Ein Beitrag aus unserer Blogreihe »Zukunftsfähig Wirtschaften«

Equal Pay Day: Warum verdienen Frauen weniger als Männer?

Auch im Jahr 2021 hat sich wenig an der Einkommenssituation von Frauen geändert. Sie verdienen im Durchschnitt immer noch 14,3 Prozent weniger als Männer. Das bedeutet auch, dass Frauen 52 Arbeitstage pro Jahr kostenlos arbeiten. Grund genug, um mit dem Equal Pay Day zwei Mal im Jahr daran zu erinnern, dass wir von Einkommensgerechtigkeit weit entfernt sind.

Am 21. Februar war jener Tag, bis zu dem Frauen 2021 unbezahlt gearbeitet haben und am 25. Oktober haben Männer bereits jenes Einkommen erreicht, für das Frauen das ganze Jahr arbeiten müssen. In dieser zweiten Berechnung arbeiten Frauen ganze 68 Tage gratis und Frauen verdienen im Vergleich 18,5 Prozent weniger.

Für jene, die aufmerksam mitgedacht haben, stellt sich nun die Frage, warum die beiden Equal Pay Days unterschiedlich berechnet werden. Der erste Equal Pay Day des Jahres wird vom internationalen »Business and Professionell Women Austria«-Netzwerk seit 2009 aufgrund des Median-Bruttojahreseinkommen der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten berechnet. Der zweite Equal Pay Day wird von der österreichischen Arbeiterkammer anhand der durchschnittlichen Jahres-Bruttobezüge der ganzjährig vollbeschäftigten Arbeitnehmer:innen kalkuliert.

Warum ist der Equal Pay Day immer noch notwendig?

Wenn wir das Frauenbild von progressiven Medien rezipieren, drängt sich die Frage auf: Was läuft da schief? Frauen in Mitteleuropa scheinen die gleichen Chancen auf Ausbildung, Berufstätigkeit und Karriere zu haben wie Männer.

Ginge es rein um die formale Ausbildung von Frauen, müssten sie sogar um 1,2 Prozent mehr verdienen als Männer. Das Problem – sprich: Karriereknick – tritt erst einige Jahre nach dem Berufseinstieg, nach der Geburt des ersten Kindes auf. Denn für Frauen wird ab der Familiengründung die Teilzeitbeschäftigung zur dominierenden Form der Beschäftigung.

Die 25- bis 49-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten zu 74,3 Prozent in Teilzeit, Männer mit gleichaltrigen Kindern hingegen nur zu 5,6 Prozent. Daran ändert sich auch nur wenig, wenn die Kinder ins Teenager-Alter kommen: Nur 30 Prozent der Mütter älterer Teenager arbeiten Vollzeit.

Interessant ist, dass auch 10 Jahre nach der Geburt des ersten Kindes das Einkommen um 51 Prozent niedriger ist als ein Jahr vor der Geburt. Der Karriereknick kann also nicht wettgemacht werden. Im Vergleich schlägt sich die Vaterschaft bei Männern de facto nicht nieder.

Auch wenn sich die Erwerbsquote der Frauen (69 Prozent) jener der Männer (77 Prozent) annähert, arbeiten knapp die Hälfte der Frauen in Teilzeit, nämlich 47,7 Prozent. Bei Männern hingegen liegt die Teilzeitquote bei nur 10,7 Prozent.

Doch nicht nur die Teilzeitquote macht den enormen Gender Pay Gap aus: Frauen suchen sich gerne Berufe in Niedriglohn-Branchen wie Gesundheits- und Sozialwesen (17,9 Prozent), Handel (17,5 Prozent) oder Tourismus und Gastronomie (7,9 Prozent).

Wo können wir ansetzen, um die EinkommensUNgerechtigkeit zu reduzieren?

Der große Einkommensunterschied hat nicht nur Auswirkungen auf die aktuelle Lebenssituation – wie z.B. auf die Selbstbestimmung von Frauen. Sie wirkt sich auch drastisch auf die Unterstützungsleistungen im Falle einer Arbeitslosigkeit und auf die Pensionshöhe im Alter aus.

Um Altersarmut bei Frauen zu vermeiden, stehen immer wieder eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie mehr und auf die Arbeitszeiten abgestimmte Kinderbetreuungsplätze oder Familienarbeitszeitmodelle im Raum.

Josef Zweimüller, Ökonom an der Universität Zürich spricht hier sogar von einer »Child penalty«: 80 Prozent des Einkommensunterschieds macht die Mutterschaft aus, 20 Prozent die Diskriminierung der Frauen und die Entscheidung von Frauen für schlecht bezahlte Berufe. Dem Lösungsansatz, dass mehr und bessere Kinderbetreuungsplätze angeboten werden müssen, widerspricht Zweimüller aber entschieden: Dies würde den Frauen nicht helfen. Seiner Meinung nach muss man bei den Betrieben ansetzen und familienfreundliche Jobs anbieten.

Es gibt aber auch andere, innovativere Ansätze in dieser Diskussion. So werden seit einigen Jahren Betriebe in Island verpflichtet, den Beweis zu erbringen, keine Lohndiskriminierung im Betrieb zuzulassen. Ein anderer Ansatz wäre, unser Pensionssystem zu reformieren: Alle Menschen in Österreich bekommen zusätzlich zu den erworbenen Pensionsansprüchen – die allerdings anders als heute berechnet werden müssten – eine Grundpension in Höhe der heutigen Ausgleichszulage. Zusammen würde diese Pension kostenneutral für den Staat, aber für niedrige Pensionen deutlich höher ausfallen.

Links:

Equal Pay Day: https://equal-pay-day.at

Equal Pay Day in Österreich – Arbeiterkammer Oberösterreich: https://ooe.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/verteilungsgerechtigkeit/einkommen/WSG_2021_Equal_Pay_Day.pdf

Andrea Kern, im Oktober 2021