Spannungsfeld Tourismus – Warum wir unsere Berge retten müssen: Unter diesem Motto diskutierte eine ExpertInnenrunde auf Einladung der Grünen Wirtschaft in Innsbruck.

Weiße Schneebänder in spätsommerlicher Landschaft, die im Föhn vor sich hinschmelzen: Mit diesen Bildern hat der „Wintertourismus“ in den vergangenen Wochen Schlagzeilen gemacht. Während der Klimawandel dem Schnee auch in höheren Lagen immer stärker zusetzt, planen lokale Liftkaiser unverdrossen immer gigantischere Projekte.

Und dann gibt es noch die Patscherkofelbahn. Von der vorherigen Stadtregierung einst beauftragt und um 80 Millionen Euro gebaut. „Das schlägt ordentlich im Budget auf, wenn das Jahresbudget 350 Mio beträgt“, sagt der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi. „80 Millionen Euro – und dann kommt der Föhn.“

80-Millionen-Euro-Lift für die Föhnschneise

Innsbruck liegt 570 Meter über dem Meer, alle umgebenden Schigebiete liegen nicht viel höher. Und in einer Föhnschneise. Man habe im Vorfeld eine wissenschaftliche Analyse eingeholt, erzählt Willi. „Das Ergebnis war eindeutig: Patscherkofel, macht’s dort keinen Lift. Was hat die Stadt getan: den Lift gebaut.“ Wenn die Bahn ab Windgeschwindigkeiten von 75 km/h gesperrt würde, müssten regelmäßig Menschen mit Kleinbussen vom Berg geholt werden. Willi: „Das kann man besser machen.“

Darum ging es bei der Podiumsdiskussion der Grünen Wirtschaft am 23. November in Innsbruck: um Lösungen. Oder besser: um Visionen für den Tourismus. Der Fremdenverkehr würde derzeit nur zwei Extreme kennen: regionale Wertschöpfung oder „Overtourism“ meint etwa Tobias Luthe, Nachhaltigkeitsforscher an der ETH Zürich: „Wir brauchen Kreisläufe, wo der Tourismus nicht mehr als Industrie gesehen wird, sondern verzahnt ist, wo auch regionale Tischler und Förster ins touristische Erleben miteinbezogen werden.“

Hebel- und Ökopunkte für Touristen mit Verantwortung

Luthe spricht von „Hebelpunkten“, die in Summe komplexe Probleme lösen sollen: Etwa die des Transports, der 75 Prozent der Emissionen im Tourismus ausmache. E-Downhillbikes sollen Schitourismus und Lifte ersetzen, oszillierende „Windstäbe“ die Energieversorgung übernehmen, ein Ökopunkte-System den Touristen in die Verantwortung nehmen.

Derzeit werde eher „Schitourismus mit der Brechstange“ betrieben, meint der Tiroler Bio-Hotelier Georg Kaltschmid: „Die Menschen kommen wegen unberührter Natur und wir bieten ihnen weiße Schneebänder und Massentourismus – das ist visionslos und kurzsichtig.“

Kaltschmid – er ist auch Abgeordneter zum Tiroler Landtag und Mandatar der Grünen Wirtschaft – war einer der Ersten, der auf die Bio-Speisekarte aus der Region setzte. „Ich kann meinen Gästen nichts anbieten, was ich selber nicht essen würde,“ erzählt der Hotelier. „Am Anfang bin ich dafür ausgelacht worden. Aber ich habe bewiesen, dass man damit auch ökonomisch erfolgreich sein kann. Es muss transparent und ehrlich sein, dann sind Gäste auch bereit, den Preis dafür zu zahlen. Nachhaltiger Tourismus ist möglich.“

Überzeugungsarbeit mit Fakten und dem Faktor Spaß

Uneinig waren sich die ExpertInnen darüber, wie ein Wettrüsten der Schigebiete nach dem Motto: „Wenn wir es nicht machen, bauen es die anderen“ verhindert werden könnte. Luthe glaubt an die Selbstverantwortung des Touristen: „Wir müssen näher dran sein an den Kunden und sie mit Fakten überzeugen. Dann machen sie auch beim sanften Tourismus mit.“

„Überzeugen durch Zahlen und Fakten funktioniert nicht“, widerspricht die Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth: „Wir müssen die Gäste bei der Emotion ansprechen. Die große Masse der Touristen will einfach im Urlaub Spaß haben. Ökologisches Bewusstsein und Mobilitätsverhalten ändern sich, aber nur langsam. Deshalb muss es auch Angebote geben, die der Bequemlichkeit der Gäste entgegenkommen.“ Außerdem brauche es flankierende politische Maßnahmen, auch wenn sie unbequem seien: „Denn so lange CO2 nichts kostet, werden die Menschen ins Auto steigen.“

Befangene Liftkaiser und ihre Ausbauprojekte

Ein weiteres Problem stellt die Einflussnahme der BetreiberInnen der Schigebietsausbauten auf die Politik dar: „Bei uns nehmen Liftkaiser bei Gesetzwerdungsprozessen in den Ausschüssen Einfluss, obwohl sie selbst gerade Projekte vorbereiten. So gerade geschehen bei der Novelle des UVP-Gesetzes. Da braucht es klare Regeln, wann Befangenheit gegeben ist!“, schildert Sabine Jungwirth weiter.

Vom Schneeband zur nachhaltigen, regionalen Erlebnisregion ist es also noch ein breiter Weg.  Jungwirth: „Dass es auch anders gehen kann und nachhaltiger Tourismus möglich ist, wissen wir, dafür gibt es mittlerweile auch gute Beispiele. Es muss unsere Vision sein, dort hinzukommen.“

Tobias Luthe, Georg Kaltschmid, Sabine Jungwirth und Moderatorin Krista Sommer.

Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi.