Kolumne Jungwirt(h)schaft – Sabine Jungwirth zur EU-Klimapolitik

Wer die EU-Klimapolitik der letzten Monate verfolgt hat, wird ein Gefühl nicht los: Der Wind hat gedreht. Wo einst Aufbruchsstimmung herrschte, breitet sich eine gefährliche Resignation aus. Statt die Transformation zu beschleunigen, wird gerade systematisch an ihren Grundpfeilern gesägt. Was einst als „Green Deal“ gefeiert wurde, verwandelt sich schleichend in ein „Grey Deal“ und wird verzögert, verschoben und verwässert.

Unter dem Deckmantel von „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Entbürokratisierung“ wird derzeit auf EU-Ebene an jenen Schrauben gedreht, die den Klimaschutz eigentlich absichern sollten – und das ist kein Zufall. Die konservativen Kräfte – allen voran die ÖVP und ihr EU-weites Pendant, die EVP – haben dafür fleißig ein Narrativ hochgezogen: Klimaschutz gilt plötzlich als kostspielige und hochbürokratische Belastung – nicht mehr als Chance. Und mit jeder vermeintlichen „Erleichterung“ wird das Fundament der europäischen Klimapolitik ein Stück weiter aufgeweicht.

„Niemand will das“ – Stimmt so nicht!

Wer behauptet, „niemand will EU-weiten Klimaschutz“, verdreht die Realität. Im EU-Parlament sind die Fronten oft so knapp, dass einige wenige Stimmen über den Kurs entscheiden. Dass eine klare Mehrheit das Projekt „Klimaneutralität“ verworfen hat, stimmt so nicht. Dass die ÖVP aber verlässlich auf Seite der Bremser:innen, der Verbrennerindustrie und der Fossilwirtschaft steht, ist mittlerweile traurige Routine geworden.

Beweise gibt es dafür genug:
Das Mercosur-Abkommen soll durchgewunken werden, obwohl es klar auf Kosten von Klima- und Waldschutz geht. Der Draghi-Report wird gerne beim Thema Wachstum hervorgekramt, während die darin betonte Wichtigkeit von ambitionierter Klimapolitik unerwähnt bleibt. Und bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung wird aktuell an einer „Vereinfachung“ gearbeitet, die vor allem eines bedeutet: weniger Transparenz, weniger Verpflichtung, weniger Verantwortung.

Die Vision am Wanken

Der Green Deal war in seiner ursprünglichen Form ein mutiger, zukunftsorientierter und ambitionierter Masterplan. Heute erinnert das, was davon übrig ist, mehr an einen Kompromiss als an einen Plan. Ziele wurden verschoben, Verpflichtungen entschärft, Maßnahmen „entbürokratisiert“.

Doch die Folgen dieser rückwärtsgewandten Entwicklungen spielen sich nicht nur am Papier ab, sondern sind real. Jeder verschobene Beschluss, jede abgeschwächte Regelung bedeutet verlorene Zeit – Zeit, die wir in puncto Klimaschutz längst nicht mehr haben. Und mit jedem Rückschritt wächst auch der Preis, den wir alle dafür bezahlen: in Form von Extremwetter, zerstörter Ernten, steigenden Energiekosten und einer Wirtschaft, die zunehmend auf Krisen reagiert statt auf Chancen.

Auch für Österreichs nachhaltige Unternehmer:innen hat dieser Rückbau direkte Konsequenzen: Wer in klimafreundliche Technologien investiert hat, braucht Planungssicherheit, keine politischen Stimmungsschwankungen.

Feigheit ist kein Standortvorteil

Mut zur Veränderung ist kein Fehler – Feigheit schon. Was derzeit als „Vernunft“ verkauft wird, ist in Wahrheit die Angst, sich mit mächtigen Lobbys anzulegen. Aber Wohlstand entsteht nicht durch das Festhalten am Alten, sondern durch das Vertrauen ins Neue. Wer Klimaschutz blockiert, blockiert Zukunft – und das ist die wahre wirtschaftliche Unvernunft.

Bis bald,
Eure Sabine

Sabine Jungwirth
Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft


Du willst mehr? Dann können wir dir unser neues „So geht’s“ Magazin ans Herz legen. Neben eine Vielzahl an Artikeln zu Nachhaltigkeit und Unternehmer:innentum findest du auf Seite 46 auch einen Gastbeitrag von „Ecopreneur“ zum aktuellen Stand des Green Deals. Hier geht’s zur Online-Ausgabe des Magazins.