Lieber Leser:innen,

heute möchte ich von aktuellen Entwicklungen aus der ÖVP-Wirtschaftsbund-geführten Wirtschaftskammer berichten, die mehr an die Taten von Bösewichten aus Film und Fernsehen erinnern, als an fakten- und forschungsbasierte Wirtschaftspolitik.

Wo fange ich an? Vor gut 2 Jahren begann man in der Wirtschaftskammer mit der Erarbeitung eines „Energiemasterplans“. Dieser Plan sollte nicht nur den Umbau des Energiesystems in Österreich aus Sicht der Wirtschaft definieren, sondern es gab auch eine hidden Agenda: für den ÖVP-Wirtschaftsbund dient dieser als Grundlage für die kommenden Regierungsverhandlungen und hat damit eine klare Schlagseite. Anders gesagt: die Wirtschaftsbund-Wunschliste ans ÖVP-Christkind. Genau rechtzeitig als Erstentwurf zu Papier gebracht, um ihn in nun aus der Schublade zu holen und an den richtigen Stellen Druck auszuüben.

Gegen Druck für den Aus- und Umbau des österreichischen Energiesystems habe ich zunächst keine Einwände. Grimmig wird es erst dann, wenn besagter Energiemasterplan zum Vorschein bringt, dass seitens der Wirtschaftskammer – so wie sie jetzt besetzt ist – keinerlei Interesse besteht, an der Erreichung der Klimaziele mitzuwirken. Im Gegenteil: Das Papier offenbart die Fantasien der Mineralölindustrie und der Verbrennungsmotorfetischisten: technokratischen Vorschlägen zur „Lösung der Energiewende“, ein Bauen auf Wasserstoff- und E-Fuels, Kohlenstoffspeicherung, das Wachstumscredo als einziger Ausweg zur Sicherung von Wohlstand.

Rosinen picken für Fortgeschrittene

Doch nicht genug, dass sich der Energiemasterplan aus Ansätzen fernab von aktuellen Empfehlungen von Expert:innen aus Forschung und Wissenschaft bewegt: Um doch noch etwas Feel-Good-Unterfutter für die Industrie-Wunschliste zu bekommen, wird sich Empfehlungen aus dem aktuell sehr positiv diskutierten Draghi-Report bedient. Natürlich nur an jenen Stellen, die den eigenen Vorhaben dienen. Passagen, wie jene, die für eine Erreichung der Klimaziele und einem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit tunlichst von einem Festhalten an den alten Technologien des 20. Jahrhunderts abraten, werden da gerne mal überlesen.

Umweltorganisationen? Nein Danke!
Und die Umweltorganisationen? Deren Interventionen sind dem ÖVP-Wirtschaftsbund ein Dorn im Auge. Das Motto lautet: Naturschutz, nein danke! Warum also nicht gleich an den NGOs vorbeiarbeiten. „Keine Parteistellung von Umweltorganisationen im Genehmigungsverfahren“ lautet der Wunsch der Kammer.

Mich empört diese ewig-gestrige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik! Was wir brauchen, ist die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen zur Sanierung des Budgets! Oder ein Belohnungssystem für klimaschonendes Verhalten über Vorteile im Steuersystem.

Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand kann nur im Einklang mit Klima- und Naturschutz langfristig gesichert werden.

Was ich mir wünsche ist, dass wir alle ganz genau hinschauen, wenn uns jemand einen grünen Bären aufbinden will.
Klimapolitik und Lobbying für Industrien, die auf fossilen Rohstoffen basieren, geht nun mal nicht unter einen Hut. Auch nicht dann, wenn man ihn grün lackiert.

Bis bald,
Eure Sabine

Sabine Jungwirth
Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft