Ottakring (MA7) konnten wir so einen Prototypen nach unseren Vorstellungen entwickeln. Ohne Auftraggeber:in lässt sich der Spielraum und die Freiheit natürlich ganz anders genießen – der eigene Perfektionismus ist allerdings nicht zu unterschätzen, eine andere Hürde, die wir hier überwinden mussten. Die Zeit für solche Herzensprojekte ist zwischen bezahlten Aufträgen rar, und wir freuen uns umso mehr, dass wir dieses hier nun wirklich in die Welt hinaus schicken können.

 

© Extraplan

Die Teilnahme am Walk ist kostenlos, was versprecht ihr euch als Agentur von dem Projekt und wann ist es für euch ein Erfolg? Wen habt ihr als Zielgruppe am Projektstart  festgelegt?

Die kostenlose Teilnahme ist uns in diesem Pilotprojekt sehr wichtig. Es geht schließlich darum ein breites, lokales Publikum für die eigene Umgebung zu begeistern.

Ein Erfolg wird es also zum einen sein, wenn wir Menschen dazu bringen, unsere Karte in die Hand zu nehmen und vor der Haustür mithilfe des Audiowalks auf Entdeckungsreise zu gehen. Für uns als Agentur werden zum Anderen das Feedback und die persönlichen Erfahrungen der Besucher:innen wertvoll sein, um diese Idee weiterentwickeln zu können. Unser Ziel ist es, für den Tourismusbereich und die Museumslandschaft ein Angebot schnüren zu können, das leichtfüßig, bereichernd und nachhaltig ist und dabei den Reality-Check von Kosten, Aufwand und Nutzen besteht.

 

Wohin soll die Reise weitergehen?

Oh – es gibt in Wien noch einige Flüsse, die ausgegraben werden wollen!

Und natürlich gibt es bereits neue Ideen für die Verschränkung von Geschichtsebenen mit informativen, ansprechenden Karten.

Wenn du Lust bekommen hast, dich selbst auf die Reise entlang des Ottakringer Baches zu begeben, findest du hier alle Geschichten, die dir der Fluss erzählen kann.