Klimaschutz, nein danke! – Über Österreichs Zukunft aus Sicht der Wirtschaftskammer

Zum 175 Jahre-Jubiläum der Gründung der Handelskammern in Österreich im kommenden Jahr brachte die Wirtschaftskammer Steiermark einen Forderungskatalog heraus und skizziert, was sie sich von der nächsten Landesregierung erwartet.

Gleich zu Beginn wird Victor Hugo zitiert, der meinte, die Zukunft hat für die Mutigen einen Namen: Chance. Unsere Meinung ist, die Zukunft birgt unzählige Chancen und Möglichkeiten, allerdings muss man sie auch ergreifen, und das tut die Wirtschaftskammer Steiermark in Bezug auf Klimapolitik und Transformation der Wirtschaft definitiv nicht.

Landessprecherin Andrea Kern – Foto: Philipp Podesser

Was bleibt nun vom Klimaschutz in diesem Forderungskatalog?

Im Forderungskatalog steht zu lesen: »Die derzeitige Klima-, Energie- und Umweltpolitik wird geprägt von einem Dauerkrisenmodus, der in kaum erfüllbare strategische und rechtsverbindliche Zielvorgaben mündet und die heimische Wirtschaft vor schier unlösbare Herausforderungen stellt.«

Die Menschheit hat das Klima mit einer auf fossilen Brennstoffen basierten Wirtschaft in rund hundert Jahren zum Kollabieren gebracht. Zeugnisse davon sind rund 50.000 Hitzetote in Europa im Jahr 2023 oder die aktuelle Unwetterkatastrophe in Spanien. Daher befinden wir uns in der wohl größten Krise der Menschheitsgeschichte, die wir nicht verharmlosen sollten, wollen wir, dass unsere Enkelkinder auch noch auf diesem Planeten ein gutes Leben führen. Übersehen wird, dass wir alle, nicht nur die Wirtschaft vor dieser »schier unlösbaren Herausforderung« stehen und wir sie nur gemeinsam meistern können.

Die Wirtschaftskammer Steiermark verabschiedet sich also von den akkordierten Klimazielen und setzt auf »Anreize statt Verbote« sowie auf »Technologieoffenheit« bei Treibstoffen wie dem Biodiesel HVO 100[1] oder E-Fuels, um dann gleich nachzusetzen, dass aufgrund des wahrscheinlich nicht absehbaren Komplettumstiegs auf Elektromobilität eine »CO2-freundliche Nutzung von Verbrennern« zu unterstützen sei. Also weiter wie bisher? Oder einfach weniger fahren?

Aber nein, ein Umstieg auf andere Formen sanfter Mobilität im großen Stil kommt für die Wirtschaftskammer auch nicht in Frage, denn »eine Rückwidmung von bestehenden Straßen in reine Radverkehrswege oder Fußgängerzonen ist zu vermeiden.« Weiters ist zu lesen: »Individualverkehre sind Teil unseres Wohlstandes, ein generelles PKW-Bashing ist daher quer durch alle Politikbereiche zu meiden.«

Daher fordert man auch nach dem fünfjährigen Straßenbaustopp von Ex-Umweltministerin Leonore Gewessler gleich acht Straßenprojekte endlich in Umsetzung zu bringen. Darunter befinden sich u.a. die altbekannte dritte Spur der A9 zwischen Graz und Wildon und auch eine dritte Spur zwischen Gleisdorf-West und Riegersburg. Auf Landesebene stehen weiterhin die umstrittenen Straßenbauprojekte B70 und B68 auf der Agenda. Und damit nicht genug, setzt sich die Wirtschaftskammer auch noch für die Absicherung der Flugverbindung Graz – Wien ein und möchte den Flughafen in Graz als »kritische Infrastruktur« abgesichert wissen.

Erst nachrangig wird auf die in der »Mobilitätsstrategie Steiermark 2040+«[2] enthaltenen Schienenprojekte wie den Neubau des Bosrucktunnels, dem 4-gleisigen Ausbau Bahnstrecke Bruck an der Mur – Graz oder dem S-Bahn Tunnel in Graz verwiesen.

Zusammenfassend möchte die Wirtschaftskammer Steiermark, dass sich im Mobilitätsverhalten der Menschen nichts ändern muss. Sie lehnt den Ausbau sanfter Mobilitätsformen weitestgehend ab. Der motorisierte Individualverkehr ist nach wie vor das Gebot der Stunde. An den Umstieg auf reine Elektromobilität glaubt man nicht, dafür könnten Biodiesel, der möglichweise gar nicht so CO2-freundlich ist und E-Fuels, die eine extrem schlechte Energiebilanz aufweisen – der Gesamtwirkungsgrad im Verbrennungsmotor liegt bei etwa 14 Prozent[3] – einspringen.

Leider findet die Unterstützung von Unternehmen bei ihrer Transformation in klimafreundliche und zukunftsfähige Unternehmen nur in einer Forderung (von 100) Niederschlag, nämlich in Ausbau der seit geraumer Zeit wenig nachgefragten und einer Überarbeitung notwendigen Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit (WIN), die Beratungen für Unternehmen fördert.

Um bei Victor Hugo zu bleiben: »Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.«

Es bleibt zu entscheiden, ob eine klimafreundliche Zukunft unerreichbar oder nur angsterfüllt ist.

 

[1] Sollten für die Produktion von HVO, der aus Altspeiseöl und Industriebioabfällen gewonnen wird, eigens Nutzpflanzen angebaut werden, wäre der CO2-Vorteil gar nicht oder nur gering vorhanden. Zudem würden diese Rest- und Abfallstoffe dann an den Stellen, wo sie ursprünglich verwendet wurden, fehlen. Es entsteht eine Art Nutzungskonkurrenz.

[2] https://www.verkehr.steiermark.at/cms/dokumente/12908681_173213643/bcd57dc0/Mobilita%CC%88tsstrategie%20Steiermark%202024%2B.pdf

[3] Für die Produktion von E-Fuels wird besonders viel Energie benötigt. Hier muss erst Wasserstoff erzeugt werden. Eine nachhaltige Produktion von Wasserstoff kann durch den Einsatz erneuerbarer Energien innerhalb der Elektrolyse erzeugt werden. Derzeit werden allerdings weltweit erst unter 0,1  Prozent des Wasserstoffs über Elektrolyse produziert. Zusammen mit CO2 wird beispielsweise E-Methanol erzeugt und dieses wiederum zu Benzin oder Diesel umgewandelt. Am Ende liegt der Gesamtwirkungsgrad von E-Fuels im Verbrennungsmotor nur bei etwa 14 Prozent. Aufgrund der physikalischen Grenzen kann dieser Wert nur geringfügig verbessert werden. https://vcoe.at/efuels