In der Arbeit in der Interessensvertretung für Unternehmer:innen (WKO) stoße ich regelmäßig auf Gepflogenheiten, die – gelinde gesagt – den demokratischen Standards eines mitteleuropäischen Landes unwürdig sind. Doch nur, weil diese Gepflogenheiten immer schon so etabliert waren, heißt nicht, dass man sie auch weiterhin so hinnehmen muss. Meine Antwort: „So nicht!“.
Ein Beispiel, mit welcher Selbstverständlichkeit der ÖVP-Wirtschaftsbund die angeblich neutrale Organisation Wirtschaftskammer für seine Zwecke missbraucht, lieferte kürzlich wieder einmal die Wirtschaftskammer Vorarlberg, die bekanntlich – Stichwort Inseratenaffäre – schon öfter als dunkelschwärzestes Schaf aufgefallen ist:
Vor einigen Wochen versendete eine hochrangige Mitarbeiterin der westlichsten Kammerorganisation die Einladung zur Spartenkonferenz der Sparte Tourismus & Freizeitwirtschaft. So weit, so (formal) gut. Neben der Information über die Tagesordnungspunkte wurde die Aussendung aber auch genutzt, um die Funktionär:innen dazu aufzurufen, letzte Nominierungen für die Liste der „Vorarlberger Wirtschaft“, einem Zusammenschluss aus dem Wirtschaftsbund Vorarlberg und der Freiheitlichen Wirtschaft Vorarlberg, vorzunehmen.
Um es noch einmal zu verdeutlichen: Die Einladung zu einer Sitzung der Kammer war damit gleichzeitig ein Infoschreiben zur Wahlkampfvorbereitung der unter dem verschleiernden Namen antretenden Gemeinschaftsliste „Vorarlberger Wirtschaft“ = ÖVP-Wirtschaftsbund und Freiheitliche Wirtschaft!
Die Wirtschaftskammer Vorarlberg gibt vor, eine überparteiliche Organisation zu sein. Die Finanzierung erfolgt durch die Pflichtbeiträge der Unternehmer:innen, somit hat sie nach meinem Verständnis auch die Interessen aller Unternehmer:innen zu vertreten. Eine klare Abgrenzung von parteilicher Arbeit und der Ausübung der Kammerfunktion sollte selbstverständlich sein, ist aber offensichtlich im Mindset der dort beschäftigten Mitarbeiter:innen noch immer nicht angekommen. Kein Wunder, werden diese doch auch allesamt von ÖVP-Funktionär:innen ausgewählt und damit zur Linientreue angehalten.
Vorfälle wie dieser erscheinen für Außenstehende vielleicht als trivial oder unser Aufschrei dagegen als pingelig. Tatsächlich spiegeln aber genau diese Nuancen die gelebte Hauskultur der Kammer wider und zeigen im Kleinen auf, was im Großen und Ganzen abläuft:
Ein schamloses Missbrauchen einer mit stattlichen finanziellen und personellen Ressourcen ausgestatteten Organisation, die damit im politischen Gefüge ein mächtiger Player ist, durch die ÖVP.
Bei mir rufen derartige Vorkommnisse aber nicht nur Empörung hervor. Sie sind auch immer Motivation zur beharrlichen Fortsetzung der Kontrollarbeit, des Aufdeckens und Veränderns. Denn auch in diesem Fall wurde zumindest zugegeben, dass die Vorgehensweise nicht korrekt war und die Mitarbeiter:innen der Kammer wurden über ihre Verpflichtung zur parteipolitisch unabhängigen Arbeit informiert.
Es geht also doch!
Bis zum nächsten Mal
Eure Sabine
Sabine Jungwirth
Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft