WAS UNS BEWEGT #WUB
Das Hochwasser hat ganz Österreich, aber vor allem Niederösterreich schwer getroffen. Grüne Wirtschaft-Mitglied Dieter Strasser berichtet, wie es ihm und seiner Familie in den dramatischen Stunden in Böheimkirchen ergangen ist und wie er nun in die Zukunft blickt.
Warnung. Vorbereitung. Warten. Einrauschen. Zittern. Ohnmacht. Aufräumen. Neue Probleme. Vorsorge. Ernüchterung. Frustration.
Bericht von Dieter Strasser, Grüne Wirtschaft-Mitglied aus Böheimkirchen
Die Prognose von Kachelmann ist rechtzeitig bekannt gewesen. Wir haben uns bereits aus früheren leichten Überschwemmungen sowie Blackout-Perspektiven mit Reserven ausgestattet. Rückstau-Klappen sind genauso lange in Betrieb wie die wichtigsten Geräte im Keller allesamt auf gemauerten Erhöhungen jenseits 50cm stehen.
Obwohl der erste Abgleich keine unmittelbare Gefahr für unsere Gegend ergeben hat, sind wir vorsichtig geblieben und haben die Situation genau beobachtet. Je näher die Niederschlagstage heran gerückt sind, desto aufmerksamer sind wir geworden. Wir haben sowohl die Menge des Niederschlags auf der Straße als auch an den Bächen und im Kanal verfolgt und das Tag und Nacht.
Reinhard Steurer hat oft darauf hingewiesen: „Hochwasser kann jeden von uns treffen, unabhängig davon, ob jemand bisher verschont geblieben ist“. Diese Realität hat uns nun schmerzlich getroffen. Oft bin ich bei deren Weitergabe ausgelacht worden. Immer wieder habe ich mir im Kopf ausgemalt, wohin ich bei einsetzender Flut sofort mit meinem Auto fahren würde. Doch als es soweit gewesen ist, ist alles so schnell und mit einer Urgewalt abgelaufen, wodurch für Sicherheitsmanöver keine übrige Zeit mehr vorhanden gewesen ist. Das Ergebnis: zwei teilweise überflutete Fahrzeuge, beide mit Totalschaden – insbesondere wegen Ausfällen der Elektronik in Folge, welche unter dem feuchten Teppich verbaut ist. Nur eines ist ausreichend versichert gewesen, da der zweite PKW schon ein beträchtliches Alter erreicht hat und bald gegen ein neues Elektroauto getauscht werden sollte. Der Verlust erlaubt diesen Schritt momentan nicht. Da auch das Hauptreisemittel Bahn als Klimaticketnutzer ausfällt bzw. stark eingeschränkt ist, ist die Mobilität sehr in Mitleidenschaft gezogen.
Doch zurück zum Hochwasser: Nach den ersten Tropfen in der Nacht sind die Pumpen noch gelaufen und der Puls ist normal geblieben. Doch dann, als der Strom plötzlich ausgefallen ist und wir ca. 1 ½ Stunden mit selbstgeschöpften Kübeln und der Taschenlampe im Mund die Treppe im Dunkeln hinaufgestiegen sind, hat sich die Notlage rapide verschärft. Klar, Notstromaggregate sind erhältlich. Nur was nutzen solche Ausstattungen bei einem Wasserspiegel weit über der Oberfläche? Die Sinnlosigkeit beim Betrachten des steigenden Kanals ist immer deutlicher geworden, und schwupps ist es aus gewesen – der Umkipppunkt zum Überfließen, nein zum Reinschießen des Hochwassers war gekommen. Unmittelbar merkt man: jetzt ist es aus. Am besten öffnet man die Fenster, damit der Druck nicht noch mehr zerstört und das Wasser abfließen kann. Hoffentlich sind genug Trinkwasser, Notkanalisation, Taschenlampen, Gummistiefel usw. in den Regionen verfügbar, wo man Zugriff hat. Innerhalb von drei Stunden kann sich ein Keller vollsaugen wie nichts. Immer wieder fehlt plötzlich etwas, das noch nützlich gewesen wäre. Zum Beispiel Anzünder für den Kachelofen oder Katzenkisterl oder gar der Katzenkorb für plötzliche Bergungen, die bei nicht mehr zugänglichen Außenanlagen für Freigänger plötzlich elementar werden.
Das Leben in den Folgestunden reduziert sich auf Zittern, das Wegräumen der untersten Bereiche im Erdgeschoss, informieren, austauschen und berechnen, wie weit der Wasserstand noch steigen wird. Jeder dumpfe Laut aus dem Keller sticht ins Bewusstsein, weil der Schaden physisch spürbar ist. Wenn man wie wir bereits die vierte Flutung erlebt, hat man gewisse Erfahrungen gesammelt. Trotz der Prognosen haben weder wir noch irgendjemand in unserer Siedlung mit dieser Macht und dem gewaltigen Ausmaß gerechnet. Eine meiner Lehren daraus ist, lieber noch mehr vorsorgen und auf Reserven achten, als auf Fakten zu warten. Daher bin ich sehr froh, meine IT-Geräte im Erdgeschoss vollständig abgebaut und erst 3 Tage später wieder rückgebaut zu haben. Diese Zeit war gut investiert.
Obwohl uns extrem viele Hilfskräfte aus der Familie sofort unterstützt haben, ist man selbst bei laufend entrümpelten Kellern total erschöpft. Die Welt steht richtig still. Irgendwie fühlt man sich wie in einem Hollywood-Blockbuster und es wirkt unwirklich. Die ersten Nächte sind von lediglich drei Stunden Schlaf – und das nur im Schichtbetrieb wegen zu leerender Kübel – gezeichnet gewesen. Insbesondere da die Tage sehr lang und intensiv sind. Die zentrale Frage zur finanziellen Seite gilt der weitestgehenden Reduktion dieser Gefahren für ein nächstes Mal. Denn auch da ist unser Klimaprofessor klar: Die Vorfälle werden nicht weniger, aber dafür intensiver. Noch bessere Vorbereitung ist gefragt. Nur was tun? Hausintern werden wir zusätzliche Stromzuführungen an der Decke für die Pumpen verlegen und diesen einen eigenen Stromkreis spendieren. Außerdem denken wir darüber nach, die Waschmaschine zugunsten der Badewanne ins Dachgeschoss zu verlagern. Das erweiterte Abschotten nach außen macht nur partiell Sinn. Denn es führt auch zu erhöhten Wasserspiegeln und das für alle. Deswegen sind Auslaufflächen oder noch besser erweiterte Rücklaufbecken in der Natur entscheidend, um dem Schwung des Hochwassers entgegenzuwirken. Die Bevölkerung neigt oft dazu, die Gemeinde für das Fehlen solcher Maßnahmen verantwortlich zu machen. Doch bevor der Druck zu groß wird, werden auf kurze Sicht Flächen versiegelt und die Risiken ignoriert.
Dabei ist es nirgends wirklich sicher. Ein Hangrutsch hat in unserer Gemeinde bereits einen Hausteil zerstört, und genauso hat eine ältere Frau auf einer Stehleiter lange Zeit nur mit dem Kopf über Wasser überlebt. Wollen wir uns in Zukunft immer wieder diesen Gefahren aussetzen? Wie können wir das finanzieren? Warum investieren wir nicht endlich vorab in die Prävention und arbeiten gemeinsam an lebenswerten Umgebungen, unabhängig von Parteipolitik? Wie können wir Menschen aus ihrer kognitiven Dissonanz herausholen und Maßnahmen ergreifen, anstatt uns einfach zurückzulehnen?
Das Renaturierungsgesetz war ein erster, enorm wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Doch bitte muss es auch endlich wahrheitsgemäß evaluiert und veröffentlicht werden. Der Bodenverbrauch ist ein weiteres Thema. Für Lippenbekenntnisse oder CO2-Konten bleibt keine Zeit. Wie wäre es mit Sanierungen statt neuer Versiegelung? Liegenschaften sollten in Kombination von Barrierefreiheit und Hochwasserschutz umgestaltet werden. Wir haben es in der Hand, Österreich wieder zu einem sicheren Raum zu machen. Gegenseitige Beschuldigungen bringen uns nicht weiter. Fragen über Fragen mit viel Kopfzerbrechen.
Bis heute ist bei vielen noch immer nicht im Kopf angelangt, welchen Schaden der Autoverkehr nach sich zieht. Meine Mutter fragt mich regelmäßig bei größeren Auslandsreisen, ob ich mit dem PKW fahre (was ich seit gut zwei Dekaden nicht mehr tue) oder fliege (was ich seit vier Jahren zu 99,99% nicht mehr gemacht habe). Zu lesen, wie oft jemand heutzutage mit Verbrennern in den Urlaub fährt, zieht mir mein Herz zusammen.
Wenn dann aber angesichts einer solch gewaltigen Katastrophe nur 10 Tage später auch noch der Spatenstich für die Ostumfahrung in Wr. Neustadt mit gewaltiger Versiegelung (und als weitere Kausalität sicher die Abtötung der Stadt selbst) erfolgt oder sich ein bekannter Politiker mit breitgeschwellter Brust als Klimaschützer der Nation aufspielt, ohne auch nur je einen Finger gekrümmt zu haben. Dafür werden stattdessen die wahren Unterstützer:innen wie unsere hochgeschätzte Klimaministerin blockiert, diffamiert oder mit Klagen zugedeckt. Dann frage nicht nur ich mich, wo die Reise hingehen wird und wer für den Schutz der Bürger sorgt. Dabei ist dies kein Einzelfall, wie das durchgedrückte Zentrallager von Rewe in St. Pölten mit eigener Autobahnabfahrt und Hochwasserschutz zeigt. Vom noch immer vehement geplanten Lobautunnel wollen wir hier mal ganz schweigen.
De facto wissen wir, was wir ernten werden und deswegen appelliere ich: so kann es nicht weitergehen. Es ist Zeit für gravierende Änderungen. Es ist Zeit für ein neues sicheres, lebenswertes Österreich in Europa.
Dieter Strasser, Grüne Wirtschaft-Mitglied aus Böheimkirchen