Die Grüne Wirtschaft lud ein zum gemeinsamen Nachdenken über die Post-Virus-Ökonomie.
Resümée der Online-Konferenz der Grünen Wirtschaft am 28. April 2020

In seiner Begrüßung zur großen Online-Konferenz brachte der Regionalsprecher der Grünen Wirtschaft Wien, Hans Arsenovic, die Motivation auf den Punkt. Im Gespräch mit seinem 14jährigen Sohn sei ihm klar geworden, welche Angst das Erleben der derzeitigen Krise bei ihm tatsächlich auslöst: „Die wirkliche Angst, die nach dem

Erleben vieler eigener und begleiteter Unsicherheiten übrigbleibt, ist die Angst, dass sich nichts ändern wird. Dass wir, dass die Wirtschaft und Gesellschaft so weitermacht wie bisher.“

Mit dieser Angst war er offensichtlich nicht allein, denn insgesamt beteiligten sich über 120 Menschen an dem dreistündigen Online-Gedankenaustausch.

Das Hauptthema, mit dem sich die Organisation der Grünen Unternehmer*innen seit Jahren auseinandersetzt, ist nun das Gebot der Stunde: Wie sieht ein nachhaltiges und tragfähiges Wirtschaftssystem nach der Krise aus?

In fünf Subbereichen, die den wichtigen Mix aus Theorie und Praxis abbildeten, wurde intensiv und realitätsnah diskutiert.

»Lerneffekte und wie wir sie umsetzen« Utopie vs Dystopie mit Guido Schwarz (Philosoph, Unternehmensberater, Regionalleitung Wien)

»Das Ende der Arbeit oder die Zeit für ein Bedingungsloses Grundeinkommen?« mit Sabine Jungwirth (Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft)

»Krisen sind die Chance des nachhaltigen Tourismus« mit Georg Kaltschmid (Hotelier, Landtagsabgeordneter, Stellvertretender Klubobmann der Tiroler Grünen, Vorstand des Tourismusverbandes Kaiserwinkl und Mandatar der Grünen Wirtschaft)

»Alles Online – auch die Regionalwirtschaft« mit Nunu Kaller (Autorin und Aktivistin, Initiatorin der Plattform auf der sich alle österreichischen Online-Shop-Betreiber*innen anmelden können)

Nach einer Keynote von Philosophin und Autorin Lisz Hirn wurden unterschiedliche Aspekte einer Post-Virus-Ökonomie behandelt.

Lisz Hirn sprach vom guten Leben, wobei das eigene gute Leben untrennbar mit dem guten Leben für alle verbunden sein muss. Denn die Trennung der Bereiche, sieht sie als Erfindung der Neuzeit. Für eine Ökonomie der Zukunft ist es besonders wichtig den Widerspruch zwischen begrenzten Ressourcen und unbegrenzter Gier zu bewältigen. Dazu müssen wir uns die Frage stellen, welche Tugenden und Laster wir derzeit fördern und wie wir zukünftig damit umgehen.

Den Fokus möchte sie dabei weniger auf den Verzicht, als vielmehr auf die Hinwendung zum Genuss legen, der jedoch unter der Herrschaft der Vernunft stehen muss.

Die Aufzeichnung der Keynote von Lisz Hirn findest du HIER.

Im Anschluss gab Unternehmensberater und Regionalleitungsmitglied Guido Schwarz konkrete Handlungsanweisungen, um die Wirtschaft in eine nachhaltige Richtung zu bewegen:

Ausgehend vom Schreckensbild einer Dystopie im Gegensatz zur Wunschvorstellung einer Utopie geht es darum, das „Big Picture“ zu sehen, in dem die Globalisierung neu gedacht werden muss.

Der Schwerpunkt muss in Maßnahmen bestehen, die Resilienz fördern, wie etwa Diversität und Lokalität in der Produktion. Gesellschaftlich wertvolle Arbeit muss einen deutlich höheren Stellenwert bekommen, inklusive entsprechender Entlohnung.

Kostenwahrheit im Konsum durch eine mutige CO2-Besteuerung sind ebenso notwendig wie die Senkung der Normalarbeitszeit auf 30 Wochenstunden oder eine Vollgeldwirtschaft.

Die Aufzeichnung der Session mit Guido Schwarz findest du HIER.

In den letzten Wochen wurden auch immer wieder Stimmen laut, die jetzt das Bedingungslose Grundeinkommen fordern. Durch den Lock-Down der Wirtschaft gibt es hier ein Fenster, darüber breit nachzudenken. Die Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth, beschäftigt sich schon seit Jahren mit diesem Thema und erklärt die vier Kriterien eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Es muss allgemein sein, also allen Bürger*innen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus muss es existenzsichernd und personenbezogen sein. Das heißt jede Person, unabhängig von Haushaltsgröße oder Beziehungsstatus hat Anspruch darauf. Natürlich muss es auch bedingungslos sein und es darf damit kein Zwang zu Arbeit oder sonstige Verpflichtungen verbunden sein. Die Bundessprecherin bemerkt aktuell eine Verhaltensveränderung bei den Menschen, aber sie sieht es trotzdem nicht als selbstverständlich an, dass wir diese in die Zeit nach Corona retten können. Denn es bräuchte ein großes Maß an Großzügigkeit. Auch die Bildung ist gefordert hier die jungen Menschen mit diesen Werten auszustatten.

Die Aufzeichnung der Session mit Sabine Jungwirth gibt es HIER.

Der Tiroler Landtagsabgeordnete und Hotelier Georg Kaltschmid ist als Unternehmer von der Krise unmittelbar betroffen. Von einem Tag auf den anderen war seine gesamte Branche lahmgelegt. Einige Unternehmen mussten schon nach den ersten Tagen Insolvenz anmelden. Georg Kaltschmid lebt und fordert schon seit längerem eine nachhaltigere Entwicklung im Tourismus. Der Massentourismus hat ein „Wettrüsten“ verursacht. In wenigen Monaten muss der Umsatz für das ganze Jahr erwirtschaftet werden. Der Schock des Shut Down kann gerade in seiner Branche jedoch einiges ins Positive drehen. Denn die Struktur, dass einige wenige große Häuser am Platz das Tourismuskonzept der ganzen Region dominieren, dürfte sich nun überholt haben.

Die Lösung liegt für Kaltschmid unbedingt in einer umfassenden Stärkung des Regionalen. Das bedeutet für ihn nicht nur, dass man Lebensmittel aus der Region verwendet, sondern dass auch die Wertschöpfung aus der Region kommt. Ganz wesentlich ist, dass die Bevölkerung genauso in die Konzepte integriert ist wie die Arbeitnehmer*innen, denn nur so kann Tourismus erfolgreich sein. Natürlich muss auch die Möglichkeit einer ökologischen Anreise und Mobilität vor Ort mitgedacht werden.

Die Aufzeichnung der Session mit Georg Kaltschmid findest du HIER.

Den Abschluss der Konferenz bildete das Gespräch mit Nunu Kaller. Die Wiener Autorin und Aktivistin hat in den letzten Wochen eine Plattform für österreichische Geschäfte, die auch online verkaufen, initiiert. Sie erzählt von der breiten Resonanz auf diese Website und davon, dass es mittlerweile über 6.000 Händler*innen sind, die sich bei ihr gemeldet haben.

Natürlich stellt das plötzliche Umstellen der Vertriebswege für viele kleinere Unternehmen eine strukturelle Herausforderung dar. Doch die Veränderung des Kaufverhaltens, die viele neue Kund*innen mit dem Online-Geschäft vertraut gemacht hat, wird ihrer Meinung auch langfristige Veränderung mit sich bringen. Dafür haben die Unternehmen genauso wie der Wirtschaftsstandort sehr raschen Aufholbedarf in Sachen Digitalisierung.

Auch lade die Struktur der österreichischen Klein- und Mittelbetriebe unbedingt dazu ein, über kollektive Vertriebsstrukturen nachzudenken. Auf jeden Fall ist es das Gebot der Stunde, die verstärkte Wertschätzung des regionalen Handels, die sich in der Krise gezeigt hat, durch eine stete Verbesserung zu erhalten und weiter zu fördern.

Die Aufzeichnung der Session mit Nunu Kaller gibt es HIER.

Eine Zusammenschau der intensiven drei Stunden hat nicht nur eine sehr positive Stimmung bei den vielen Teilnehmer*innen hinterlassen. Da und dort ließe sich viel durch gemeinsames Agieren und Bewusstmachen gerade jetzt auf neue Beine stellen.

Hans Arsenovic resümiert: „Wir haben für viele Bereiche Konzepte in den Schubladen, für die wir konkrete Schritte ausarbeiten können. Diese sehr fordernde Zeit kann uns als Gesellschaft die Kraft verleihen, sie in die Umsetzung zu bringen. Nach diesem sehr hoffnungsvollen Nachmittag bin ich zuversichtlich, dass wir etwas bewegen werden.“

Die Online-Konferenz war der Start von vielen Veranstaltungen und Gesprächen zum Thema Post-Virus-Ökonomie. Wenn du auch Mitdenken möchtest, schick uns ein Mail.