Profil berichtet: Anfechtung der Diversion durch Staatsanwaltschaft wurde stattgegeben – Strafausmaß zu gering
Anfang März d. J. war beim Bezirksgericht Neusiedl das erste Verfahren gegen einen Wirtschaftskammerfunktionär des ÖVP-Wirtschaftsbundes und seine Frau nicht rechtskräftig diversionell erledigt worden. Das Gericht hatte beide Angeklagte zur höchstmöglichen Geldstrafe verurteilt, dagegen hat die Staatsanwaltschaft jedoch Beschwerde erhoben. Als Begründung des ihrer Ansicht nach nicht ausreichend hohen Strafausmaßes war insbesondere angeführt worden, dass der Angeklagte gewählter Funktionär der Wirtschaftskammer sowie Wahlzeuge war und somit die Wahlmanipulation deutlich schwerer wiegt. Eine Diversion werde der Schwere des Vergehens nicht gerecht.
Dieser Tage wurde bekannt, dass das Landesgericht Eisenstadt Mitte Mai der Beschwerde Folge gegeben hat. Somit muss das Verfahren am Bezirksgericht Neusiedl neu verhandelt werden.
In der Begründung der Entscheidung stellt der zuständige Richter des Landesgerichts Eisenstadt klar fest, dass er sich der Argumentation der Staatsanwaltschaft anschließt. Freie und unbeeinflusste Wahlen stellen den »Grundpfeiler eines demokratischen Rechtsstaates dar«. Jede Manipulation ist daher »höchst unerwünscht« und eine Diversion nur in »besonderen Ausnahmefällen« möglich.
Wahlen korrekt und fair durchführen – Verantwortung der Wirtschaftskammer-Funktionär:innen muss geklärt werden
Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft dazu: »Die Entscheidung des Landesgerichtes Eisenstadt ist sehr erfreulich. Wahlen müssen fair und korrekt durchgeführt werden, sonst ist die Demokratie in Gefahr. Die Vorgänge bei der Wirtschaftskammerwahl werfen ein schlechtes Licht auf die ÖVP-dominierte Wirtschaftskammer, die für die Abwicklung der Wahl zuständig ist.« Und weiter: »Es zeigt sich immer deutlicher, dass bei der WK-Wahl 2020 systematisch Wahlfälschung betrieben wurde. Damit ist klar, dass die Regelungen im Wirtschaftskammergesetz unzureichend sind und das Wahlrecht reformiert werden muss. Der ÖVP-Wirtschaftsbund verweigert aber bisher die Diskussion!«
Auch die burgenländische Regionalsprecherin der Grünen Wirtschaft, Anja Haider-Wallner zeigt sich erfreut und ergänzt: »Ich habe Anfang März 2020 bei der Stimmenauszählung auf die Manipulationen aufmerksam gemacht. Die Wahlkommission wollte meine Beobachtungen vom Tisch wischen. Deshalb haben wir damals die Sachverhaltsdarstellung gemacht. Es ist sehr erfreulich, dass nun unmissverständlich klargestellt wird, dass Wahlbetrug kein Kavaliersdelikt ist. Die Verantwortung der Funktionär:innen der Wirtschaftskammer Burgenland muss aber ebenfalls geklärt werden!«
Manipulationen auch in Oberösterreich und Tirol
Auch in Oberösterreich und Tirol wurden von der Grünen Wirtschaft Sachverhaltsdarstellungen eingebracht. Während in Tirol noch das Ermittlungsverfahren läuft, standen in Wels Anfang Juni ein Wirtschaftskammerfunktionär und eine Funktionärin der Freiheitlichen Wirtschaft in einem sehr ähnlich gelagerten Fall vor Gericht. Auch diese Verhandlung wurde nicht rechtskräftig diversionell erledigt.
Bernhard Seeber, Regionalsprecher der Grünen Wirtschaft Oberösterreich dazu: »Auf Basis der Entscheidung des Landesgerichts Eisenstadt wäre meiner Meinung nach auch in Oberösterreich zu überlegen, ob die Strafe angemessen ist. Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft aktiv wird und sich der Forderung nach schärferen Konsequenzen – wie im Burgenland – anschließt.«
Die nächste Verhandlung zur Causa Wahlbetrug findet am 22. September um 11:30 Uhr am Bezirksgericht Neusiedl/See statt.