Sprecher Bernhard Seeber und Martina Eigner zu Besuch bei Fairytale in »Efairding«

Die Entstehungsgeschichte von Fairytale ist eine Geschichte der besonderen Zufälle.

Ingrid und ihr Mann Heinz sind schon lange im fairen Handel aktiv, viele Jahre davon in ihrem Eine Welt Laden in Eferding. Leider fehlte aber der Fairtrade Bekleidungsbranche damals noch eine ausreichende Sortimentsbreite, im Vergleich zu den klassischen Anbietern. Bei einer privaten Reise 2009 nach Nepal erfuhren sie, dass ihr Reise-Guide viel Erfahrung mit Fairtrade-Projekten hat, denn er war der Besitzer einer kleinen Familienschneiderei in Kathmandu. »Ich war damals auf der Suche nach einer kleinstrukturierten Textilmanufaktur, und nach dem ersten Besuch vor Ort begannen wir mit der Planung und Umsetzung eines öko-fairen Modeangebot« erzählt uns Ingrid ganz enthusiastisch.

Aufbauarbeit in Nepal

Aber aller Anfang ist natürlich schwierig, gerade wenn unterschiedliche Kulturen, Arbeitsweisen, Größenangaben oder Schnittzeichenschriften aufeinander abgestimmt werden müssen. Das gelang dann Schritt für Schritt bei den regelmäßigen Arbeitsbesuchen von Ingrid in Nepal, bei denen jeder Arbeitsschritt Seite an Seite mit den Produzent:innen entwickelt wird. Auch wenn die Arbeitsbesuche in Nepal mittlerweile für Ingrid Routine sind, ist sie mit ihrem Team immer wieder vor große Herausforderungen gestellt. »Wir produzieren in einem Land des Mangels für Länder des Überflusses, das bedeutet u.a., dass es in »armen Ländern« nicht alle Rohmaterialen für die Produktion gibt, die wir hier gern hätten, um mit gutem Gewissen einkaufen gehen zu können.« Auch die technische Ausrüstung oder schlicht und ergreifend Stromversorgung sind nichts Selbstverständliches. Da kann es dann schon sein, dass aus einem geplanten 14-tägigen Aufenthalt schnell mal drei oder vier Wochen werden.

Martina Eigner, Ingrid Gumpelmaier-Grandl und Bernhard Seeber

Mittlerweile ist Ingrid mit Fairytale eine anerkannte Lieferantin für die Weltläden in Österreich und Deutschland und beliefert darüber hinaus auch zahlreiche Boutiquen. Auch die Nachfrage in ihrem Onlineshop steigt. Die vielen Auszeichnungen bestätigen Ingrid und ihr Team in ihrem Engagement.

Aber Fairytale ist, wie die Marke schon ausdrückt, mehr als nur Bekleidung. Im Märchen (Fairytale) gibt’s immer ein Happy End! »Wir versuchen, wo immer es geht, nur das zu machen, wovon wir überzeugt sind: wir bleiben absichtlich in Eferding, weil die Regionen nachhaltige Leitbetriebe brauchen. Wir sparen an Werbeausgaben und gehen mit Vorträgen und Modeschauen auch aufs Land. Dabei sind unsere Models nicht nur junge, schlanke Menschen, sondern wir zeigen Menschen in ihrer Vielfalt.«

Ein großes Anliegen ist Ingrid Fairer Handel in der Textilproduktion, das bedeutet eine faire Chance für »arme Länder«. Im globalen Wettbewerb um das neue Segment »nachhaltige Textilproduktion« brauchen die Länder, die bisher ihre Mode produziert haben, loyale langfristige Partner, die sie am Weg zur Umstellung begleiten. Das eine sind die Arbeitsbedingungen an und für sich, das andere aber ist ein Know-how-Transfer. »Unsere Impulse beginnen bei den für uns selbstverständlichen Dingen, wie zum Beispiel bei sauberem Trinkwasser im Betrieb, gehen über Karenzgeld einführen und Strategien entwickeln, wie man neben den großen Giganten und den neuen Produzent:innen in Europa bestehen kann«, wie sie uns erzählt.

Es sind viele kleine Schritte, die helfen!

Die Partnerbetriebe von Fairytale sind im Familienverband geführte Kleinbetriebe. In der Schneiderei zum Beispiel in Katmandu arbeiten ca. 20 Näher:innen, Bügler:innen, Verpacker:innen und ein Schneidermeister. Darüber hinaus produzieren für Ingrid auch zwei Filzereien, eine große Organisation, in der viele kleine Produzent:innen zusammengeschlossen sind, und eine Siebdruckerei, mit der Fairytale besonders intensive Entwicklungsarbeit leistet. »Wir sind mit der gesamten Lieferkette im Produktionsteil eng verbunden. Wir kennen ihre Sorgen und habe Einblick in die Beschaffenheit der Probleme. Die Druckerei beispielsweise leidet unter den Klimaveränderungen, die vielen Starkregen haben ihr gesamtes Gelände ausgeschwemmt. Gemeinsam gestalten wir gerade einen neuen Arbeitsplatz, der sie unabhängig von solchen Ereignissen macht. Es sind viele kleine Schritte, die helfen!«

Einer der schönsten Momente für Ingrid war die Eröffnungsfeier der Photovoltaikanlage am Dach der Schneiderei. Denn nun gibt es Öko-faire Mode mit 100 % Sonnenstrom produziert handmade in Nepal. »Das spannende an dieser Geschichte ist, dass nach anfänglicher Skepsis nun auch andere Betriebe der Stadt mit Photovoltaik ihren Strom selbst produzieren. Wenn eine:r anfängt, ziehen die anderen nach«, freut sich Ingrid.

Transparente Lieferkette

»Eine saubere, transparente Lieferkette ist ein Muss. Die erbärmlichen Produktionsbedingungen, die ja längst kein Geheimnis mehr sind, müssen sich ändern« wird Ingrids Tonfall nun sehr ernst. »Bei Fairytale achten wir auf die Bedürfnisse aller in der Lieferkette und nicht nur auf die Zufriedenheit der Kund:innen« ergänzt Ingrid. Starke Partnerschaften sind Kennzeichen des Fairen Handels und orientieren sich nicht nur an den Bedürfnissen der Labels und Kund:innen, sondern haben auch die Lebensrealität der Produzent:innen im Auge! Ihr ist natürlich schon auch klar, dass ein Lieferkettengesetz kein einfaches Unterfangen ist. »Das ist aber notwendig, um eine gerechtere und nachhaltige Zukunft zu gewährleisten – für uns alle! Unternehmen müssen sich verändern, Ausbeutung und die Zerstörung der Natur dürfen nicht mehr als normal akzeptiert werden« ist Ingrid überzeugt. Man muss darüber nachdenken, welche Schritte es braucht, damit man einerseits wettbewerbsfähig bleibt und andrerseits tatsächliche Verbesserungen erreicht werden. Immer nur sagen: geht nicht, zu schwierig, usw.… bringt gar nichts! Es braucht Dialog und den Mut zu kleinen Schritten. Kein Mensch möchte damit leben müssen, dass für seine Mode Menschen oder die Natur leiden müssen!

Slow fashion-Konzept

Eine faire Alternative gegen Textilmüllberge in der Textilbranche bietet das Slow fashion-Konzept von Fairytale. Denn Ingrid ist wichtig, dass Kleidung lange getragen wird und der Markt nicht laufend mit neuen Kollektionen überschwemmt wird. So gestaltet sie auch ihre Kollektionen und zum besseren Verständnis führt uns Ingrid abschließend durch ihr Modeatelier.

Während wir uns beeindruckt von der spannenden Unternehmensgeschichte und dem sozialen Engagement bei Ingrid bedanken, verabschiedet sie sich mit den Worten »ihr kennt ja den Spruch – Tu Gutes und sprich darüber. Ich finde – Tu einfach Gutes -, das reicht dann schon.«

Wir wiederum finden das sehr sympathisch. Aber die Geschichte von Ingrid und Fairytale müssen wir dennoch erzählen. Die Menschen sollten das wissen, wie wir meinen.

 

Website:  https://www.fairytale-fashion.at/

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