Oder: Wie sich der ÖVP-Wirtschaftsbund die Lücken im Wirtschaftskammergesetz für das Verschleiern der eigenen Stimmverluste zu Nutze macht
Die Wirtschaftskammerwahlen sind nun schon ein paar Wochen her. Das österreichweite „Ergebnis“ ist verlautbart und medial verbreitet. Weil aber bei genauem Hinschauen deutlich wird, dass dieses von den zusammengeführten Zahlen der Einzelwahlergebnisse abweicht, haben wir nachgerechnet.
Das Ergebnis:
Der ÖVP-Wirtschaftsbund hat das eigene Ergebnis ordentlich auffrisiert!
Hier zeigen wir das Gesamtergebnis der Wirtschaftskammerwahlen – ohne beschönigende Zurechnungen und Stimmen- sowie Mandats-Schacher.
Stimmen:
Und hier zum Vergleich das bei der Pressekonferenz am Wahlabend (14.03.25) in der WKÖ veröffentlichte Gesamtergebnis:
Stimmen:
Besonders auffällig: Gerade beim ÖVP-Wirtschaftsbund ist die Abweichung besonders deutlich. Das Minus bei den auf den ÖVP-Wirtschaftsbund entfallenen Stimmen liegt dabei nämlich statt bei -7,9 % bei satten -10 %!
Zurechnen, verschieben und interpretieren – so entsteht das „offizielle“ Ergebnis der WKÖ
Der Unterschied im Ergebnis lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass der ÖVP-Wirtschaftsbund in einigen Bundesländern (vor allem in Vorarlberg & Wien), nicht als Wirtschaftsbund antritt, sondern in Gemeinschaftslisten mit anderen Fraktionen. So gibt es in Vorarlberg z.B. gar keinen Wirtschaftsbund, sondern die Liste Vorarlberger Wirtschaft in der sich der Wirtschaftsbund mit der Freiheitlichen Wirtschaft zusammengefunden hat. Ähnliches lässt sich in Wien beobachten: In mehr als 30 Fachgruppen war auf dem Wahlzettel weder der Wirtschaftsbund noch der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband zu finden, sondern die gemeinsame Liste Team Wiener Wirtschaft. Weil diese Listen nicht gesondert im Wahlergebnis aufscheinen, wird in den Stunden zwischen Wahlschluss und der Pressekonferenz, in der die Wahlergebnisse präsentiert werden, hektisch und wild darüber verhandelt, welcher Fraktion die Stimmen und Mandate der jeweiligen Gemeinschaftslisten im Gesamtergebnis zugerechnet werden.
Die Stimme einer Wählerin z.B. in der Fachgruppe Personenbetreuung und Personenberatung Wien kann also bei der Ergebnispräsentation der WKÖ entweder dem ÖVP-Wirtschaftsbund oder dem Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband zugerechnet werden – je nachdem, wie sich die beiden Fraktionen einigen. Ähnlich in Vorarlberg: Eine Wähler:innenstimme für die Liste Vorarlberger Wirtschaft in der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation kann entweder für das Gesamtergebnis des Wirtschaftsbundes oder der Freiheitlichen Wirtschaft gezählt werden.
Genau diesen Spielraum nutzt der ÖVP-Wirtschaftsbund aus, um das Minus vor dem eigenen Ergebnis zu verschleiern, denn das tatsächliche Ergebnis eines zweistelligen Minus von 10 % tut deutlich mehr weh.
Ebenso auffällig: Die unter Sonstige verbuchten Stimmen und Mandate fallen in der WKÖ-Darstellung deutlich niedriger aus als in der reinen Zusammenführung der Urwahlergebnisse. Das liegt daran, dass der ÖVP-Wirtschaftsbund schon vor der Verkündung des Gesamtergebnisses mit den unzähligen Namens- und Fachlisten ausverhandelt hat, dass deren Stimmen und Mandate für das Bundesergebnis dem Wirtschaftsbund zugerechnet werden.
Wahldesaster in Wien
In Wien gab es in über 30 Fachgruppen Gemeinschaftslisten von ÖVP-Wirtschaftsbund und dem Sozialdemokratische Wirtschaftsverband. Anscheinend wurden jedoch alle abgegebenen Stimmen dem ÖWB zugeschlagen, damit dieser die absolute Mehrheit am Tag der Ergebnisverkündung darstellen konnte. Die „roten“ Stimmen wurde also einfach in „türkise bzw. schwarze“ umgewandelt.
Da damit aber erst 43,2 % der Stimmen darstellbar waren, wurden auch noch die Stimmen der „Sonstigen“ Listen beinahe zu 100 % vom ÖVP-Wirtschaftsbund umgefärbt.
Hier ein Ausschnitt vom „offiziellen“ Ergebnis der Wirtschaftskammer Wien[1]:
[1] https://wien.orf.at/stories/3297085/
Wir halten diese Vorgehensweise für unlauter und sagen:
Schluss mit den Schlupflöchern! Die Stimmen- und Mandatsschacherei und die Intransparenz der Gemeinschaftslisten müssen zukünftig unterbunden werden. Denn dadurch haben die Unternehmer:innen keine Garantie, dass ihre Stimme am Ende auch bei jener Fraktion landet, für die sie abgegeben wurde. Wir fordern eine Reform des Wahlrechts, die dieses Vorgehen entweder untersagt oder zumindest am Stimmzettel ausweisen muss, wem die Stimmen am Ende gehören werden.