Die WKÖ-Geldspeicher sind prall gefüllt
Es ist wieder so weit, wir haben die Rechnungsabschlüsse aller Wirtschaftskammerorganisationen vorliegen und für euch ausgewertet. Eines steht fest: Die Kammer hat Geld, sehr viel Geld. Erstmals überspringt die Summe der Rücklagen die 2 Mrd. € Marke – mehr dazu weiter unten.
Aber beginnen wir von vorne
Jedes Jahr im Frühsommer veröffentlichen die Wirtschaftskammern ihre Rechnungsabschlüsse des vergangenen Jahres – so auch dieses Jahr. Auf unseren Druck hin haben die Kammern dafür sogar eine eigene Transparenzseite eingerichtet (siehe hier). Für den vollständigen Überblick reicht das aber nicht aus. Es werden nämlich nur die Rechnungsabschlüsse der Kammern veröffentlicht, die der rund 1000 Branchengremien bleiben weiterhin geheim. Deshalb veröffentlichen wir diese hier zusätzlich und haben ALLE Zahlen zusammengeführt.
Einnahmen
In Summe nahmen die Wirtschaftskammerorganisationen im Jahr 2023 über 1,3 Mrd. € ein, das sind rund 2,3 % mehr als im Jahr 2022. Davon gingen rund 1,03 Mrd. € an die Kammern und rund 280 Mio. € an die Fachorganisationen (siehe Abb. 1).
Wer es noch genauer wissen will: in Abbildung 2 sind die Einnahmepositionen KU1, KU2, Grundumlage und die sonstigen Einnahmen für jedes Bundesland angeführt. Ebenso findet sich hier die jeweilige Abweichung zu 2022.
Wie steht es nun um die Rücklagen?
Die bis jetzt schon unfassbar hohen Rücklagen der Wirtschaftskammerorganisation sind weitergewachsen. Mittlerweile haben sie die Marke von 2 Mrd. € übersprungen. Seit Jahren kritisieren wir das komplett unsinnige Auffüllen der Geldspeicher! Die Mitgliedsunternehmen – aus deren Beiträgen die Rücklagen aufgebaut werden – haben in den letzten Jahren schwere Zeiten durchgemacht: Angefangen von der Coronapandemie bis hin zum durch Putins Angriffskrieg verursachten Preissprung bei den Energiekosten und der darauffolgenden Inflationsdynamik mussten die österreichischen Unternehmer:innen einiges durchstehen. Bis auf homöopathisch gefüllte Fördertöpfe und vereinzelte, minimale Reduktionen der Mitgliedsbeiträge hat die Kammer wenig getan – die Rücklagen sind gewachsen und gewachsen. Allein in den Jahren seit 2019 (also knapp vor der Pandemie) sind die Rücklagen um stolze 300 Mio. € gewachsen. Wozu braucht die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Kammer diese Mittel, wenn sie nicht einmal im größten wirtschaftlichen Einbruch der 2. Republik einen Teil davon an die Unternehmer:innen zurückgeben will?
Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Kammerfinanzen von 2019 (also vor der Coronapandemie) bis heute.
Hat die Arbeiterkammer nicht auch hohe Rücklagen?
Wenn wir die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Wirtschaftskammer kritisieren, wird uns oft entgegnet: „Aber wie ist es bei der Arbeiterkammer? Die machen doch das Gleiche!“.
Darum haben wir uns in diesem Jahr auch die Rechnungsabschlüsse der Arbeiterkammern angesehen. Deren Rücklagen belaufen sich 2023 auf rund 551 Mio. €, eine stolze Summe, die aber gerade einmal 27 % der WK-Rücklagen ausmacht. Um einen wirklich fairen Vergleich zu ermöglichen, haben wir uns angesehen, wie hoch die Rücklagen pro Mitglied sind. In Abbildung 4 das Ergebnis:
Pro aktivem Mitglied hat die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte WKÖ rund 3.500 € an Rücklagen, die Arbeiterkammer hingegen nur rund 140 €. D.h. die ÖVP Kämmerer haben pro Mitglied also rund 25-mal so viel an Rücklagen angehäuft wie die Arbeiterkammer. Diese unfassbare Diskrepanz ist durch keine vernünftige Argumentation rechtfertigbar. Wenn die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Wirtschaftskammer nach Entlastung schreit, soll sie zuallererst bei sich selbst beginnen.
Zusammenfassung
Jedes Jahr steigen die Rücklagen der vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierten Wirtschaftskammer. 2023 sind diese auf ein neues Rekordhoch von über 2 Mrd. € angewachsen. Wir fordern, dass die ÖVP-Kämmerer endlich für echte Entlastung ihrer Mitgliedsbetriebe sorgen und die Mitgliedsbeiträge so lange senken, bis die Rücklagen eine dem eigenen Regelwerk entsprechende Höhe[1] erreicht haben. Eine funktionierende Interessensvertretung für die österreichischen Unternehmen ist kein Sparverein. Statt der Regierung und anderen Institutionen zu erklären wie Unternehmer:innen entlastet werden können, soll die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Kammer zuallererst ihre eigenen Aufgaben erledigen und ihre Strukturen verschlanken.
[1] Bei Kritik an den Rücklagen beruft sich der ÖVP-Wirtschaftsbund immer wieder auf die – von der WKO selbst verfasste – Haushaltsordnung. Darin findet sich die Regelung, dass die Kammern Rücklagen bilden sollen, „die zur Abdeckung von unvorhergesehenen Schwankungen bei Aufwendungen und Erträgen der jeweiligen Körperschaft dient. Ihre Höhe soll möglichst einen Jahresbedarf der fortlaufenden Aufwendungen betragen.“ Die Jahresaufwendungen 2023 von ca. 1,2 Mrd. € lassen sich bei „unvorhergesehen Schwankungen“ sicher auch kurzfristig reduzieren. Gehen wir davon aus, dass der in außergewöhnlichen Situationen notwendige Jahresbedarf an fortlaufenden Aufwendungen bei (sehr großzügigen) ca. 1 Mrd. € liegt, sind die Rücklagen mit über 2 Mrd. € aktuell immer noch doppelt so hoch.