Sandra Falkner & Claudia Bergero, Alpengummi
Sandra Falkner & Claudia Bergero, Alpengummi (Foto: Wolfgang Riepl)

INNOVATION AUS DEM WALD

»Beinahe jeder verwendet ihn, doch keiner weiß so richtig, was in ihm steckt – der Kaugummi«, sagen Claudia Bergero und Sandra Falkner, die Erfinderinnen von Alpengummi.

Als sie herausgefunden haben, dass die meisten Kaugummis aus synthetischen Polymeren auf Erdölbasis hergestellt werden, waren sie schockiert. Doch nach der Entdeckung, dass Baumharze bereits seit Jahrtausenden gekaut werden, lag die Lösung für die beiden Umweltwissenschafterinnen auf der Hand und sie erfanden »Alpengummi«: den ersten natürlichen Kaugummi, dessen Kaumasse aus heimischem Baumharz und Bienenwachs besteht.

Die Idee wurde im Rahmen einer gemeinsamen Lehrveranstaltung auf der BOKU entwickelt. Nach einer langen Produktentwicklungsphase in der eigenen Küche, gründeten Claudia und Sandra im Frühjahr 2019 ihre Firma (Bergfalke GmbH – aus »Bergero« und »Falkner«). In einer gemieteten Küche im 6. Bezirk in Wien haben sie bisher circa 50.000 Kaugummipackungen händisch produziert.

Nun soll der nächste große Schritt gemacht werden: die Auslagerung der Produktion. Dafür (bzw. für die Anschaffung der Maschinen) sammeln sie im Rahmen einer Crowdfunding Kampagne Geld von ihrer Crowd.

Was hat euch inspiriert, euch selbstständig zu machen?

Claudia Bergero und Sandra Falkner: Wir haben uns in unserem internationalen Master der Umweltwissenschaften kennengelernt – genauer gesagt in Kopenhagen. Da haben wir bemerkt, dass wir in Wien drei Jahre lang im selben Haus gewohnt haben, ohne uns zu kennen. Im zweiten Jahr hatten wir auf der BOKU eine gemeinsame Lehrveranstaltung, wo es um Innovationen im Forstsektor ging.

Auf der Suche nach einer Innovation aus dem Wald stießen wir auf den Rohstoff Baumharz, über den wir eigentlich bis dahin gar nichts wussten. Wir fanden heraus, dass Baumharze immer schon gekaut wurden, und dass Föhrenharz in Niederösterreich im Rahmen eines aussterbenden Traditionshandwerks noch per Hand gewonnen wird.

In diesem Sinne fragten wir uns, woraus denn Kaugummis wohl heute bestehen. Das war gar nicht so leicht: auf den Kaugummipackerln handelsüblicher Kaugummis steht nur »Kaumasse« angeschrieben, aber niemand weiß, was das eigentlich bedeutet. Wir waren schockiert, als wir die Antwort herausgefunden haben: Die Kaumasse besteht zu einem Großteil aus synthetischen Polymeren, also quasi Plastik.

Zu dem Zeitpunkt (vor ca. drei Jahren) wusste so gut wie niemand woraus Kaugummis bestehen. Von Anfang an bekamen wir viel positives Feedback zu unserer Idee, und es war uns klar, dass wir das einfach weitermachen müssen.

Was ist grün an eurem Unternehmen?

Bei unserem Alpengummi weiß man, im Gegensatz zu konventionellen Kaugummis, genau was drin steckt – und zwar nur Natur.

Die Kaumasse von unserem Alpengummi gewinnen wir aus heimischem Baumharz und Bienenwachs. Wir substituieren somit ein erdölbasiertes Produkt – Kaugummis enthalten ja nicht nur in der Kaumasse Plastik, sondern sind außerdem in Plastik & Aluminium verpackt. Unsere Verpackung besteht zu 100 Prozent aus PEFC-zertifiziertem Karton.

Durch die Verwendung von niederösterreichischem Föhrenharz unterstützen wir das alte Traditionshandwerk der Pecherei (Harzgewinnung). Gesüßt wird nur mit zahnfreundlichem Birkenzucker (Xylit) – somit wird auf künstliche Süßungsmittel wie Aspartam & Co verzichtet.

Als Umweltwissenschafterinnen war es uns von Anfang an wichtig, dass alles so nachhaltig wie möglich vonstatten geht. Bei uns kommt nur Natur in den Kaugummi, und wir achten darauf, dass alle Inhaltsstoffe so nah wie möglich gewonnen werden, um große Transportwege und damit einhergehende CO2 Emissionen zu vermeiden.

Wofür brennt ihr als Unternehmerinnen?

Wir brennen für unser Projekt und unsere Idee. Wir finden, dass die Leute ein Recht darauf haben, zu wissen was sie konsumieren und woraus ihre Lebensmittel bestehen. Der Kaugummi ist nur ein kleiner Teil im Leben der Konsument*innen, aber trotzdem verwendet ihn jeder Dritte regelmäßig. Dabei unterstützen sie unwissend einen Riesenkonzern: Der Kaugummimarkt wird zurzeit von einer einzigen Firma zu ca. 95 Prozent dominiert – d.h. dass 95 Prozent der Kaugummimarken, die man vom Supermarkt her kennt, zu einer einzigen Übermarke gehören. Wir sind überzeugt, dass es im Lebensmittelmarkt, sowie in allen anderen Märkten, regionale Lösungen braucht.

Gleichzeitig macht es uns auch einfach sehr viel Spaß, selbstständig zu sein! Wir stehen dauernd vor neuen Herausforderungen, und lernen tagtäglich so viel dazu. Durch die vielen positiven Rückmeldungen, die wir bekommen, wissen wir, dass wir einen wichtigen Teil zur Änderung beitragen können. Wir möchten Teil eines Umschwungs zu einer nachhaltigeren & schöneren Welt sein.

Welche Auswirkungen hat der derzeitige »Stillstand« auf euer Unternehmen?

Der Offline-Verkauf über den Einzelhandel ist bei uns mit Corona fast vollständig weggefallen, da die meisten Geschäfte zusperren mussten und auch die Leute einfach weniger einkaufen gehen. Auch die Crowdfunding Kampagne, die wir eigentlich im März machen wollten, hat sich lange verschoben, da wir nicht wussten, ob es nun mit Corona überhaupt Sinn hat, sie zu machen. Aber wir brauchen halt das Geld dringend, und haben uns deswegen trotzdem dazu entschlossen sie durchzuführen.

Was macht ihr, um durch diese schwierigen Zeiten zu kommen?

Wir konzentrieren uns derzeit auf den Online-Verkauf über unseren Onlineshop, auf Social Media Marketing, sowie auf unsere Crowdfunding Kampagne. Außerdem nehmen wir auch staatliche Hilfen in Anspruch. Es ist toll, dass Staat und Stadt Kleinunternehmen wie uns in dieser schwierigen Zeit unterstützen.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Katharina Thum.

Links:

Website: alpengummi.at
Crowdfunding-Kampagne: startnext.com/alpengummi
Facebook: facebook.com/alpengummi
Instagram: instagram.com/alpengummi