Regeneration in die Welt bringen

Johanna Juds © Siegrid Cain

Johanna Juds arbeitet als selbstständige Prozessbegleiterin und -beraterin. Das Besondere ist ihr Fokus, die Prozessbegleitung zyklusorientiert zu gestalten. 2024 hat sie ihr Unternehmen WOMBERFUL gegründet. Johanna beschreibt sich selbst als Philosophin, Ökonomin, Visionärin und Mama. Sie ist seit 13 Jahren in der Nachhaltigkeitsszene unterwegs, wie sie erzählt: »Textilfabriken in Bangladesch haben in mir die Liebe zum Dialog entfacht. So bin ich Prozessbegleiterin geworden. Mein Mama-Sein war wie ein Weckruf für mich zur Rückbesinnung auf meinen natürlichen Rhythmus, meinen Zyklus.«

Nun kombiniert die Unternehmerin ihre Leidenschaften und begleitet Menschen und Unternehmen auf ihrem Weg zum zyklusorientierten Arbeiten und Leben. Denn der Zyklus von Menschen, die mit Gebärmutter geboren sind, bestimmt die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Energien eines jeden Moments: »Du kannst allerdings nicht automatisch auf deine zyklischen Potentiale zugreifen. Stattdessen können Zyklusbeschwerden wie Menstruationskrämpfe oder PMS auftauchen. Glücklicherweise bieten der Zyklus und das Wissen um seine psychosomatischen Zusammenhänge die Möglichkeit, Leiden aufzulösen.« Als Prozessbegleiterin bietet Johanna auch den Raum für Gruppen, Teams und Organisationen, damit sie visionäres und regeneratives Handeln voranbringen können.

Was hat dich inspiriert, dich selbstständig zu machen?

Johanna Juds: Bei der Frage muss ich erstmal schmunzeln. Das war nicht geplant und ist mir passiert. Anders gesagt ist die Idee, mich selbstständig zu machen, in mir organisch gewachsen. Bis zu meiner Selbstständigkeit hatte ich immer in Angestelltenverhältnissen zu Menschenrechten und ökologischen Bedingungen in der Produktion und entlang von Wertschöpfungsketten gearbeitet. Ich brannte schon immer dafür die Welt regenerativer zu gestalten – frei von Ausbeutung von Mensch und Natur, hin zu mehr Lebendigkeit. Gleichzeitig merkte ich, dass mir nach vielen Jahren in Angestelltenverhältnissen und im Spagat mit Mutterschaft, Partnerin und Ich sein meine Leidenschaft abhandengekommen war. Ich war irgendwie orientierungslos. So kam 2022 die zyklusorientierte Lebensweise in meinen Alltag. Ein Jahr lang ließ ich mich zyklusorientiert coachen.

Anfang 2023 chillte ich auf der Couch während meiner Menstruation. Mir kam ein Bild in den Kopf: Ich als gepeitschtes Pferd. Dann. Ein Wildpferd. Entlang eines Baches, umgeben von Wäldern und Bergen galoppiere ich mit anderen Wildpferden die Wiesen entlang.

Mit Tiefenentspannung beendete ich mein Angestelltenverhältnis als Führungskraft für Unternehmensverantwortung. Ich wusste, dass ich Regeneration weiterhin in die Welt bringen wollte. Ich wusste nur noch nicht wie.

Ich ging viel im Wald spazieren und nahm mir meinen Raum, um zu spüren, was das Leben von mir möchte. Aus tiefem Bauchgefühl heraus entschied ich mich für die Selbständigkeit. Ich bildete mich zur professionellen Zyklusberaterin weiter. 2024 gründete ich WOMBERFUL.

Was ist »grün« an deinem Unternehmen?

Johanna Juds: Ich habe WOMBERFUL gegründet, um Regeneration in die Welt zu bringen. Ich stehe für eine Welt, die Lebendigkeit, Gesundheit, Vitalität und Resilienz von Menschen und Ökosystemen ermöglicht.

Zyklusorientiertes Leben und Arbeiten bringt uns wieder mit unserer Natur in Kontakt, mit unserer Lebendigkeit, mit unserem natürlichen Flow. Ich glaube, dass wir, wenn wir die Natur in uns erkennen bzw. wiederentdecken, gar nicht anders können als uns als integralen Bestandteil eines umfassenderen Lebens- und Wirtschaftssystems zu verstehen. Eines Systems, das wir nicht ausbeuten wollen, sondern mit dem wir zusammengehören und dessen Wohlergehen wir unterstützen wollen.

»Grün« ist auch, dass uns unser Zyklus vom patriarchal geprägten Wachstums- und Leistungsdogma befreien kann. Gesellschaftlich anerkannt sind Stereotypen aus der ersten Zyklushälfte: »Junge dynamische Frau leistet« und »Liebevolle Mutter kümmert sich fürsorglich um alle anderen.« Damit werden zyklische Qualitäten der ersten Hälfte überbetont bzw. andere ganz ausgeblendet. Die Tage nach der Menstruation können uns mit frischer Energie, Neugier und Explorationslust und wahnsinniger kognitiver Leistungsfähigkeit ausstatten. Gesund ist diese Energie spielerisch und lustvoll zu nutzen. Ich glaube nicht, dass sie für den Dauerstress gedacht ist.  Die Tage um den Eisprung können uns schöner im Innen und Außen, diplomatischer und lustvoller machen. Wir dürfen diese Energie auch als wichtigen Auftankmoment im Zyklus für uns nutzen, anstatt uns nur hingabevoll im Außen zu verausgaben.

Insbesondere die zweite Zyklushälfte wird in der Business-Welt noch immer unterschätzt. Dabei steckt in ihr all das, was wir brauchen, um die Imaginationsräume zu entwickeln, die wir so dringend benötigen – für die sozial-ökologische Transformation, für unsere Arbeitswelt, für unseren Alltag. Unsere Körper ist auf Intuition und Kreativität, aufs Loslassen & Visionieren sowie den Blick für die übergeordneten Zusammenhänge ausgerichtet. Was wollen wir mehr?

Wofür brennst du als Unternehmerin?

Johanna Juds: Ich brenne für die Möglichkeit, das in die Welt zu bringen, was durch mich in die Welt kommen möchte. Für ein Unternehmer:innen-Dasein, das lebendig, intuitiv, kreativ, im natürlichen Flow und regenerativ ist. Für ein Unternehmer:innen-Dasein, in dem ich mit meinen Zyklusphasen und meinen inneren Anteilen verbunden bin. Für ein Unternehmer:innen-Dasein, in dem selbständig nicht heißt »selbst« und »ständig«, sondern im Kontakt sein, für die Welt – und ein Arbeiten mit Pausen. So begleite ich Klient:innen und Organisationen drei Wochen pro Monat. Jede vierte Woche nehme ich mir eine Reflexionswoche. Hier tauche ich tief in meine eigene Welt ab. Ich gehe im Wald spazieren und meinen Themen nach, regeneriere mich und kalibriere mich neu. So bleibe ich offen für meine Berufung. Damit ist garantiert, dass ich im WOMBERFUL Space aus voller Kraft agieren kann.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Vanessa Zwieb

Links:

Website: womberful.de
LinkedIn: Johanna Juds


Fotocredit Titelbild: Siegrid Cain