WAS UNS BEWEGT #WUB

Was bewegt dich? Was bewegt mich? Darüber macht sich August Lechner, Sprecher der Grünen Wirtschaft Niederösterreich, regelmäßig in seinem Meinungsbeitrag Gedanken.


„Nachhaltigkeit ist mehr als ein Modetrend – sie zu leben braucht Methode, Haltung und Zukunftsstrategie“

Ein Gespräch mit Vera Pichler über ihre Erfahrungen als Unternehmensberaterin, ihr neues Buch – und warum gerade kleine Unternehmen eine große Rolle spielen. Das Interview führte August Lechner, Sprecher der Grünen Wirtschaft Niederösterreich.

Wenn Vera Pichler von ihrem Weg erzählt, dann spürt man schnell: Hier spricht keine Theoretikerin sondern jemand mit Bodenhaftung, Weitblick – und leisem aber pointierten Humor. Wir treffen einander beim Branchentreffen der Kunsthandwerke Niederösterreich. In der Tasche hat sie ihr frisch erschienenes Buch „My First Year as a Sustainability Manager“.

Der Titel ist auf Englisch – warum?

„Weil das Buch sich an eine internationale Community richtet“, erklärt sie mit Schmunzeln, „und weil mein erstes Studium auf Englisch war. Ich habe Export-orientiertes Management in Krems studiert – das prägt.“ Dass sie ursprünglich aus der Steiermark stammt, merkt man an ihrem charmanten Akzent, nicht aber an ihrem klaren Fokus: „Export heißt für mich nicht nur Güter über Grenzen schicken – sondern auch Gedankenaustausch. Und die Idee nachhaltigen Wirtschaftens ist eine, die wir dringend über alle Grenzen tragen sollten.“

Vera Pichlers Karriere begann klassisch mit einer Anstellung in der Unternehmensberatung. Da heißt es: Prozessoptimierung, Umsatzsteigerung, Effizienzdenken. Doch irgendwann stellte sich die Frage: „Geht das auch anders?“ Ihre Antwort war ein weiteres Studium – Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement. Seither berät sie Unternehmen, die mehr wollen als bloß betriebswirtschaftliches Tuning. Unternehmen, die verstanden haben, dass Zukunftsfähigkeit mehr bedeutet als Gewinnmaximierung.

In ihrem Buch beschreibt Pichler das Spannungsfeld, in dem sich Nachhaltigkeitsbeauftragte heute bewegen: zwischen Ambition und Alltag, Ideal und Implementierung. Im Gespräch betont sie, wie wichtig ein ganzheitliches Verständnis sei: „Ökologie, Soziales und Wirtschaft müssen zusammen gedacht werden, aber Ökologie gibt den Rahmen vor. Wir haben nur diesen einen Planeten – alle wirtschaftliche Tätigkeit muss sich innerhalb seiner Belastungsgrenzen bewegen.

Was passiert, wenn man dieses Verhältnis umkehrt – also wenn die Wirtschaft vorgibt, wie viel Umwelt sie sich leisten will?

„Dann sind wir dort, wo wir heute vielfach stehen: am Rand der ökologischen Tragfähigkeit.” Und Vera Pichler betont scharf: „Die Klimakrise, der Verlust an Biodiversität – das sind keine abstrakten Phänomene, sondern direkte Folgen unserer wirtschaftlichen Prioritäten. Und auch für die Wirtschaft selbst entstehen dadurch große Risiken.“

Was tun, wenn dieses Wissen auf Ablehnung stößt? Wenn Menschen das Problem leugnen oder kleinreden?

Pichler bleibt ruhig: „Viele Menschen sind nicht grundsätzlich dagegen, sondern überfordert oder unsicher. Da braucht es Anschlussfähigkeit. Statt mit Zahlen zu erschlagen, sollten wir fragen: Was bedeutet das konkret für mich? Für meinen Alltag und für mein Unternehmen?“ Einfache, konkrete Bilder statt komplexer Modelle – darin sieht sie den Schlüssel für mehr Akzeptanz.

Doch was können gerade kleine Betriebe tun, EPUs und KMUs, wie sie in der Grünen Wirtschaft vertreten sind?

„Kooperation ist der größte Hebel“, sagt Pichler entschieden. „Keiner muss alles allein schaffen. Wenn sich kleine Unternehmen vernetzen, Ressourcen teilen, Erfahrungen austauschen – dann entsteht echte Bewegung.“ Sie verweist auf die Tatsache, dass gerade diese Unternehmen das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft bilden. „Gemeinsam können sie Standards setzen – nicht morgen, sondern jetzt.“

Tut die Wirtschaftskammer genug, um diese Transformation zu fördern?

„Es gibt Angebote“, sagt Pichler. „CO₂-Rechner, CSR-Checks – aber kaum jemand kennt sie.” Es fehlt an Sichtbarkeit, an einer aktiven Kommunikationsstrategie. “Wenn wir Nachhaltigkeit als Chance begreifen, nicht als Belastung, dann müssen wir sie auch entsprechend sichtbar machen.“

Im Laufe des Gesprächs entsteht das Bild einer Expertin, die nicht nur über Nachhaltigkeit spricht, sondern sie lebt – pragmatisch, strategisch, aber auch mit Überzeugung. Sie kennt die Zwischentöne, die Zweifel, die mühsame Realität im Unternehmensalltag – aber sie verliert das Ziel nicht aus den Augen.

Hat sich in Österreich bereits etwas bewegt?

„Durchwachsen“, sagt Vera Pichler. „Es gibt Unternehmen, die Nachhaltigkeit als Innovationsfeld begreifen – und andere, die sie als reine Last empfinden.“ Die Bandbreite sei groß, und sie werde es wohl auch bleiben. „Aber jeder Schritt zählt.“

Zum Schluss wird es noch einmal pointiert. Ich werfe ihr ein paar Begriffe hin – Globalisierung, Lieferkettengesetz, Klimaneutralität bis 2040. Ihre Antworten sind knapp, aber klar: „Chance und Herausforderung zugleich. Große Veränderung ist möglich – wenn wir sie klug und pragmatisch umsetzen.“

Und was, wenn alle ihr Buch lesen würden?, frage ich noch. Vera Pichler lacht. „Dann hätten viele Unternehmen ein schon mal das Werkzeug in der Hand, um loszulegen. Und das wäre ein guter Anfang.“

Buchinformationen: My First Year as a Sustainability Manager – Methoden für ein erfolgreiches Onboarding im Nachhaltigkeitsmanagement
Autor*innen: Niels Christiansen & Vera Pichler
Verlag: oekom verlag
Erscheinungstermin: 5. Juni 2025
ISBN: 978-3-98726-173-2
Umfang: 140 Seiten
Erhältlich im Buchhandel und unter https://www.oekom.de/buch/my-first-year-as-a-sustainability-manager-9783987261732