Wir sagen: Nicht in unserem Namen!

In den letzten Wochen haben wir mehrere  Zuschriften von Grazer Unternehmer:innen erhalten, die sich gegen die Vereinnahmung durch die Regionalstelle Graz der Wirtschaftskammer Steiermark verwehren.

Doch worum geht es? Die Grazer Regionalstelle hat unter dem Titel »Stadt oder Stillstand« ein Thesenpapier herausgebracht, in dem Verkehrsberuhigung und Sozialpolitik als Gegner des Handels und der Industrie darstellt werden. Dieses Thesenpapier, das beschreibt, was die Unternehmer:innen laut Wirtschaftskammer in der Stadt brauchen, wurde vom Regionalstellenobmann Bernhard Bauer und Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk im Namen von 20.949 Unternehmer:innen in Graz unterzeichnet.

Landessprecherin Andrea Kern – Foto: Philipp Podesser

Im Thesenpapier wird beschrieben, wie sich die Interessensvertretung eine »ideale Welt« vorstellt: Eine bessere Erreichbarkeit über die Autobahn durch eine weitere Spur, mehr Parkplätze und ein neues Stadion, dafür weniger Finanzschulden pro Kopf. Kürzere Verfahren und weniger Regulierungen, dafür mehr Leistungswillen und Eigenverantwortung. Weniger Radverkehr, dafür mehr Feste auf den öffentlichen Plätzen und liberale Öffnungszeiten. Mehr Gewerbeflächen, ein besserer Glasfaserausbau und ein gutes Start-up-Ökosystem, dafür weniger Reglementierungen, Steuern und Abgaben.

Manches davon ist durchaus wünschenswert, man hat aber bei der Lektüre sehr schnell den Eindruck, dass es um ein Wunschkonzert der Wirtschaftskammer geht. Frei nach dem Motto: »Wir sind natürlich für Ökologie und Soziales, allerdings möchten wir auch bestimmen, was mit unserem Steuer- und Abgabenaufkommen passiert. Und sobald dies nicht genau nach unserem Willen umgesetzt wird, kündigen wir die Mitarbeit auf.«

Was vielen sauer aufstößt ist, dass gerade in einer Zeit, in der in Graz endlich etwas für alle Menschen unternommen wird, die Wirtschaftskammer mit diesen polemischen und wenig innovativen Forderungen Wirbel erzeugen will.

Es gab eben keine Umfrage unter den 20.949 Unternehmer:innen, was sie als Wirtschaftstreibende von der Stadt erwarten und welche Probleme sie für die unternehmerische Zukunft sehen und schon gar nicht haben bei den letzten Wirtschaftskammerwahlen im März 2020 alle 20.949 Unternehmer:innen die Mehrheitsfraktion Wirtschaftsbund gewählt.

So fragt sich ein Unternehmer in einer Zuschrift an uns treffsicher:

»Schön und gut, aber was gedenkt die WKO zu tun, um die Situation zu verbessern?« Mehr Parkplätze und Fahrspuren für Autos werden nicht dazu führen, dass Einkaufen in der Stadt bequemer wird als Online-Shopping.

Das ist eine Realität und die Frage an das Unternehmer:innentum bzw. die WKO muss sein: »Müssen Geschäftsmodelle und Angebot in der Stadt geändert werden, damit es für Menschen wieder attraktiv wird, in der Stadt einzukaufen

Innovative und kreative Lösungen braucht es, die alle Menschen in der Stadt – egal wie sie arbeiten und leben einbeziehen und ein gutes Leben ermöglichen. Damit sind wir alle gefragt.

P.S.: Unser Mandatar der Grünen Wirtschaft in der Regionalstelle Graz und Gemeinderat der Grazer Grünen Christian Kozina-Voit hat als Antwort auf das Thesenpapier ein eigenes, sehr lesenswertes Papier verfasst, das wir hier veröffentlichen dürfen. http://kozina-voit.at/wirtschaften-fuer-die-menschen/

Und wir möchten auch dich um ein Feedback bitten: Sag uns deine Meinung zur Kampagne »Stadt oder Stillstand« und zum »Manifest für die Grazer Wirtschaft«. Hier geht’s zur Umfrage.